<38> läßt? Jenen Ehrgeiz, der immer wieder von neuem wächst und niemals ausstirbt? Wie vermöchte er auf die Dauer alle Verführungskünste und geheimen Ränke seiner Nachbarn zu überwachen, sowie den Niedergang und Verfall in seiner eigenen Mitte, solange nun einmal die Selbstsucht unter Menschen allmächtig ist? Wie darf er hoffen, immer nur siegreich aus allen Kriegen, die es zu bestehen gilt, hervorzugehen? Wie vermöchte er allen Umständen, die seine Freiheit bedrohen, all jenen gefährlichen und entscheidenden Augenblicken, all jenen Zufälligkeiten vorzubeugen, die der Unternehmungslust und dem Wagemut eine Hand bieten? Seine Streitkräfte brauchen nur von schlaffen und zagen Heerführern befehligt zu sein, und schon ist er die Beute seiner Feinde; andrerseits werden tapfere und beherzte Leute an der Spitze seiner Truppen in Friedenszeiten nicht minder unternehmungslustig sein als in Kriegszeiten. Die Mängel seiner Verfassung werden jeden Freistaat früher oder später zu Fall bringen.

Sind aber Bürgerkriege schon für eine Monarchie verhängnisvoll, so erst recht für einen freien Staat. Es ist eine Krankheit, die ihm unbedingt tödlich ist. Ein Bürgerkrieg war es, der einem Sulla die Möglichkeit gab, die Diktatur in Rom in den Händen zu behalten, einem Cäsar, sich zum Herren aufzuschwingen vermöge der Waffen, die man ihm anvertraut hatte, und einem Cromwell, die Stufen zum Throne hinanzusteigen.

Fast alle Freistaaten haben sich aus der tiefsten Tiefe der Tyrannis zum Gipfel der Freiheit erhoben, und fast alle sind sie wieder zurückgesunken von dieser Freiheit in die Knechtschaft. Dieselben Athener, die zu Zeiten des Demosthenes für Philipp von Mazedonien nur Beschimpfungen hatten, krochen vor Alexander; dieselben Römer, denen nach Vertreibung der Könige alles Königtum ein Abscheu war, ließen sich geduldig nach den Umwälzungen einiger Jahrhunderte alle Grausamkeiten ihrer Kaiser bieten, und dieselben Engländer, die ihren ersten Karl zum Tode verdammten, well er sich an ihren Rechten versündigt hatte, beugten ihren steifen Nacken unter das stolze Joch ihres Protektors. Also nicht nach eigener Wahl haben sich jene Freistaaten ihre Herren ernannt, sondern unternehmende Männer waren es, die, getragen von der Gunst der Umstände, jene wider ihren Willen und gewaltsam sich unterworfen haben.

Wie der einzelne Mensch geboren wird, eine Zeitlang lebt und an einer Krankheit oder vor Alter stirbt, ebenso bilden sich Freistaaten, blühen etliche Jahrhunderte und gehen endlich zugrunde durch den Wagemut eines Bürgers oder durch die Waffen ihrer Feinde. Jedem Ding ist seine Frist bemessen, auch alle Reiche, auch die größten Monarchien haben nur ihre bestimmte Dauer, und nichts gibt's auf Erden, das nicht dem Gesetze des Wandels und Verfalls unterworfen wäre. Der Despotismus versetzt der Freiheit den Todesstoß und setzt früher oder später dem Geschick eines freien Staates sein Ziel; der eine Staat behauptet sich länger als der andere, je nach der Fülle an Lebenskraft, die ihm innewohnt. Soweit es in seiner