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Der neue König von England ergriff den Oberbefehl über das Heer der Verbündeten. Europa lenkte er durch seine Intrigen, indem er die Eifersucht aller Fürsten gegen die Macht Ludwigs XIV. wachrief, den er haßte. Die Welt stand in Waffen und führte Kriege, um ihm seine Gewaltherrschaft über die vereinigten Niederlande zu erhalten, die er in Friedenszeiten verloren hätte. Man nannte ihn „König von Holland und Statthalter von England“. Im Kriege hatte er kein Glück, er wurde fast immer geschlagen; aber er war fruchtbar im Auffinden neuer Hilfsquellen und umsichtig bedacht, seine Verluste auszugleichen. Wie die Hydra der Sage erneuerte er sich unaufhörlich. Nach seinen Niederlagen war er bei seinen Feinden ebenso angesehen wie Ludwig XIV. nach seinen Siegen.

Mit dem Kurfürsten hatte er eine Zusammkunft zur Erörterung der politischen Zeitfragen. Allein die Charaktere der beiden Fürsten waren zu verschieden, als daß sich aus ihren Verhandlungen etwas Ersprießliches hätte ergeben können. Wilhelm war kalt, von einfachem Wesen und ganz erfüllt von Dingen der Wirklichkeit. Friedrich III. war ungeduldig, eingenommen von der eigenen Hoheit und bemüht, die geringsten Handlungen genau nach dem Zeremoniell und den Schattierungen von Rang und Würden abzuzirkeln. Ein Sessel und ein Lehnstuhl drohten die beiden Fürsten für immer zu entzweien. Indessen stießen 15 000 Brandenburger in Flandern zu dem Heer, das König Wilhelm befehligte. Eine weitere bedeutende Verstärkung sandte der Kurfürst dem Kaiser zur Unterstützung gegen die Ungläubigen. In der Schlacht bei Szlankamen, die Prinz Eugen1 gegen die Türken gewann (1691), kämpften die brandenburgischen Truppen mit Auszeichnung. König Wilhelm war weniger glücklich oder weniger fähig: er verlor in Flandern die Schlachten von Leuze (1691) und Neerwinden (1693).

Herzog Ernst August von Hannover, Friedrichs III. Schwiegervater, stellte seinerseits dem Kaiser ein Heer von 6 000 Mann für den Krieg in Ungarn. Zum Lohn für den Beistand erlangte er die Kurfürstenwürde (1692). Die Errichtung dieses neunten Kurfürstentums fand im Reich viel Widerspruch. Nur die Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen ließen sich geneigt finden, sie zu unterstützen. Aber der Kaiser brauchte greifbare Hilfe und glaubte sie nicht zu teuer zu bezahlen, wenn er leichtwiegende Titel dafür gab.

Es scheint, die Zeit war dem ehrgeizigen Trachten der europäischen Fürsten günstig. Ungefähr zur selben Zeit, da der Prinz von Oranien sich die Krone von England aufs Haupt setzte, erlangte Herzog Ernst August von Hannover den Kurfürstenhut. Kurfürst August von Sachsen bahnte sich den Weg zum Thron Polens (1697), und Friedrich III. beschäftigte sich schon lebhaft mit dem Plan seines Aufstiegs zur Königswürde.

Da diese Erhöhung eine der wichtigsten Handlungen im Leben des Kurfürsten, eines der wichtigsten Ereignisse für das Haus Brandenburg ist und in der Politik


1 Vielmehr Markgraf Ludwig von Baden.