<44> Wiener Hof kehrte seinen Hochmut heraus und zeigte sich in seiner ganzen Würde: er erklärte, nicht einen Zoll breit von seinen Besitzungen abzutreten. Diese stolze und bestimmte Erklärung der Österreicher bewirkte, daß die Russen sich stillschweigend verhielten und die Dinge so blieben, wie sie waren.

All diese kleinen Scherereien kamen von dem Hasse des zum Fürsten erhobenen Grafen Orlow gegen Graf Panin: er beschuldigte ihn, den Anteil der Verbündeten Rußlands zu vorteilhaft bemessen zu haben, und der Minister, der seine Stellung erschüttert sah, hatte nicht den Mut, fest auf den Punkten zu bestehen, über die man sich in dem preußisch-russischen Vertrage geeinigt hatte.

Zu jener Zeit wurde die Hochzeit des Großfürsten in Petersburg gefeiert (10. Oktober 1773). Graf Panin, sein früherer Erzieher, verließ ihn nun, und die Zarin belohnte ihn nicht nur großmütig, sondern schenkte ihm auch ihr Vertrauen wieder, da sie die Verleumdungen und Versuche, ihn anzuschwärzen, durchschaute.

Nur durch Umtriebe und Kabalen war es dem König gelungen, die Wahl der Zarin bei einer Schwiegertochter auf die Prinzessin von Darmstadt1, die leibliche Schwester der Prinzessin von Preußen2, zu lenken. Um Einfluß in Rußland zu haben, mußte man Personen dort hinbringen, die es mit Preußen hielten. Man durfte hoffen, daß dies dem Prinzen von Preußen nach seiner Thronbesteigung zu großem Vorteil gereichen würde. Asseburg3, ein Untertan des Königs, der in russische Dienste getreten war, erhielt den Auftrag, alle deutschen Höfe, die heiratsfähige Töchter hatten, zu bereisen und darüber Bericht zu erstatten. Der König weckte seinen patriotischen Eifer und wies ihn daraufhin, daß ihm die Prinzessin von Darmstadt die liebste sei. Der Gesandte leistete dem König so gute Diensie, daß die Prinzessin zur Gemahlin des Großfürsten auserkoren ward. Derartige für die Zukunft getroffene Maßregeln können trügen; trotzdem darf man sie nicht vernachlässigen.

Während Petersburg im Festjubel der Vermählungsfeier war, trat in Warschau der polnische Reichstag zusammen, und die drei Höfe veröffentlichten dort ein Manifest mit dem Nachweis ihrer Rechte. Man verlangte, daß der König und die Republik folgendes unterzeichneten: 1. den Abtretungsvertrag für die drei Höfe; 2. die Pazifizierung Polens; 3. eine feste Apanage für den König; 4. die Einsetzung eines ständigen Staatsrats; 5. einen gesicherten Fonds, damit die Republik 30 000 Mann unterhalten könne. Die drei Nächte taten sich zur Bildung einer Kasse zusammen, die für Bestechungen bestimmt war, besonders zur Durchdringung eines Gesetzes, wonach die Polen nur einen Piasten zum König wählen durften.

Zugleich ließ jede Macht 10 000 Mann in Polen einrücken. Alle sandten ferner einen General nach Warschau, die Österreicher Richecourt, die Russen Bibikow, die Preußen Lentulus4. Sie hatten Befehl, gemeinsam zu handeln und streng gegen die


1 Prinzessin Wilhelmine von Hessen-Darmstadt, die nach ihrem Übertritt zum griechisch-katholischen Bekenntnis die Namen Natalie Alexjewna führte.

2 Vgl. S. 17.

3 Freiherr Achaz Ferdinand von der Asseburg.

4 Generalleutnant Freiherr Rupert Scipio von Lentulus.