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Allein dem König widerstrebte es aufs äußerste, solche gewaltsamen Maßregeln zu ergreifen. Er wollte sich nicht zum Mitschuldigen der Ungesetzlichkeiten des Wiener Hofes machen; denn er meinte, wenn die Gerechtigkeit auch aus der Welt verbannt sei, so müßte sie noch bei den großen Fürsten zu finden sein1. Anstatt Groll, Bitterkeit und Gehässigkeit zu zeigen, ließ der König unmittelbar nach dem Tode des letzten Kaisers dem König von Polen freundliche Vorschläge machen, um einen Modus zur Versöhnung zu finden. Diese Vorschläge bewiesen die völlige Selbstlosigkeit Preußens und boten beträchtliche Vorteile und Gebietserweiterungen für das Haus Sachsen.

Diese friedlichen Schritte waren fruchtlos. Der Stolz des Dresdener Hofes war geschwellt durch den kindlichen Gedanken, die sächsischen Truppen hätten viel zu dem Rückzug beigetragen, den die Preußen am Ende des verflossenen Jahres unternahmen, um sich an der schlesischen Grenze aufzustellen2. Die Wahnhoffnung, große Eroberungen zu machen, wobei der sächsische Hof seine ehrgeizigen Absichten auf die Rechtswidrigkeiten des Warschauer Vertrages gründete3, die Eifersucht auf einen Nachbarn, dessen Vergrößerung er mit Groll und Neid gesehen hatte, kurz, ein Aufschäumen der Leidenschaften und wohl auch persönliche Interessen der Minister machten den Hof blind gegen die wahren Interessen Sachsens und taub gegen die Stimme der Gerechtigkeit und Billigkeit.

Durch den Warschauer Vertrag hatte sich der König von Polen verpflichtet, der Königin von Ungarn 30 000 Mann Hilfstruppen zu stellen, um Schlesien zu erobern. Bekanntlich wurde ferner ausgemacht, daß die Königin von Ungarn dem König von Polen zum Dank für diese Hilfe ihre Rechte auf die Fürstentümer Glogau, Jauer, Wohlau und die Handelsstädte im Gebirge abtreten sollte. Der König von England versprach die Zahlung einer ziemlich beträchtlichen Summe an Sachsen, um den König von Polen in den Stand zu setzen, Truppen in Polen zu unterhalten und die polnische Krone in seinem Hause erblich zu machen.

Auf Grund dieses Vertrages drangen die Sachsen am 26. Mai mit den Österreichern in Schlesien ein und rücken bis Hohenfriedberg vor, während fast zu gleicher Zeit ein Artillerietrain nebst Pontons von Dresden abging, um nach Glogau zu marschieren, das die Sachsen belagern wollten. Allein die Vorsehung, die die Reiche machtvoll regiert und in ihrer Weisheit über die menschlichen Dinge wacht, sie, der es beliebt, den Plan der Stolzen zunichte zu machen und Die zu demütigen, die sich auf ihre eigene Kraft verlassen, hatte es anders beschlossen. Bekanntlich errangen die preußischen Truppen am 4. Juni unsterblichen Ruhm4, und die Folgen jenes Sieges zerstörten vollends die Pläne, die die Feinde gegen Ruhm und Macht des Königs geschmiedet hatten. Die ganze Welt weiß, welche unerhörten Grausamkeiten die Feinde in Schlesien begingen; auf ihrem Andenken liegt Fluch und Schande, und


1 Vgl. Bd. III, S. 64; VII, S. 72.

2 Vgl. Bd. II, S. 185 ff.

3 Für den Warschauer Vertrag vom 8. Januar 1745 vgl. Bd. II, S. 197.

4 Schlacht bei Hohenfriedberg (vgl. Bd. II, S. 218 ff.).