<295>

VII. Instruction für die Frei-Regimenter oder leichten Infanterie-Regimenter295-1
(5. Dezember 1783)

Die Gattung Leute, die man unter die Frei-Bataillons nimmt, müssen folgendergestalt choisiret sein, als nämlich kein Kerl weder jünger noch älter als zwischen 20 bis 45 Jahren; denn sind sie jünger, so crepiren sie und halten die fatiguen nicht aus; sind sie älter, so können sie hingegen nicht mehr so laufen, als wie es doch für den leichten Infanteristen bei mancher Gelegenheit absolut nöthig ist. Die Leute müssen nothwendig ferner gut laden und chargiren können, weil sie sich bei den meisten Gelegenheiten mit dem Feuer defendiren, aber das Geschlossene, was bei der regulären Infanterie so nothwendig ist, das ist bei ihnen nicht von solchem Nutzen. Die Officiere und Unter-Officiere, so dabei sind, müssen gleichfalls nicht viel älter als 45 Jahre sein, sonst können sie die Diensie nicht mehr thun, die man von diesen Truppen verlangt.

Die Art, wie sie müssen disciplinirt werden, rühret von dem Gebrauche her, den man von ihnen machen will. Dieser Gebrauch bestehet zum Erempel darin, Vorposten mit ihnen zu besetzen, es mögen nun Wälder, Dörfer oder Feld sein, nicht um diese Posten auf die Länge zu mainteniren, sondern um die Armee zu avertiren und sich so lange zu behaupten, bis die Regimenter complet unter dem Gewehre sein können.

Die erste Eigenschaft, welche die Officiere bei sich erhalten müssen, ist ein immerwählendes Mißtrauen gegen den Feind, daß sie sich alle ersinnliche Sachen vorstellen, die dem Feinde zu unternehmen nur möglich sind, um sich dagegen so zu mainteniren, als es die Force von ihrem Corps, das Terrain und die übrigen Umstände nur irgend erlangen wollen.

<296>

Stehen sie in Dörfern, so müssen sie, wo sich nur immer Aus- und Eingänge befinden, Posten haben, desgleichen doppelte Schildwachen rings herum; außerdem muß noch immer eine Reserve in steter Bereitschaft sein, damit dem Feinde im Fall einer Attaque sogleich etwas entgegen rückt, was im Stande ist, sich so lange zu wehren, bis die übrigen gleichfalls unter das Gewehr getreten sind und diese Defension souteniren.

Stehen sie hinter Gewässer, so müssen die Schildwachen suchen, sich so zu decken, daß sie auf den Feind schießen, aber nicht von ihm wieder beschossen werden können, es sei nun, daß sie sich hinter einen Baum stellen, oder sich hinter einen Hügel legen und da herüber schießen.

Bei alle diesem ist es aber die vornehmste Schuldigkeit eines Commandeurs, daß, wenn dergleichen vorfällt, er sogleich den General, der die Armee commandiret, ohne allen Verzug avetiren läßt.

Sollen die Frei-Regimenter einen Wald besetzen, so müssen sie nur doppelte Schildwachen am Rande des Waldes haben und einige Posten dahinter zum Soutien; das Corps aber muß 300 Schritt hinter den Schildwachen im Walde stehen. Alsdann müssen die Compagnien mit doppelter, auch dreifacher Distance aus einander gezogen werden. Das erste Glied rückt heran gegen den Rand, um zu schießen. Wenn sie sich bald verschossen haben, rückt das zweite Glied vorwärts heran, von dem ersten Gliede hingegen macht der erste und zweite Zug rechts um, der dritte und vierte links um, gehen, um dem zweiten Gliede Platz zu machen, hinter die Compagnie zurück, um frische Munition zu empfangen, und formiren sich daselbst, als wenn sie das dritte Glied wären. Das andere Glied kann darnach eben dasselbe auch machen.

Sollte es aber sein, daß der Feind an einem Orte vom Walde mit seiner ganzen Force attaquiren wollte, so rückt die Compagnie gegen den Ort bis an den Rand vom Walde vor und chargirt ordentlich mit Pelotons. Durch diese Manœuvres sparen sie Leute, die ihnen nicht unnützerweise todt geschossen werden, und können sich um desto besser defendiren, weil sie der Feind, da ihre Force im Walde steckt, nicht decouvriren kann.

Auf den Märschen einer Armee sollen die Frei-Bataillons theils bei der Avantgarde, theils bei der Arrieregarde distribuirt werden. Die Officiere ollen bei der Gelegenheit die Augen darauf haben, daß sie so viel als möglich geschlossen bleiben und einen guten Schritt dergestalt fort marschiren, daß sie die Colonnen nicht hindern.

Ist es bei einer Avantgarde, da kann man sie wenig anders gebrauchen, als daß man sie entweder in die Büsche oder in die Dörfer wirft, um die Cavallerie so lange zu souteniren, bis die Armee herankommt.

Sind sie bei der Arrieregarde, so können sie compagnieweise bei der Bagage eingetheilt werden, wo doch immer reguläre Infanterie dabei ist, da sie denn, so zu<297> sagen, um die Bagage zu decken, weiter nichts thun, als daß sie wo postiret werden, das letzte von der Arrieregarde zu decken, als auf einer Höhe, einem Busche, oder bei einem Défilé usw. Wenn sie aber da durch ihr Feuer das letzte decken, so muß es Peloton297-1 sein.

In den Bataillen können sie bei zwei Gelegenheiten gebraucht werden, zum Exempel, wenn Büsche auf den Flügeln sind, so können sie da herein geworfen werden, um die Flanken zu decken. Bei solchen Gelegenheiten, wenn sie der Feind attaquiret, müssen sie reguläres Feuer machen, gliederweise oder einzeln, aber kein Peloton-Feuer, das gehet da nicht. Die zweite Art, wie sie in der Bataille können gebraucht werden, ist zum Exempel diese. Es stehet der Feind auf einer Anhöhe, von der man ihn vertreiben will. Da kann man sie zur ersten Attaque gebrauchen, aber das muß nicht regulär sein, sondern sie müssen geradezu blindlings in den Feind herein laufen und durchaus nicht eher schießen, als wenn sie mit dem Feinde melirt297-2 sind.

Sind es Batterien, die sie attaquiren, so können sie in den Graben springen, warten, bis der Feind seine Kanonen abgefeuert hat, und dann durch die Schießscharten sich Meister von der Batterie machen; aber das alles muß in voller Carriere geschehen, ohne sich zu besinnen, sonsten verlieren sie zu viel Leute.

Sind es Redouten, die sie attaquiren sollen, so muß sich so ein Bataillon in der Mitte theilen, zwei und eine halbe Compagnie rechts, zwei und eine halbe Compagnie links, und in aller Carriere, was sie laufen können, müssen sie in die Gorge297-3 oder Eingang der Redoute herein, um sich Meister davon zu machen.

Aus allen diesen Umständen sieht man, wie unumgänglich nöthig es ist, daß frisches und gesundes Volt bei den Frei-Bataillons ist, damit man sich derselben bei solchen Gelegenheiten, als es Seine Majestät angezeigt haben, mit Nutzen bedienen und gegen den Feind Vortheile erlangen kann.

Was par exemple wegen Bedeckung der Bagage und dergleichen Sachen ist, wo man die Frei-Bataillons auch gebrauchen kann, darüber sind keine andere Regeln als die, welche Seine Majestät bei der Infanterie bereits gegeben haben. Ist es während der Bataille und daß einige Frei-Bataillons die Bagage bedecken sollen, so bestehet solche alsdann meistens aus den Packpferden und Officier-Wagen, weil bei dergleichen Gelegenheiten die schwere Bagage allemal zurückgelassen werden muß. Dabei ist weiter nichts besser zu thun, als die Packpferde alle in einen Klumpen zu bringen und sie, 8 oder 10 Pferde hoch, hinter einander zu rangiren, damit der Klumpen nicht zu groß wird. Dieses Carré ist in den Flanken, in der Fronte und im Rücken zu bedecken, und dabei müssen die Kanonen so gebraucht werden, daß sie den feindlichen leichten Truppen, die da attaquiren, Schaden zufügen, aber keinesweges ihre Schüsse gegen die Armee gehen, die vor ihnen stehet. Läßt es das Terrain<298> zu, so sucht man ordinär die Bagage hinter ein Défilé zu setzen, wo man den Truppen die Defension leichter macht.

Ziehet sich eine Armee in der Nachbarschaft vom Feinde ab, so werden die FreiBataillons hie und da bei der Arrieregarde gebraucht, um entweder ein Defile, eine Höhe zu besetzen, Büsche, auch wohl Dörfer und dergleichen; aber sobald sie sich bei dieser Gelegenheit abziehen müssen, so muß es mit einer sehr großen Geschwindigkeit geschehen, damit ihnen die feindliche Cavallerie hiebei keinen Schaden thun könne.

Ist die Armee in den Winterquartieren und die Frei-Bataillons haben die Vorposten an der Kette, so müssen sie nicht allein im höchsten Grade vigilant sein und durch Espions und dergleichen Mittel alles zu erfahren trachten, was nur der Feind macht, sondern sie müssen annoch vornehmlich auf die Verstärkung reflectiren, die der Feind gegen die Posten machen kann, die ihnen in der Nähe stehen.

Sind es Länder, wo Wälder und Berge sind, so müssen sie mit ihren Patrouillen in die Berge und in die Wälder so weit gehen, als es nur ihre Sicherheit zuläßt, und müssen darum hauptsächlich vernünftige Officiere mit den Patrouillen geschickt werden, die einen exacten Rapport von alle dem bringen, was sie gesehen und erfahren haben.

Dieses alles aber ist noch nicht genug. Denn zu ihrer eigenen Sicherheit ist es nöthig, daß auf dergleichen Postirungen sie ihre Leute immer eine Stunde vor Tages Anbruch das Gewehr in die Hand nehmen lassen, auf daß, wenn sie wider alles Vermuthen attaquiret würden, sie sich wenigstens im Stande befinden, sich so zu wehren, daß ihnen der Feind keine Schlappe anhänget, die der Reputation der Truppen nachtheilig ist.

Wodurch sich aber die Officiere am meisten bei Seiner Königlichen Majestät re-commandiren werden, bestehet darin, wenn sie selber Projecte formiren, wie sie den Feind surpreniren können; und dieses werden sie leichter als andere erfahren, well sie beständig auf den Vorposten gebraucht werden und wissen müssen, welcher Praecautiones sich der Feind in seinen Patrouillen und Positions bedient oder nicht; denn negligiret sich der Feind in seinen Patrouillen, läßt er sich durch eine gewisse Sicherheit einschläfern, so ist das eine schöne Gelegenheit, von welcher ein wachsamer Officier profitiren kann, so ein Corps, welches in einem fortificirten Orte oder sonsten wo stehet, zu surpreniren. Das Project muß auch aus der Nachlässigkeit der Feinde formirt werden. Man muß wissen, durch welche Wege man ihnen in den Rücken kommen kann, und so das Project formiren, daß ein kleines Corps Cavallerie oder was es sonsten ist, den Feind von vorn alarmirt, in währender Zeit man ihm mit der ganzen Force in den Rücken fällt und ins Dorf dringt, wobei sogleich die Cavallerie, so mitgegangen ist, so viel Gefangene als möglich zu machen suchen muß. Sobald man aber seinen Endzweck erreicht hat, so muß sich ein solches Corps ungesäumt wieder nach seinen Standquartieren abziehen und zwar durch einen andern Weg, als den es bei seinem Hinmarsche genommen hat. Geht es aber<299> auch nicht allemal an, die Dörfer und fortificirten Posten zu überfallen, so ist es doch wohl möglich, daß dergleichen bei einem Corps de garde299-1 geschiehet, welches eine Brücke besetzt hat, oder bei einer Wache, die in einem Walde hinter einem Verhaue stehet. Wenn so ein kleiner Trupp rechts und links tourniret299-2 wird und daß man ihn unvermuthet in den Rücken faßt, so ist er ohne Umstände fort.

Wenn also Officiere sind, die dergleichen Projecte machen, so müssen sie solches dem Generale anzeigen, der in der Chaine299-3 das Commando hat; sie müssen ausrechnen, wie viel Truppen zur Execution vonnöthen sind, und wenn es die Nothwendigkeit erfordert, so können sie auch durch reguläre Truppen, die eine Ecke zurückbleiben, soutenirt werden, damit sie sich auf solche repliiren299-4 können.

Aber um daß dergleichen Projecte mit Nachdruck executiret werden, so müssen diejenigen, die dergleichen vorhaben, sich eine genaue Kenntnis von dem Dorfe oder von dem Orte verschaffen, wo der Feind stehet, von den Ansialten, die er macht, von den differenten Wegen, die dahin gehen und wie man seinen Rückweg am besten nimmt, wann und wie stark der feindliche Succurs ankommen kann, wie viel Zeit man dagegen zu seiner eigenen Expedition braucht und wie die Gegend überhaupt beschaffen ist, worin man agiren will usw.; denn wenn eine eracte Kenntniß von dieser Sache fehlet, so kann ein solches Project unmöglich gut executirt werden.

Zwei Sachen können dazu behülflich sein, um sich diese Kenntnisse zu verschaffen:

1. Daß man sucht, Leute aus dem Lande zu bekommen, denen dergleichen Dinge bekannt sind. Die Schlächter und Jäger, wenn man sie kriegen kann, sind die besten unter selbigen; denn sie wissen alle Wege und Stege. Außerdem aber kann man durch die Deserteurs, die man vom Feinde kriegt, wenn man sie recht zu examiniren verstehet, oder auch wohl durch einzelne Gefangene oft Umstände erfahren, die man schwerlich auf eine andere Art würde zu erfahren kriegen können.

2. Können sie einen guten und sichern Kerl von ihrem Regimente à dessein299-5 desertiren lassen. Dieser gehet zum Feinde über, stehet sich genau um nach allem, was passiret, und kommt bei der ersten Gelegenheit wieder zurück, um getreulich Nachricht von allem zu bringen, was er observiret hat.

Diejenigen Officiere von den Frei-Bataillons, welche sich auf dergleichen Sachen legen, daß sie darin einige Geschicklichkeit erwerben, können zuverlässig versichert sein, daß ihr Avancement nothwendig darauf folgen muß.

Bei den Arrieregarden setzen Ihro Majestät noch eine Regel hinzu, nämlich daß, wenn es die Arrieregarde von einer Armee ist, sich solche so wenig als möglich mit dem Feinde in eine furieuse Action einlassen muß; denn dabei ist nichts zu gewinnen, au contraire, hält man sich zu lange auf, so ist fast immer Verlust dabei.

Ueberhaupt aber bei allem, was Posten ist, müssen die Officiere ihre Leute lehren, daß sie sich gegen den Feind zu bedecken verstehen, so viel es möglich ist und die Um<300>stände erlauben, dergestalt, daß sie zwar den Feind beschießen können, aber von ihm nicht wieder getroffen werden. So können sie sich zum Exempel bedecken hinter Bäumen, hinter Häusern von einem Dorfe, sie können in einen hohlen Weg treten, um da bedeckt herüber zu schießen, sie können sich platt auf die Erde legen, um hinter den Steinen hervor zu schießen, desgleichen sich hinter eine kleine Anhöhe stellen, über die man weg feuern kann. In Summa, die Officiere müssen auf alle Gelegenheiten und Mittel raffiniren300-1, daß ihre Leute da, wo diese sich mit Schießen wehren sollen, allemal mehr bedeckt seien, als diejenigen vom Feinde.

Ihro Majestät setzen nun einen andern Fall, daß eine Stadt attaquirt werden sollte, die mit einer Mauer umgeben ist und wo der Feind Truppen hereingeworfen hat, die Stadt zu defindiren. In diesem Falle werden freilich die Thore mit regulärer Infanterie und mit schweren Kanonen attaquirt, aber in dieser Zeit können sich die Frei-Bataillons rechts und links längs der Mauer extendiren300-2, und wo was schadhaft an der Mauer ist oder sich ein Ort zeiget, bei dem das Uebersteigen nur möglich ist, so müssen sie wie die Katzen klettern, um herüber zu kommen; denn sobald die, welche die Stadt defendiren, sehen, daß schon feindliche Truppen in der Stadt sind, so werfen sie gewiß die Gewehre nieder.

Aber um diese Sachen zu executiren, welche Seine Majestät hier vorgeschlagen haben, so müssen sie wohl studirer werden, und müssen die Officiere zum voraus durch reifliches Nachdenken sich so geschickt gemacht haben, daß sie sich von allen diesen unterschiedenen Aufträgen mit Distinction acquittiren300-3. Sie müssen sich Kenntnisse schaffen von alledem, was zu der Sache gehöret, und das Studium muß der Execution allemal vorhergegangen sein, sonsten exponiren sie sich, ohne Ueberlegung zu agiren, welches immer schändlich für einen Officier und für jeden Menschen ist.


295-1 Die Vorlage ist deutsch abgefaßt. Um dem Mangel an leichten Truppen (vgl. S. 109 f. 114.123. 178. 254) abzuhelfen, hatte der Kinig im Siebenjährigen Kriege und im Bayrischen Erbfolgekriege Freitruppen ausgehoben. Die 1783 geplante Errichtung von drei leichten Infanterieregimentern kam erst 1786 zum Abschluß.

297-1 d. h. Peloton-Feuer.

297-2 handgemein.

297-3 Kehle.

299-1 Wachtposten.

299-2 umgangen.

299-3 Kette der Winterquartiere.

299-4 zurückziehen.

299-5 absichtlich.

300-1 sinnen.

300-2 ausdehnen.

300-3 mit Auszeichnung ausführen.