<23>biete er sich gern, die beiden Kaiserhöfe auszusöhnen. Es sei sogar Zeit, daran zu denken, damit die gegenseitige Verstimmung nicht in einen offenen Bruch ausarte. Um indes den Wiener Hof in seiner scheinbar günstigen Stimmung zu erhalten, hielt er es für geboten, dieselben Versicherungen zu wiederholen, die er schon dem Kaiser in Neiße gegeben hatte1. Ferner versprach man sich, die kleinen Streitigkeiten, die öfter zwischen den Grenzbeamten vorkommen, gütlich beizulegen. Auch willigte der König in das Ansuchen des Kaisers, den Wiener Hof ehrlich von allen Eröffnungen in Kenntnis zu setzen, die Frankreich dem Berliner Hose etwa machen sollte. Da dies alles jedoch zwischen dem König und Fürst Kaunitz verhandelt worden war, hielt der König es für schicklich, den Kaiser von allem, was gesprochen und geschehen war, in Kenntnis zu setzen, und wie es schien, rechnete der junge Herrscher, der an solche Rück sichten wenig gewöhnt war, dem König diese Aufmerksamkeit hoch an. Behandelte sein Premierminister ihn doch sehr von oben herab und mehr als Untergebenen denn als Herrn.

Am Tage nach dieser Konferenz2 traf in Neustadt ein Kurier aus Konstantinopel ein, mit Briefen des Kaïmakam3 vom 12. August, in denen der Sultan die Höfe von Berlin und Wien zur Übernahme der Vermittlung einlud, um die zwischen der Pforte und Rußland noch bestehenden Streitigkeiten zu schlichten. Es war in diesen Schreiben ausdrücklich hervorgehoben, daß die Türken nur durch Vermittlung der beiden Mächte Frieden schließen würden.

Der Kaiser gestand zu, daß er diese Vermittlung lediglich der Mühe verdankte, die der König von Preußen sich in Konstantinopel gegeben hatte, und wußte ihm Dank dafür. Am selben Tage hatte der König eine Unterredung mit Fürst Kaunitz. Er verfehlte nicht, ihn wegen des erfreulichen Ereignisses zu beglückwünschen, das ihn einigermaßen beruhigen, ja selbst die Eifersucht beschwichtigen könnte, die die ruffiWen Erfolge in seiner Seele erregt hatten. Er sagte ihm, dieser Schritt der Pforte mache den Wiener Hof zum Schiedsrichter der Friedensbedingungen, die er zwischen beiden Mächten festzusetzen wünsche. Der Minister steckte das Kompliment mit dem ganzen österreichischen Hochmut ein und erwiderte in anmaßendem Ton und in gespielter Gleichgültigkeit, daß er den Schritt der Türken billige. Und doch ward nie eine Vermittlung begieriger angenommen.

Während man geschäftig war, den Norden zu beruhigen, sagten neue Zwistigkeiten und Zerwürfnisse einen baldigen Bruch im Süden Europas voraus. Choiseul, der unruhige Geist, der sich darin gefiel, an allen Höfen Verwirrung anzurichten, war der alleinige Urheber jener Streitigkeiten. Er wollte mit aller Gewalt die Engländer demütigen, wagte aber aus Furcht, Ludwig XV. zu mißfallen, nicht offen zu handeln und schob die Spanier vor, die sich der Falklandinsel bemächtigten, wo die Eng-


1 Vgl. S. 19.

2 In der Nacht zum 4. September 1770.

3 Der Kaïmakam Mehmed Pascha führte in Abwesenheit des Großwesirs Chalil Pascha, der im Felde weilte, die Geschäfte.