<260>

Sechster Gesang
Schlacht und Ausgang

Der Tag trat seine Reise an.
Beschämt vor seiner Strahlen Pracht
Erblich der Sternenchor der Nacht,
Und neubelebt verspürt sein Nahn
Die Welt. Der Nebeldunst verweht
Vorm Glanz, der über Berge lacht,
Das Land in jungem Golde sieht.

Der Lothringer hatte die ganze Nacht
Schlummerlos damit zugebracht,
Unruhvoll seine Uhr zu fragen,
Wann es denn endlich wolle tagen.

Er beschied seine Freunde, seine Getreuen:
„Meine Lieben, es geht uns schlecht,
„Wir sollen uns keines Erfolges freuen!
„Wie bescheiden und wie gerecht
„Sind doch die Wünsche, die wir hegen —
„Der grausame Himmel bleibt taub dagegen!
„Nun haben wir Spott und Schande davon:
„Es war nichts mit dem Palladion,
„Der Preuße bewahrt's in zu sorglicher Hut.
„Und doch, wir müssen alles dransetzen,
„Endlich die Scharte auszuwetzen,
„Es hilft nichts! Es wird nicht eher gut!“
<261>Der männermordende Rosieres
Brach los: „Das kommt davon, auf Ehre,
„Daß Ihr auf die alten Schwätzer gehört,
„Die Euch mit Heiligengeschichten betört,
„Bei denen sich jedes Kriegerherz empört!
„Um den Wagemut ist's im Alter geschehn;
„Da weiß man seinen Rosenkranz zu drehn —
„Nur mit der ganzen Helligkeit
„Kommt man im Leben nicht weit.
„Ihr seid noch jung zu kühner Tat;
„Folgt Eurem Mut, nicht weisem Rat!
„Doch darf ich meine Meinung sagen,
„So soll man nichts nach Heiligen fragen.
„Im Himmel sind sie an rechter Stelle,
„Hier aber haben sie nichts getan,
„Um uns aus dem Unglück zu helfen. Wohlan,
„Versuchen wir's mal mit der Hölle!
„Ich meine, wer auf den Teufel zählt,
„Wird mit den Preußen besser fertig,
„Und unser famoser Franquini hält
„Stets Teufelskünste gegenwärtig.
„Er kann wohl beschwören“ —

„Heilige Marie!“
Vor Entsetzen das gute Karlchen schrie.
Allein der gute Rosieres schwor
Auf der Höllengeisier ganzen Chor;
Franquini aber verwettet sein Leben,
Die ganze Welt aus den Angeln zu heben.
Das gute Karlchen in Angst und Pein
Wird endlich bezwungen und schickt sich drein.

Ein Wäldchen lag vom Lager nicht weit,
Ein Ort des Friedens, der Einsamkeit,
So recht was für weltflüchtige Leute.
Dorthin pilgern drei Männer heute,
Das gute Karlchen an ihrer Spitze.
Er hat sich mit Weihwasser besprengt:
Man kann nie wissen, wozu das nütze,
Wenn uns der Böse listig bedrängt.
<262>Angelangt im Waldesverstecke,
Zieht Franquini eine alte Scharteke heraus,
Sucht mühsam einen Verbenenstrauß,
Bricht einen Zweig von der Haselnußhecke,
Schnitzt ihn zurecht, und auf einmal, o Graun,
Ist er ganz scheußlich anzuschaun,
In Ton und Gebärde schreckensvoll,
Wie die Seherin des Apoll:
Wenn ihr Dämon über sie kommen,
Von ihren Sinnen ein göttlich Feuer
Unwiderstehlich Besitz genommen,
Auf ihrem Dreifuß rauchumhüllt,
In Erregungen ungeheuer,
Das irrende Auge begeisterungswild,
Gibt sie taumelnd, mit schäumendem Mund
Ihre heiligen Orakel kund.
Noch schrecklicher als sie erschien
Dem Prinzen der Beschwörer Franquin.
Fuchtelnd tat er sich strecken
Mit Fauchen und Zähneblecken;
Und ein Kauderwelschen
Beginnt er mit höll'schen
Banngebärden;
Ein Kollern und Rasen
In grausen Ekstasen,
Um toll zu werden;
Und malt in die Luft
Die seltsamsten Zeichen,
Beschwört und ruft
Aus den finsteren Reichen
Astaroth und Luzifer
Und andre Höllengeister mehr.

Im Holze erhub sich ein brausend Rumoren,
Franquini wechselt die Farbe nicht,
Doch Karlchen erblaßt bis über die Ohren,
Reißt aus und bekreuzt sich und glaubt sich verloren;
Das Poltern kommt näher, es kracht und es bricht
In Buschwerk und Dickicht — herausgerannt
Kommt plötzlich, schau, schau!
<263>Eine grobe Sau
Und tobt vorbei unserm Nekromant.

„War das alles?“ so spöttelt Rosieres,
„Darum stellst du so greulich dich an,
„Spielst hier den Nachtspuk und wilden Mann,
„Rufst Luzifer,
„Um schließlich hier
„Ein Borstentier,
„Das friedlich in seiner Kule lag,
„Aufzuscheuchen vor Tau und Tag!“

Jetzt wagt's auch Karlchen, den Kopf zu drehn:
Er konnt' es noch grade verschwinden sehn,
Das Ungetüm, und da schlechterdings
Nichts Verdächtiges war zu erblicken rings,
So ging er hübsch langsam, blieb schließlich stehn;
Inzwischen holte auch Rosieres ihn ein.
Franquinis Verlegenheit war nicht klein;
Er sagt' es dem Lothringer auf den Kopf:
Schuld sei allein sein Weihwassertopf.
Dagegen konnte Karlchen freilich nichts sagen!
„Mag sein,“ meint Rosières und lächelt schlau.
„Doch, um dies zu ergründen genau,
„Erlaube ich mir jetzt vorzuschlagen:
„Wir wollen einen zweiten Vorstoß wagen,
„Und zwar mit verdoppelter Ladung diesmal!“
Da Hub sein schaurig Ritual
Der grimme Franquini von neuem an,
Indem er mit doppelten Kräften begann.

Schon dachte jeder: aber jetzt!
Jetzt muß doch samt den Seinen
Herr Satan gleich erscheinen!
Da nahten auf einmal, ganz abgehetzt,
Ganz außer Atem, ein paar Offiziere:
Soeben marschiere,
Bereit zur Schlacht,
Mt großer Macht
Der Feind heran.
<264>„Euch rappelt's wohl!“ so schreit der Prinz;
„Denn wahrscheinlich find's
„Nur einige Herden
„Von friedlichen Hammeln,
„Über denen sich Staubwolken sammeln:
„Das gleicht dann von ferne Menschen und Pferden.“
Nein, nein! Sie beschwören's und bleiben dabei,
Daß es die Streitmacht der Preußen sei.
„Auf! Auf drum, mein Prinz!“ Sie drängen, sie schrein.
Und Franqumi? Dem fällt vom Herzen ew Stein:
Er war zu Ende mit seinem Zauberlatein.
Das Kleeblatt eilt davon in stürmischem Lauf.
Wie reißt da Karlchen die Augen auf,
Als er sieht, wie der Feinde Scharen
Gegen das Lager im Anmarsch waren.

Ihm war's, als sähe er vier riesige Schlangen
Sich näher wälzen, die Gefilde decken;
Von ihren glanzgeschuppten Rücken sprangen
Buntfarbige Lichter, und er sah mit Bangen,
Wie sie sich mächtig in die Breite recken.
Aus ihren Massen dringt ein dumpfes Dröhnen
Von Waffen und von Rossen, und es tönen
Hell die Kommandorufe, Trommeln, Zinken.
Im Staub verfinstert sich der Sonne Blinken.
Ausdauer, Kühnheit, Manneskraft und Mut
Führen das Heer zum Streite;
Entsetzen, Schrecken und der Durst nach Blut
Sind sein finsteres Geleite.

Wer könnte indessen beschreiben, o Himmel!
Im Österreicherlager das Getümmel?!
Man sattelt sein Pferd,
Man gürtet sein Schwert,
Man ergreift sein Gewehr;
Den Helm, den Küraß her!
Wer feige, wer tapfer, noch kann man's nicht sagen;
Noch sieht man keinem etwas an:
Den schwachen und den harten Mann
Sieht man dieselbe Miene tragen.
<265>Jetzt nimmt der Preuße seinen VorteU wahr
Und bietet einen eisernen Willkommen dar.
Zweihundert Blitze prasseln los:
Was reißt für Lücken das schwere Geschoß!
Da erweist seine Reverenz der Feind.
Doch bald sieht man ihn bei den Fahnen vereint:
Zuerst die Kürassiere auf dem rechten Flügel zur Stelle,
Dann die stolzen Grenadiere im Schmuck ihrer Bärenfelle;265-1
Drauf Bethlehemiten, Lykanier und Gomorrhaten,
Portalisien, Böotier, Siebenbürger, Kroaten,
Timoktaler und so weiter,
Alles tapfere Streiter.
Dann die Dragoner ganz auf dem linken Flügel,
Auf kleinen Gäulen, doch sicher im Bügel.
Doch überall schwärmten Husaren,
Viele tausend, in großen Scharen,
In kleinen Haufen,
Auf ihren Pferden, den schnellen;
Sie lieben das Raufen,
Sie schweifen und streifen,
Sind nimmer zu greifen —
Des Kriegsgotts lustige Gesellen.
Der wackre Franquini beschloß,
Wie immer begehrlich:
Man plündert am besten den Troß;
Das ist nicht gefährlich.

Das gute Karlchen wies jedermann
Von den Führern jetzt seinen Posten an.
Da bekamen die Herrn aus dem Sachsenland
Auf dem linken Flügel ihren Stand;
Sie machten gezierte Gesichter
Als künftige Heldentatenverrichter.
Graf Wallis erhielt die Reserve zu führen,
Lobwowitz soll zu den Kürassieren.
Doch der hält das für einen schlechten Kauf,
Knurrt Karlchen an in trotzigem Ton:
„Diesen Heldenarm und meine Person,
<266>„Die spart' ich für große Taten auf!
„Ein festes Kommando ist mir verhaßt;
„Ich will da kämpfen, wo es mir paßt.“

Es war wohl für Karlchen ein Tag der Gnaden,
Er war heut mit Klugheit förmlich geladen;
Wie ein Gott war er heut, und sein Angesicht
Strahlte schier von Erkenntnislicht.
Er hörte es an mit Schweigen
Und ritt zu Arembergs Soldaten:
„Heut soll der Preuße den Rücken uns zeigen!
„Beweist es durch Taten!“ —
„Mein Prinz,“ entgegnet der Herzog da,
„Ohne Frage, zu fechten verstehn wir ja;
„Schlug ich doch selber in eigner Person
„Ihrer viere nieder, des öfteren schon.
„Doch Ihr, der Könige Stab und Stecken,
„Und wiederum anderer Könige Schrecken,
„Ihr habt gestern wirklich, muß ich sagen,
„Eine allzu schneidige Klinge geschlagen;
„Konntet wirklich die hochedlen Herrn
,Der Preußengesandtschaft gut und gern
„Bescheiden mit etwas mehr Höflichkeit;
„Dann hätten wir heute jedenfalls
„Den Morgenbesuch nicht auf dem Hals!“ —
„Heiliger Joseph! Ich glaub' gar, Ihr seid
„In tausend Ängsten?“ fuhr Karlchen ihn an. —
„Oho! Vielleicht Ihr!“ Und nun begann
Ein weidlich Schimpfen
Mit allen Trümpfen.

Da kam Graf Wallis, der Alte, wie bestellt;
Ihm war der dumme Spada zugesellt.
„Ihr Helden,“ schalt er, „was soll das Krakehlen!
„Jetzt heißt es, den Gegner niederstreiten,
„Jetzt heißt es, marschieren, handeln, befehlen —
„Ihr vertrödelt die Zeit mit Albernheiten!
„Ah, wär' ich wie einst noch, strotzend von Kraft,
„In längst entschwundenen Jugendtagen,
„Ich hätt's mit dem Feinde allein geschafft,
<267>„Würde euch garnicht erst fragen!
„In Italien 267-1 — was war ich doch ehemals
„Für ein flotter Bursche, ein Wagehals,
„Mein Arm so gefürchtet wie bewundert
„Durch Heldentaten mehr als hundert!
„Und was mochten die Weiber mich gern
„Zum Ärger der jungen verliebten Herrn.“

Dem Spada war das Gerede
Des Alten zu öde:
„Edler Herr, was Ihr da gesprochen,
„Das scheint mir weder gehaun noch gestochen;
„Homerische Helden fallen einem ein
„Mit ihren endlosen Prahlerein.“

Da just in diesem Augenblick
Gesellte den dreien ihr Mißgeschick
Herrn Waldeck, den trutzigen,
Den Lästerer nichtsnutz'gen!
Nun entbrannte erst recht
Das Redegefecht!
Der heischte nun gar, daß des Tages Ehre
Ihm allein gehöre.
Was Luxemburg? Was Prinz Eugen?
Den Waldeck sollt ihr erst mal sehn!

Indes die Führer lagen im Streit
Um Heldenpreis und Würdigkeit,
Rückten mit Macht
Die Preußen zur Schlacht.
Schon trat der rechte Flügel an
Und warf sich mit Schneid
Auf der Sachsen zaghaften Heeresbann;
Nur kurze Zeit
Versuchten die standzuhalten, doch dann —
Was? Abwarten, bis jene ganz nahe heran?
Die weichlichen Herrlein dachten nicht dran.
<268>„Reißt aus, ihr Helden aus Sachsenland,
„Was habt ihr hier auf der Walstatt zu schaffen?
„Nach Hause mit euch, Porzellan gebrannt,
„Fruchtstücklein, Vasen, Pagoden und Affen!“
Und damit fuhren die lustigen Spötter
Über die Flüchtigen wie ein Donnerwetter.
Da sausten die Klingen,
Da mußten sie springen,
Also, daß vor den preußischen Hieben
Ihrer nicht zwei beieinander blieben.

Der wackre Franquini fand seinerseits
Am Gepäck doch wieder den meisten Reiz.
Herr Dumont268-1 sah dies Stehlen und Rauben,
Flugs fiel er über die Spitzbuben her,
Da mußte das Pandurengesindel dran glauben.
Franquini, der von der räubernden Schar
Völlig im Stich gelassen war,
Setzte sich grimmig zur Wehr,
Den Säbel zog er schnell;
Schon sprudelte rot und hell
Des Blutes lebendiger Quell.
Der Pandure ward falsch zuletzt,
Gern hätte er dem seine Quinte versetzt,
Doch auf Quinten und Finten sich Dumont verstand,
Hat ihm den Stahl w die Rippen gerannt.
Franquini wankt, und atemlos
Zu Bodm stürzt er im schmetternden Fall;
So bricht im Walde mit wetterndem Hall
Eine Rieseneiche des Sturmwinds Stoß.
Er knirscht, seine Finger ins Erdreich krallen,
Hinströmt sein Blut, er erschaudert, erbleicht;
Das ist der grause Tod, schon fallen
Die Lider ihm zu, noch ein letzter Fluch,
Und die sündige Seele entweicht.

Gern hätten, da ihnen der erste Versuch
So glorreich gelungen,
<269>Die Preußen der Lorbeern noch mehr errungen:
Jetzt zu den tapferen Kürassieren!
Auf der Linken gilt es den Stoß zu führen.
Nassau269-1 und Rothenburg269-2 voran,
Camas269-3 und Chasot269-4 folgen dann.
Dreißig Schwadronen preußischer Reiter
Rasseln jetzt los, erbitterte Streiter.
Und wie die Erde erbangt und erzittert,
Wenn es in Felsenschlünden gewittert,
Nachtschwarze Wolken der Feuerberg speit,
Also erbebte hier unter den tausend
Donnerhufen, mit Sturmgewalt brausend,
Weitum die Erde, da enggereiht
All die prangenden Kämpferscharen
Wider die Feinde dahergefahren;
Himmel und Erde, so schien es, waren
Selber w tobendem Aufruhr und Streit.

Ein Augenblick nur — da sind sie heran.
Nun Klmge auf Klinge, nun Mann wider Mann.
Zuerst nur ein wüstes, dumpfes Getöne,
Eisenklang und wuchtiges Gedröhne,
Von Kampf und Wut ein Brüllen und Schrein,
Staubwolken verdunkeln den Tagesschein.
Das war ein Stoß, das war ein Prall!
Also berennt einen Mauerwall
Ein mächtiger Rammbock — wie hier der Graf
Von Nassau auf die tapfren Schwadronen
östreichischer Kürassiere traf.
Da mähte der Säbel, da galt kein Schonen.
Hinein und durch! Haut alles nieder!
Durch zuckende Glieder
Von Roß und von Mann
Eine blutige Bahn!
Was vor den mördrischen Hieben
<270>Nicht liegen geblieben,
Reißt die rasende Flucht hindann.
Es türmen die Leiber sich unter dm Rossen,
Blutbäche kommen rieselnd geflossen;
Dort rast, entledigt von Zaum und Zügel,
Ein Hengst dahin und schleift seinen Reiter
Durch den Sand, den Fuß noch im Bügel;
Andere schleppen sich taumelnd weiter,
Bis sie todwund, verstümmelt, durchstochen,
Zusammengebrochen.
Besät von Leibern der Krieger, der Pferde
War ringsum die Erde.
Genug, die Schwadronen des Lothringers lagen
Im Staube, gründlich aufs Haupt geschlagen,
Und die nicht geblieben,
Hat des Nassauers Schwert,
Im Streite bewährt,
Zu Paaren getrieben.

Sankt Nepomuk mit schwerem Gram
Von diesem Schlachtengraus vernahm,
Und sieh, in Kolowrats Gestalt,
Des frommen Böhmen, wo der Hauf
Der Fliehenden sich am dicksten ballt,
Taucht plötzlich im Gewühl er auf
Und läßt sogleich nach allen Enden
Trompetenruf zum Sammeln senden,
Und die Reiter halten und wenden.
Der Heilige stellt sich den Flüchtigen entgegen,
Väterlich mahnend ihr Herz zu bewegen.
Als Helfer in der Not sodann
Rief er Sankt Borromäus an.
Der kam — ein wunderlicher Reitersmann —
Einen Eismhut auf dem Kriegerhaupt,
Die starren Schnurrbartenden verquer
Unter der Nase hochgeschraubt,
Am linken Arme die Tartsche schwer.
Und nun das Roß erst! Es ist die Blume
Aller Renner von epischem Ruhme!
Selbst Podarges Glanz muß daneben erblassen,
<271>Und Rabikan darf sich begraben lassen:271-1
Der derzeitige Besitzer gewann es
Für hohen Preis vom heiligen Johannes,
Bei dem es, wie aus der Schrift bekannt,
In der Apokalypse271-2 Verwendung fand.

Kaum sah man den Heiligen in dieser Gestalt
Als ringsum tolles Gelächter schallt!
Vergessen schien Angst und Schrecken alsbald.
So hat es sich Nepomuk ausgedacht:
Dies Mittel, wußte er, ist probat!
Und so gelang's auch in der Tat:
Der alte Mut war neu erwacht,
Aufs neu der Kriegerzorn entfacht.

Die List war fein, der Spaß gelungen;
Doch Hedwig, Luther und Calvin
Und Genooeva,die merkten darin
Die böse Absicht. Da sind sie gesprungen
Quer über die Felder, die jammerreichen,
Besät mit Verwundeten, Sterbenden, Leichen.
Dem Allerschlimmsien zuvorzukommen,
Hat Calvin des Dessauers Maske genommen,
Indes verwandelte Luther sich,
Sodaß er dem General von Kalckstein271-3 glich.
Nicht ganz so weit
Wagt sich die heilige Weiblichkeit:
Bescheidentlich hocken die beiden Damen
In einem Eichenwipfel zusammen;
Dort kann nichts Gröbliches ihnen begegnen,
Dort oben können sie aus den Zweigen
Sich ungestört zu den Ihren neigen
Und sie von oben her segnen.

Die Streitkräfte sammeln sich hüben und drüben;
Freilich Sankt Nepomuk erschrickt,
<272>Wie er das Unheil erblickt:
Die Lothringschen nahezu aufgerieben!
Das geht nicht gut, diese armen Trümmer,
Erwägt der Heilige, nun und nimmer
Dürfen die nochmals in die Schlacht
Mit der gesamten Preußenmacht!
Wozu wäre denn der Wald eck da
Mit seiner verwegenen Furia?
Der hat sich ja stets um Gefahren gerissen,
Der lechzt ja nach Raufen, nach Beulen und Schmissen;
Den Hetze ich drauf! — Gedacht, getan:
„Auf jetzt!“ schreit er den Fürsten an.
„Ihr seid unser Rächer heut', seid unser Mann!“
Der Waldeck setzt die Sporen ein
Und sprengt drauflos und hält allein
Inmitten der feindlich gelagerten Reihn.
Und reißt den Mund auf gewaltiglich:
„Ihr preußischen Herren, wer wagt's wider mich?
„Heran, wer Herz hat!“ und schlägt an den Degen.
Streitbar sprengt ihm Graf Truchseß272-1 entgegen.
Schon sind sie aneinander. Da durchfuhr
Des Grafen erster Hieb die Zügel nur
Vor seines wütigen Gegners linker Faust;
Der schäumt vor Zorn, und seine Klinge saust
Auf Truchseß. Zu Tode getroffen, der Held
Stürzt wie vom Blitze gefällt.

„Wer ist der nächste hinter Truchs?
„Wer in dem ganzen Preußenhauf
„Bringt jetzt noch die Courage auf,
„Mich zu bestehn? Wohlan, der versuch's!“
Reitet der Rothenburg kühn in die Schranken:
„Fürst! Daß Euch Euer Prahlen nicht reut!
„Trügt mich nicht alles, so büßt Ihr's noch heut:
„Truchseß ist tot — doch hier lebt und hier beut
„Trutz Euch ein andrer! Mein Mut kennt Wanken!“
„Los denn! Es gilt!“
Schnaubt Waldeck wild.
<273>Nun aber Hub ein Fechten an!
Was Leibeskraft, verwegner Mut
Im Männerkampfe Wunder tut,
Was jeder Kämpe sich gewann
An Schnelle und gelenker Kraft,
An ritterlicher Meisterschaft,
Hier ward's bewährt, hier ward's getan.
Aug' sprüht in Auge Zorn und Wut;
Jetzt aneinander blind-verwegen,
Jetzt voreinander auf der Hut,
Mit hageldichten Schwertesschlägen
Umkreist ein jeder seinen Gegner;
Und Hieb auf Hieb wie Wetterstrahl,
Doch immer klirrt nur Stahl auf Stahl.
Jetzt zornentbrannter, jetzt verwegner
Sprengten sie aufeinander los
Zu Hieb und Stoß;
Doch wie das Eisen knirschte und stöhnte,
Der Harnisch funkenstiebend dröhnte,
Er hielt wie harter Mauerwall
Im mörderischen Klingenprall.
Der Graf von Rothenburg indessen,
Besonnener, von kältrem Blut,
Jetzt einen scharfen Kopfhieb tut —
Ein Meisterhieb! Der hat gesessen!
Tief durch den straffen Bizeps schnitt er:
Der Schwertarm, hochgereckt zum Schlag,
Sank jäh herunter, und da lag
Der blutige Degen auch. Wie bitter
War das dem Stolzen, brennend sehrt es
Das Heldenherz: Beraubt des Schwertes!
Das wurmt, er beißt die Lippe wütend,
Gemeßnen Schrittes, finster brütend
Zurück zu seinen Freunden ritt er.
Gemeßnen Schritts! Also ein Leu,
Weidwund vom Negerpfeil: bedächtig
Nur weicht er rückwärts, stets aufs neu
Dreht er das Mähnenhaupt und mächtig
Peitscht er den Schweif um beide Flanken
Und brüllt in ungezähmtem Mut —
<274>So schied Fürst Waldeck ohne Wanken
Mit rachedrohenden Gedanken.

Jetzt setzt sich Saint-Ignon in Trab;
Und tatenfroh
Löst Freund Chasot
Den Rothenburger ab.
Der Österreicher gebarte sich
Gar fürchterlich;
Chasot trabt zu,
Sieht seinen Mann
In guter Ruh'
Sich staunend an,
Setzt im Sattel zurecht sich,
Zieht vom Leder bedächtig.
Drauf Saint-Ignon: „Gleich bist du hin,
„Bete schnell noch zu deinem Calvin.“ —
„Und du befiehl deine Seele,“ versetzte
Der Ritter Chasot, „der Jungfrau Marie!
„Mich dünkt, es schlug deiner Stunden letzte.“
Nach diesen Trutzreden fielen sie
Einander an. Doch ist da zu melden:
Sehr verschieden waren die Helden;
Während Saint-Ignon nur ein Maulheld war,
Der gern aus dem Weg ging der Gefahr,
Wollt's dem Chasot am besten behagen
Bei heißen Kämpfen und wildem Jagen.
Schon sitzt er dem Feind im Genick, und jetzt
Hat er ihm eins von hinten versetzt,
Daß dem das Schwert
Durch den Nacken fährt.
Er stürzt herab mit wuchtigem Dröhnen,
Und mit verröchelndem Stöhnen
Er sterbend am Boden liegt,
Sein letzter Atem verstiegt.

Jetzt aber hat Luther wieder mit Macht
Die preußische Reiterfurie entfacht,
Er führt sie stracks auf die östreichschen Reih,
<275>Die fliehen und räumen das Feld der Schlacht,
Und die Ehre wird den Preußen wieder allein.

Nur Lobkowitz möchte das Geschick noch wenden,
Mit Kräften der Verzweiflung schlägt er drein,
So ihm zur Seite Aremberg und Stein.
Da sanken unter ihren Würgerhänden
Im Heldentod zwei edle Degen hin:
Camas und Schwerin!275-1

Graf Rothenburg nun seinen Angriff kehrt
Auf Lobwowitz, der sich noch immer wehrt.
Er umgeht ihn und schneidet den Rückzug ihm ab.
Doch der, noch einmal aufgerafft,
Schlägt sich durch mit der letzten Kraft,
Die heldische Todesverachtung ihm gab,
Und weiß einen Weg sich zu bahnen
Zu des Lothringers Fahnen.
Aber die Preußen wie Wetter und Blitz
Schmettern zermalmend in den Feind —
Endlich wankt auch Fürst Lobtowitz,
Er, der nimmer zu fiiehen gemeint!
Die preußischen Reiter Sieger waren,
Die Feinde zerstoben auf allen Straßen;
Der Rothenburger und seine Scharen
Den Fliehenden auf den Fersen saßen.
Es ward auf dieser wilden Jagd
Manch General zum Gefangnen gemacht.

Doch nun entbrannte der Kampf erst recht
Beim Fußvolk! Welch rasendes Feuergefecht!
Inmitten: der Preußen Palladion
Im Schutz einer dichtgeschloßnen Schwadron.
Karlchen, dem bei dem gräßlichen Morden
Ganz ängstlich geworden,
Empfing noch schnell die Absolution.
Wie da die mördrischen Salven rollten
<276>Von Bataillon wider Bataillon!
Nachtschwarz stiegen die Rauchwolken schon,
Die, zu mehren die Schrecken der Schlacht,
Des Tages Helle verdunkeln wollten;
Grell durch den Qualm, den Dunst, die Nacht
Flammten die Salven im Peloton.
Das Blei, dem Feuerschlund entflohn,
Es kennt kein Ansehn der Person:
Da fielen zwei edle Markgrafen gut
Aus erlauchtem Fürstenblut276-1
Du, Wilhelm, jedem Preußen teuer!
De Rège,276-2 Varenne,276-3 du Getreuer!
Da auf dem Felde seht
Die Helden hingemäht!
Wie Blumen, bunt von tausend Farben,
Die, eh' der Lenz, der sie gebar,
Gegangen war,
Im Gluthauch einer Stunde starben.
In diesem Ringen ungeheuer
Verdoppeln die Preußen ihr rasendes Feuer:
Geschossen, geladen — geladen, geschossen!
Das geht wie der Teufel, unverdrossen;
Der schwarze Ätna, an Gluten reich,
Die stammende Hölle kommt dem nicht gleich.
Viel Feinde fielen. Im Feuerschein
Aufleuchteten ihre Rotten und Reihn.
Von Entsetzen verzerrt sind ihre Mienen,
Gar mancher Schütze ist unter ihnen,
Der schießt vor lauter Angst in die Luft.
Ist da so ein Böhnlein ins Blaue gepufft.
Beschrieb einen Bogen
Und ist in den Eichbaum geflogen,
Wo das tückische Ding
In Genovevas Ferse ging.
<277>Die Holde schrie vor Schmerzen auf,
Dann wandte sie sich in schnellem Lauf
Hinauf zum seligen Paradies,
Wo sie sich bejammern ließ.
Noch dröhnten und stöhnten vom Salvengeroll
Die Lüfte, da drängten sich kopflos und toll
Um sinkende Fahnen noch Ostreichs Krieger —
Die Blüte ihrer Helden lag tot.
Kaum sieht der Sieger
All diese Bestürzung und letzte Not,
Da heißt's: Das Bajonett zur Hand,
Und das wankende Häuflein niedergerannt!
Das ist nun das Ende! Keine Gewalten
Vermöchten die Sinnlosen noch zu halten;
Wer noch laufen kann, sucht sich zu retten
Vor den preußischen Bajonetten.
Wie eine Herde, zersprengt und gescheucht,
Hinter der hungernd der Wolf herkeucht,
Also des guten Karlchens Scharen,
Aufgelöst in Entsetzen und Graun;
Hinterdrein kam der Dessau gefahren,
All die nicht flink auf den Beinen waren,
Ohne Erbarmen zusammenzuhaun.
Geschlagen war die große Schlacht.
Nun sammelt sich von fern und nah
Mählich der Preußen Heeresmacht.
Viktoria! Viktoria!
Ein Jubel war's, ein Siegsgeschrei,
Ein Höllenlärm und Juchhei,
Und in das Toben der siegfrohen Menge
Mischten sich helle Fanfarenklänge.
Jetzt ward der Austausch in die Wege geleitet:
Ein Lothringer gegen Darget, hieß es da;
Der Vorschlag ward Karlchen unterbreitet,
In seiner Gutmütigkeit sagte er Ja.
Darget den Preußen wiedergegeben!
Das war ein Triumph im Lager, ein Leben!
<278>Und Karlchen fügte zu seinem Bescheid,
Daß er, nach dieser schlimmen Geschichte,
Von heute ab für alle Zeit
Auf das Palladion verzichte.


265-1 Die österreichischen Grenadiere trugen Mützen aus Bärenfell.

267-1 Während des Spanischen Erbfolgekrieges.

268-1 Vgl.S. 250.

269-1 Graf Christoph Ernst von Nassau, preußischer Generalleutnant.

269-2 Vgl. S. 76.

269-3 Vgl. S. 247.

269-4 Vgl. S. 195.

271-1 Podarge heißt eins der Rosse des Menelaus in der Ilias, während den Namen Rabikan die Streitrosse mehrerer Helden in den Roland-Dichtungen des Bojardo und Ariosi tragen.

271-2 Kap. 6, Vers 2 und Kap. 19, Vers II.

271-3 Christoph Wilhelm von Kalckstein, preußischer General der Infanterie, der frühere Erzieher des Königs.

272-1 Vgl. S. 77.

275-1 Felix Bogislav von Schwerin, preußischer Oberst. Vgl. S. 77.

276-1 Die Markgrafen Friedlich und Wilhelm von Brandenburg-Schwedt. Vgl. S. 75.

276-2 Major Gabriel Gideon d'Azemar de Rege wurde bei Ottmachau am 9. Januar 1741 tödlich verwundet.

276-3 Oberst Marquis Friedrich Wilhelm Varenne war am II. Februar 1744 am Fieber in Prag gestorben.