Juli.

A.

Juli 1776

Der König in Potsdam (Sanssouci).

9. Juli 1776

Der König an d'Alembert :

"Ich empfinde mit Ihnen das Unglück, welches Sie durch den Verlust einer Person erleiden, an welche Sie Sich gewöhnt hatten 143-+. Die Wunden des Herzens sind die empfindlichsten unter allen, und ungeachtet der trefflichen Grundsätze der Philosophen kann nur die Zeit sie heilen. Der Mensch ist ein Thier, das mehr Empfindung als Verstand hat. Zu meinem Unglück habe ich nur zu sehr erfahren, was man bei dergleichen Verlust leidet. Das beste Mittel ist, sich Gewalt anzuthun, um sich von einer schmerzhaften Idee loszureißen, die sonst zu tief in der Seele einwurzelt. Sie müssen eine mathematische Beschäftigung wählen, die viel Anstrengung erfodert, um, soviel Sie können, die traurigen Vorstellungen zu verbannen, die sich unaufhörlich erneuern, und die man nach Möglichkeit entfernen muß. Wüßte ich bessere Mittel, so würde ich sie Ihnen vorschlagen. Cicero, um sich über den Verlust seiner geliebten Tullia zu trösten, zerstreute sich durch Schreiben, und verfertigte verschiedene Aufsätze, von welchen einige bis auf uns gekommen sind. Unsere Vernunft ist zu schwach, um den Schmerz einer tödtlichen Wunde zu überwinden; etwas muß man der Natur nachgeben, und vorzüglich muß man sich sagen, daß bei Ihrem Alter, so wie bei dem meinigen, man sich eher trösten muß, weil wir nicht lange zögern werden, uns mit den Gegenständen unserer Klagen wieder zu vereinigen. Ich nehme mit Vergnügen die Hoffnung an, die Sie mir machen, einige Monate des nächsten Jah<144>res bei mir zuzubringen. Wenn ich es vermag, so werde ich aus Ihrer Seele die traurigen und schwermüthigen Vorstellungen verbannen, die ein unglücklicher Vorfall darin erzeugt hat. Wir wollen mit einander über das Nichts des Lebens, über die Thorheit der Menschen, über die Eitelkeit des Stoicismus und unsers ganzen Wesens philosophiren. Das sind unerschöpfliche Materien, die Stoff zu mehreren Folianten geben. Indessen bitte ich Sie, alle Mühe anzuwenden, die Sie nur können, damit nicht ein zu heftiger Schmerz Ihre Gesundheit zerrütte; ich nehme zu vielen Antheil daran, als daß ich dies mit Gleichgültigkeit ertragen könnte."

10. Juli 1776

Der König an Voltaire :

"Bei der Zurückkunft von einem Besuche bei meinen Halbwilden in Preußen finde ich hier zu meiner Stärkung den Brief, den Sie gütigst an mich geschrieben haben. Ich danke Ihnen für den Catéchisme des Souverains, eine Arbeit, die ich aus der Feder des Herrn Landgrafen von Hessen nicht erwartet hätte. Sie erzeigen mir zu viel Ehre damit, daß Sie mir seine Erziehung zuschreiben. Käme er aus meiner Schule, so wäre er nicht katholisch geworden, und hätte seine Unterthanen nicht an die Engländer verkauft. Diese Handlung sieht einem Fürsten, der sich zum Lehrer der Souveraine aufwirft, gar nicht ähnlich. etc. Wir haben hier erfahren, daß einige Französische Minister abgesetzt worden sind. Darüber wundere ich mich gar nicht. Ich stelle mir Ludwig XVI als ein junges Lamm vor, das alte Wölfe umgeben. Er ist sehr glücklich, wenn er ihnen entgeht. In Frankreich würde selbst ein Mann zu thun haben, der schon alle Uebung in der Regierungskunst hätte. Man würde ihm auflauern, ihn durch hinterlistige Winkelzüge verführen und zu falschen Schritten verleiten. Es ist also ganz natürlich, daß ein junger Monarch ohne Erfahrung sich von dem Strom der Kabalen und Intriguen hinreißen läßt. etc."

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12. Juli 1776

Der Prinz Ferdinand mit Gemalin, die Prinzessin Amalie, Prinz Friedrich von Braunschweig, Herzog Friedrich Eugen von Würtemberg mit Gemalin in Potsdam beim König, bis den 18ten, an welchen, Tage sie sämmtlich nach Berlin gehen.

18. Juli 1776

Der Russische Gesandte Fürst Dolgorucky zum König nach Potsdam.

20. Juli 1776

Der König zu Pferde nach Berlin. Er besieht hier die Bauten in der Leipziger Straße und am Dönhofschen Platz, so wie die neu angelegte Spittelbrücke.

21. Juli 1776

Vormittags besieht der König die zu Ehren des erwarteten Großfürsten Paul Petrowitsch von Rußland, am Bernauer Thore, an der Königs- und an der langen Brücke errichteten Ehrenpforten, desgleichen die neu erbauten Häuser in der Königsstraße. Abends empfängt er mit der Königin und dem ganzen Hof auf dem Schlosse den um 7 Uhr in Begleitung des Prinzen Heinrich ankommenden Großfürsten von Rußland, welcher seinen Einzug in die Stadt unter Paradirung des Militairs, der Schützengilde, der Kaufmannschaft, der Gewerke etc. und einer großen Menge Volks gehalten hatte.

23. Juli 1776

Vormittags nimmt der König die Wachtparaden wie gewöhnlich in Augenschein.

23. Juli 1776

Auf dem Königl. Schlosse geschieht in Gegenwart des Königs, der Königin und des ganzen Hofes etc. die feierliche Verlobung des Großfürsten mit der Prinzessin Sophie Dorothee Louise, Tochter des Herzogs Friedrich Eugen von Würtemberg. Alsdann große Cour, beim König Tafel, wo vom goldenen Service gespeist wird, Abends Ball paré.

24. Juli 1776

Große Tafel bei der Königin. Abends Oper : Angelika u. Medoro.

25. Juli 1776

Der Prinz Ferdinand giebt dem Großfürsten im Thiergarten, an dem Ufer der Spree, im Freien, zwischen Bellevue und den Zelten, ein Dejeuné, wobei sich der ganze Hof und die fremden Herrschaften befanden. Der Platz erhielt den Namen: der Großfürstenplatz. Abends im Opernhause Redoute.

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26. Juli 1776

Der König, die Prinzen des Königl. Hauses, der Großfürst und die fremden Herrschaften nach Charlottenburg, und nach der Mittagstafel nach Potsdam, wo der Großfürst, wie in Berlin, von Militair und Bürgerschaft feierlich eingeholt wurde. Der Zug ging durch die Stadt, unmittelbar nach dem neuen Palais in Sanssouci, wo Abends die Opera buffa: la Retornale di Londra gegeben ward. Die Königin und die Königl. Prinzessinnen waren in Berlin geblieben.

29. Juli 1776

Im Schlosse in der Stadt Franz. Comödie: le misanthrope.

30. Juli 1776

Der König und sämmtliche Herrschaften von Potsdam nach Charlottenburg und dann nach Berlin. Abends mit der Königin und dem ganzen Hof bei dem Prinzen Heinrich zur Tafel und zum Concert.

Die Festlichkeiten, welche bei der Ankunft und dem Aufenthalt des Großfürsten am Königl. Hofe Statt fanden, sind ausführlich beschrieben in dem Buche: Ausführliche Beschreibung der Reise des Großfürsten von Rußland Paul Petrowitsch von Petersburg nach Berlin etc. Berlin, 1776.

B.

4. Juli 1776

Die dreizehn vereinigten Staaten von Nordamerika erklären sich für frei und unabhängig.


143-+ Mademoiselle d'Espinasse. S. oben I. Thl. II, Abthl. S. 542. Von ihren vortrefflichen Briefen ist 1809 eine Deutsche Uebersetzung in 2 Bänden von Spazier erschienen.