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Instruktion für Behnisch208-1
(26. Juli 1773)

Sie sind zu einem jungen Prinzen gesetzt, dessen Erziehung die größte Sorgfalt und stets gleiche Aufmerksamkeit erfordert. Da er noch zu jung ist, etwas zu lernen oder sich zu bilden, so muß Herr Behnisch vor allem danach trachten, den Charakter des Knaben zu ergründen, die Fehler und Lasier, zu denen er neigen könnte, festzustellen und zu versuchen, sie beizeiten auszurotten oder sie zu bessern, soweit es in seiner Macht sieht. Obgleich der moralische Charakter sich nicht so frühzeitig entwickelt, kann er wenigstens verhüten, daß dem Knaben von der Dienerschaft Lasier beigebracht werden. Gewöhnlich sind es Eitelkeit und Hochmut, was die kleinen Leute den Prinzen gern einflößen. Herr Behnisch kann das verhindern, ja er soll gegen die einschreiten, die mit faden Schmeicheleien die Unschuld des Knaben verderben möchten. Obwohl er für die Gesundheit seines Zöglings die größte Sorge tragen muß, darf der Prinz aus dem gleichen Grunde nicht zu dem Glauben kommen, daß man viel Aufhebens von ihm mache. Alle Pflege, die man ihm angedeihen läßt, muß unter Vorwänden verborgen werden. Ist er launisch, so muß er im Ansang einmal tüchtig gestraft werden. Dann wird man seinen Starrtopf und seinen Eigenwillen brechen, der ihm nur schädlich sein kann. Trotz seiner großen Jugend kann man ihm logisches Denken beibringen, indem man ihn die Gründe seiner Wünsche und Handlungen angeben läßt. Ist auch die Urteilskraft in seinen Jahren noch schwach, so muß man an ihrer Ausbildung doch mehr als an allem andern arbeiten, muß, wenn er falsch urteilt, ihm den mangelnden Zusammenhang zwischen seinen Ideen klar machen und ihn zur Berichtigung seines Denkens anhalten. Da er gesund und kräftig werden soll, empfiehlt es sich, ihn an die frische Luft zu gewöhnen und seinen Körper zu stählen. Will er Soldat spielen, so soll man ihn nicht daran hindern. Im Gegenteil! Ein Fürst dieses Landes muß Soldat sein. Man mag ihn also zum <209>Waffenhandwerk anspornen. Soll er mit anderen Kindern spielen, so müssen diese älter und verständiger sein als er, damit man sie ihm als Beispiel hinstellen kann und er sie durch Wetteifer übertreffen lernt. Da der Knabe zum Unterricht noch zu klein ist, so muß man sich auf Dinge beschranken, die man ihm spielend beibringen kann, z. B. etwas Französisch, aber nur spielend und nicht durch regelrechten Unterricht. Man kann ihn mit Karten spielen lassen, auf denen die Namen der Königreiche und wichtigsten Staaten Europas stehen. Das alles soll erst dann einen ernsteren Charakter annehmen, wenn er das vierte Lebensjahr vollendet hat. Dann muß der eigentliche Unterricht beginnen.

Was seine Gesundheit betrifft, so wird seine Frau Mutter seine Lebensweise regeln und alles, was sie für angemessen hält, bestimmen. Herr Behnisch hat, bis sein Zögling älter ist, weiter nichts zu tun, als ihn auf die kommende Erziehung vorzubereiten und derweil zu verhindern, daß er sich schlechte Gewohnheiten aneignet oder Keime von Lastern in sich aufnimmt, die in diesem Alter noch leicht auszurotten sind, die man aber vergeblich bekämpft, wenn sie erst einmal durch Gewöhnung eingewurzelt sind.

Ich hoffe, Herr Behnisch wird seine Aufgabe mit all der Sorgfalt, die der Bedeutung des Gegenstandes zukommt, und zur Zufriedenheit der Eltern erfüllen.


208-1 Christian Friedrich Gottlieb Behnisch beNeidete von 1773 bis 1781 die Stelle des Erziehers und von 1781 bis 1787 die eines Untergouverneurs bei dem nachmaligen Könige Friedrich Wilhelm III. (geb. 3. August 1770), dem ältesten Sohne des Prinzen von Preußen Friedrich Wilhelm (II.) und der Prinzessin Friederike, geb. Prinzessin von Hessen-Darmstadt. Vgl. für das Folgende S. 187 ff. u. 204 ff.