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Der König gründete seine Ansprüche auf Pomerellen und einen Teil Großpolens diesseits der Netze darauf, daß die Polen jene vormals zu Pommern gehörenden Provinzen davon abgerissen hätten. Die Stadt Elbing forderte er auf Grund eines klaren Anspruchs und einer Geldsumme, die seine Vorfahren der Republik auf die Stadt vorgeschossen hatten1. Das Bistum Ermland und die Woiwodschaften Marienburg und Kulm bildeten die Entschädigung für Danzig, die Hauptstadt Pomerellens, das seine Freiheit behielt. Wir wollen keine Verantwortung für die Rechtsgültigkeit der russischen und noch weniger der österreichischen Ansprüche übernehmen.

Es bedurfte des Zusammentreffens einzigartiger Umstände, um diese Teilung herbeizuführen und die Gemüter dafür zu gewinnen; sie mußte erfolgen, um einem allgemeinen Kriege vorzubeugen.

Das war das Ende so vieler Unterhandlungen, die Geduld, Festigkeit und Geschick verlangten. Für diesmal gelang es, Europa vor einem allgemeinen Kriege zu behüten, dessen Ausbruch nahe bevorstand. So widerstreitende Interessen wie die der Russen und Österreicher waren schwer zu vereinen. Um die Russen für ihre Eroberungen zu entschädigen, die sie auf Österreichs Verlangen der Pforte zurückerstatten sollten, gab es kein anderes Mittel, als ihnen Erwerbungen in Polen zuzuweisen. Die Kaiserin-Königin hatte durch die militärische Besetzung der Herrschaft Zips das Beispiel dazu gegeben. Um das Gleichgewicht zwischen den nordischen Mächten einigermaßen aufrechtzuerhalten, mußte sich der König an dieser Teilung notwendig beteiligen.

Das ist in der Geschichte das erste Beispiel einer Teilung, die zwischen drei Mächten friedlich geregelt und beendet ward. Ohne die damalige politische Lage Europas wäre sie auch den geschicktesten Staatsmännern nicht gelungen: alles hängt von den Umständen und von dem Zeitpunkt ab, in dem die Dinge geschehen.

Die Sorge um die Vereinigung so vieler Interessen nahm nicht die ganze Aufmerksamkeit der drei Mächte in Anspruch. Nicht weniger drängte man die Türken, in die Abhaltung eines Kongresses zu willigen. Der österreichische Internuntius in Konstantinopel2 sprach nicht mehr von den so dringend geforderten Subsidien3, noch von den Diversionen, die sein Hof zugunsten der Pforte machen wollte; statt die Türken zur Fortsetzung des Krieges aufzumuntern, wirkte er in Gemeinschaft mit dem preußischen Vertreter4 darauf hin, daß der Sultan Gesandte zum Friedenskongreß schickte. Die Bevollmächtigten wurden von beiden kriegführenden Mächten ernannt. Auch der preußische und österreichische Gesandte begaben sich nach Fokschani (August 1772), wo öle Konferenzen stattfanden. Graf Orlow, der Günstling der Zarin, führte von feiten Rußlands den Vorsitz, und Osman Effendi von türkischer


1 Vgl. Bb.l, S. 64. 102. 114.

2 Franz Maria von Thugut.

3 Auf Grund des Allianzvertrages (vgl. S. 29).

4 Johann Christoph von Zegelin.