<195> der Fürsten, die seine Verteidigung übernommen hatten, legitimiert. Alle ihre Schritte waren den Reichsgesetzen gemäß. Sobald er aber nicht mehr lebte, wurde das Bündnis hinfällig. Die Reichsfürsten hatten kein gemeinsames Ziel mehr und waren nicht mehr durch gleiche Interessen mit Preußen verknüpft. Es war daher leicht vorauszusehen, daß das neue Haus Österreich auch das Unmögliche versuchen würde, um die Kaiserkrone zurückzugewinnen. In Versailles betrachtete man den Tod des Kaisers insgeheim als eine glückliche Lösung des Knotens und sah sich aus aller Verlegenheit befreit. Man war der ansehnlichen Subsidien, die man dem Kaiser gezahlt hatte, überdrüssig und hoffte, mit der Königin von Ungarn einen guten Tausch zu machen, wenn man ihr die Kaiserkrone gegen einen vorteilhaften Frieden überließ. Dem Wiener Hofe kam es bei seinen ehrgeizigen Wünschen vor allem zu statten, daß ein Drittel der Kurfürsten im Solde des Königs von England stand, und daß der Kurfürst von Mainz, der großen Einfluß auf die Beratungen des Wahltages hatte, der Königin von Ungarn treu ergeben war. Wo sollte man zudem einen Nebenbuhler finden, den man gegen den Großherzog von Toskana aufstellen konnte? Der Kurfürst von der Pfalz war zu schwach und der junge Kurfürst von Bayern1 noch nicht in dem Alter, das die Goldene Bulle für die Wahlfähigkeit vorschrieb. Mit dem Throne von Polen hielt man den Kaiserthron für unvereinbar, und so fiel der Kurfürst von Sachsen gänzlich aus. Es blieb folglich niemand als der Großherzog von Toskana, der die Heere der Königin von Ungarn, das englische Gold und die Intrigen der Geistlichkeit hinter sich hatte. Der Versailler Hof sah die Schwierigkeit ein, den Großherzog diesmal vom Thron auszuschließen; trotzdem wollte Frankreich ihm Nebenbuhler erwecken, um sich dann seine Nachgiebigkeit besser bezahlen zu lassen. Der Marschall von Sachsen lenkte die Wahl des Versailler Hofes auf August III., König von Polen. D'Argenson2 griff den Gedanken eifrig auf. Er hoffte den König von Polen durch seine Kandidatur mit der Königin von Ungarn zu entzweien und glaubte, daß sich der Ausführung dieses Planes keine Macht außer Preußen widersetzen würde. War d'Argenson doch von den Ursachen der Mißstimmung, die zwischen Berlin und Dresden herrschte, genau unterrichtet.

In der Tat hatte der König von Polen nichts unterlassen, um den König von Preußen zu reizen. Seit Beginn des Jahres 1744 hatte August versucht, die Republik Polen zur Teilnahme an seinem Bündnis mit Österreich3 zu bewegen, das eigentlich nur eine Erneuerung der Garantie der Pragmatischen Sanktion war. Er stellte dem Reichstag zu Warschau die Notwendigkeit vor, die Kronarmee um 20 000 Mann zu vermehren, um den Absichten eines ehrgeizigen Nachbarn, der die Republik unverzüglich angreifen wollte, entgegenzutreten. Er schloß ein Schutz- und Trutzbündnis


1 Maximilian Joseph, geb. 28. März 1727.

2 Renatus Ludwig de Boyer de Paulmy, Marquis d'Argenson, seit November 1744 französischer Minister des Auswärtigen. —-

3 Wiener Vertrag vom 20. Dezember 1743 (vgl. S. 155). Durch einen neuen Vertrag vom 13. Mai 1744 verpflichtete sich Sachsen für englische Subsidien zur Stellung von 20 000 Mann an Österreich.