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23. An Jordan1
(1738)

Sieh, Flora räumt, aus unfern Gärten scheidend,
Pomonen schon das Feld, so sterbensmüd!
Der Sommer schwand, Herbstwinde wehen schneidend,
Und alles dorrt, entfärbt sich und verblüht.
Des Tages Leuchte alle Macht verlor,
Frösteln rinnt durch die Welt, die bleichbesonnte,
Und täglich später tritt am Horizonte
Der Tag aus seinem Morgentor.

Colin und Lycas frohgemut geleiten
Die Ernte heim von unsern Ackerbreiten,
Und allerenden hallt das Echo wieder
Der ausgelaßnen, trunknen Schelmenlieder.
Ach, ungebundene Freiheit, Liebeslust
Begnaden reicher, tiefer ihre Brust,
Als all der Überfluß und üpp'ge Tand,
Den sich des Städters eitler Sinn erfand.
Denken beschwert sie kaum, ihr Magen
Kennt keinen Einspruch, kein Versagen;
Feldarbeit und ein karges Brot
Hält stark den Leib, die Wangen rot.
Frei bleibt ihr Sinn von Überspanntheit
Und weltvergeßner Wahnverranntheit.
Was Weltgeschick? Was Altertum?
Was schert sich ihresgleichen drum!
Vorm Draußen fiel ihr Hoftor zu,
Dahinter wohnt Gedankenruh,


1 Charles Etienne Jordan, der Freund, Sekretär und literarische Berater Friedrichs. Vgl. Bd. VII, S. 275; VIII, S. 211 ff.