<196> mit Rußland1, und jedermann sagte sich ins Ohr, es sei gegen Preußen gerichtet. Der König von Polen war durch Schlesien zum polnischen Reichstag gereist und hatte in Warschau und an den andern europäischen Höfen verleumderisch von der Rücksichtslosigkeit der Preußen gegen ihn wie gegen seine Familie gesprochen, obwohl man ihm jede gekrönten Häuptern schuldige Achtung erwiesen hatte. Infolge des Durchmarsches der preußischen Truppen durch Sachsen wurde das Geschrei noch lauter. Man hielt den Sachsen als Gegenbeispiel vor, daß sie 1711 durch Brandenburg marschiert wären, um die Schweden anzugreifen; aber sie fanden diese Beispiele nur gut für sich und schlecht für andre. Man hatte dem König von Polen in seinem eignen Interesse vorgeschlagen, seine Tochter, die Prinzessin Maria Anna, mit dem Sohne des Kaisers zu verheiraten2. Der französische und preußische Gesandte machten dem Grafen Brühl sogar sehr beträchtliche Anerbietungen, um ihn auf die Seite des Kaisers zu ziehen. Aber es war alles umsonst. Der Platz war schon besetzt von den Engländern, Österreichern und Russen. Trotz so vieler Züge von Feindseligkeit von sächsischer Seite gestattete der König von Preußen vor dem Ausbruch des Krieges doch sechs Regimentern, die in Polen standen, den Durchmarsch durch Schlesien nach der Lausitz.

Der König von Polen hatte der Königin von Ungarn vertragsmäßig im Kriegsfalle nur 6 000 Mann zu stellen. Sobald aber die Preußen in Böhmen eingerückt waren, stießen 22 000 Sachsen zu den Österreichern, und Sachsen versagte den Preußen die Durchfuhr der Lebensmittel und Kriegsvorräte. Das kam einer förmlichen Kriegserklärung gleich. Der König von Preußen glaubte, die so sehr gegen ihn ergrimmten sächsischen Nachbarn darauf aufmerksam machen zu müssen, welch schlimme Händel sie sich selbst dadurch zuziehen würden. Aber seine, vielleicht zur Unzeit erfolgte Erklärung empörte ihre Eigenliebe und vermehrte noch ihren Haß gegen Preußen. Als das preußische Heer Böhmen verlassen mußte, schrieb Graf Brühl das seiner eignen Gewandtheit zu. Ja, er rühmte sich, die Königin von Ungarn habe Böhmen dank der Tapferkeit der sächsischen Truppen wiedererlangt, welche die Preußen zum Rückzug gezwungen hätten.

Mit solchen Prahlereien nicht zufrieden, suchte Brühl vor allem den König von Preußen mit der Republik Polen zu entzweien. Bekanntlich besteht in Polen ein strenges Gesetz gegen Bestechung von Reichstagsmitgliedern. Durch viele Geschenke bewog Brühl einen Starosten Wilczewski, vor versammeltem Reichstag zu erklären, der preußische Gesandte habe ihn mit einer Summe von 5 000 Dukaten bestochen. Das gestand der Starost mit zerknirschter und treuherziger Miene, die in der Tat hätte irreführen können. Aber er ward streng verhört und durch seine eigenen Aussagen der Lüge überführt. Der Reichstag zu Warschau ward augenblicklich abgebrochen, nachdem er das Bündnis mit Österreich und die Heeresvermehrung abgelehnt hatte.


1 Diese Angabe beruht auf Irrtum.

2 Die Vermählung der Prinzessin mit Kurfürst Maximilian Joseph kam erst 1747 zustande.