<99>Und bettelarm, verfemt zu Tode siechen —
Bis diese Schlange, die das Licht erschreckt,
Im Schlamm verkommt, mit eklem Kot bedeckt!

Doch ihr, die ihr der Welt Gesetze gebt,
Die eure Macht zur Götterhöhe hebt —
Wie duldet ihr's, daß euer hoher Rat
Zur Freistatt wird für Treubruch und Verrat?
O Zeiten, Sitten! Frevler auf dem Throne!
So dankt dem Himmel ihr für Glanz und Krone?
Die Ehre müßte, aus der Welt verstoßen,
In euren Herzen noch ein Obdach finden,
Die Wahrheit heimisch sein bei allen Großen
Und jede Himmelstugend sie umwindend1
Die guten Fürsten sind der Gottheit Spiegel,
Doch Falschheit drückt auf Königsstirn ihr Siegel,
Bricht aus der Krone ihren hellsten Stein:
Dämonen freveln, Götter bleiben rein!
Entschließt euch denn: wollt ihr die Welt bedrücken,
Wollt ihr durch eure Güte sie entzücken?
Ein Drittes gibt es nicht! Mit halber Kraft
Erwies kein Fürst sich noch als tugendhaft!
Luchsäugig schaut ein ganzes Volk euch zu,
Und mächtig wirkt das Vorbild, das ihr gebt.
Die leichtverführte Menge tritt im Nu
In eure Spur, wenn ihr in Lastern lebt —
Allein was sag' ich? Wohin schweif' ich? Kronen
Und Herrscherpurpur laßt uns hier verschonen!

Die Tugend strahlt in tausend Farben hell ...
Seht jenen Kurfürst, unsres Ruhmes Quell,
So groß im Frieden wie im Schoß der Siege!
Als starker Feind bewies er sich im Kriege,
Doch zeigt' er auch an Edelmut sich groß.
Als sich ein Meuchelmörder, ein Franzos,2
Erbot, Turenne, den Feldherrn, umzubringen,
Fiel Friedrich Wilhelm nicht in seine Schlingen:
Mit Graus erfüllt' ihn dieser Schurkenplan;


1 Vgl. Bd. III, S. 64; VII, S. 72.

2 Anmerkung des Königs: „Der Elende hieß Villeneuve“ (vgl. Bd. I, S. 71).