<52> die sich durch hervorragende Eigenschaften auszeichnen. Sind nicht aus der Schule der Philosophen erhabene Seelen, fast göttliche Menschen hervorgegangen, die die Tugend zur höchsten, der Menschheit erreichbaren Vollendung gebracht haben? Die Namen eines Sokrates, Aristides, Cato, Brutus, Antoninus Pius, Mark Aurel werden in den Annalen des Menschengeschlechts so lange fortleben, wie es tugendhafte Seelen auf der Welt gibt. Auch die Religion hat einige treffliche Männer hervorgebracht, die sich durch Menschlichkeit und Wohltätigkeit auszeichneten. Zu ihnen rechne ich indessen nicht die mürrischen, fanatischen Mönche, die in ftommen Kerkern die Tugenden begruben, durch die sie ihren Nächsten hätten nützlich werden können, und die lieber der Gesellschaft zur Last fallen, als ihr dienen wollten.

Heutzutage müßte man damit anfangen, das Vorbild der Alten nachzuahmen, alle Aufmunterungsmittel zur Besserung des Menschengeschlechts anzuwenden, in den Schulen die Sittenlehre jedem andren Unterricht vorzuziehen und sie leicht faßlich vorzutragen. Vielleicht käme man seinem Zweck bedeutend näher, wenn man Katechismen anfertigte, aus denen die Kinder von klein auf lernten, daß die Tugend zu ihrem Glück unerläßlich ist. Ich wünschte, die Philosophen beschäftigten sich weniger mit ebenso vorwitzigen wie fruchtlosen Untersuchungen und übten ihre Talente mehr an der Moral. Vor allem aber sollte ihr Wandel ihren Schülern in allen Stücken zum Muster dienen. Dann führten sie mit Recht den Namen: Lehrer des Menschengeschlechts.

Die Theologen sollten sich weniger um die Erklärung unbegreiflicher Dogmen bemühen. Sie sollten die Wut verlernen, uns Dinge beweisen zu wollen, die uns als Mysterien und als höher denn alle Vernunft verkündigt sind. Vielmehr sollten sie sich darauf legen, praktische Moral zu predigen und statt blumenreicher Reden nützliche, schlichte, klare und dem Verständnis ihrer Zuhörer angemessene Andachten abzuhalten. Bei spitzfindigen Beweisführungen schlafen die Menschen ein. Ist aber von ihrem eignen Vorteil die Rede, so wachen sie auf. Derart ließe sich durch geschickte und weise Reden die Eigenliebe zur Führerin der Tugend machen. Man könnte mit Erfolg neue Beispiele gebrauchen, die dem Geiste der zu Belehrenden an, gepaßt sind. Will man einen trägen Bauern zur besseren Bestellung seines Ackers aufmuntern, so erreicht man das sicherlich am leichtesten mit dem Hinweis auf seinen durch Emsigkeit reich gewordenen Nachbarn. Man muß ihm sagen, es hinge nur von ihm ab, den gleichen Wohlstand zu erlangen. Stets müssen die gewählten Vorbilder der Fassungskraft und dem Stande derer entsprechen, die sie nachahmen sollen. Aus zu ungleichen Lebenslagen darf man sie niemals nehmen. Der Ruhm des Miltiades störte den Schlaf des Themisiokles.

Wenn nun große Beispiele auf die Alten so starken Eindruck gemacht haben, warum sollen sie in unsren Tagen wirkungslos bleiben? Die Liebe zum Ruhm ist edlen Seelen angeboren, man braucht sie nur zu beleben und anzufachen. Dann werden Menschen, die bis dahin nur hinvegetierten, von diesem glücklichen Triebe