11. Verfolgung

Es gibt drei Arten von Verfolgung: durch Detachements, durch einen Flügel der Armee oder durch die ganze Armee.

Die Verfolgung durch Detachements erheischt viel Vorsicht. Je schwächer das Detachement ist, um so mehr hat es Hinterhalte zu befürchten. Setzt nur ein detachiertes Korps der Armee einem detachierten Korps des feindlichen Heeres nach, so muß es bei zu raschem Nachdrängen befürchten, daß das feindliche Korps von seiner Hauptmacht unterstützt wird, und somit um das Anrücken von Verstärkungen besorgt sein; denn dadurch könnte es leicht vom Sieger zum Besiegten werden. Es hängt also von der Klugheit des Detachementsführers ab, alles, was eintreten kann, vorauszusehen, das Gelände zu prüfen, ob es zu Hinterhalten geeignet ist, und die Verfolgungslust seiner Truppen zu zügeln, falls er die Ankunft feindlicher Verstärkungen oder irgend eine Falle befürchten muß, die der fliehende Feind ihm in dazu geeignetem Gelände stellen könnte.

Auch für die Verfolgung durch einen Flügel der Armee gilt ungefähr das gleiche. Die Kavallerieführer, denen diese Aufgabe zufällt, müssen Geistesgegenwart besitzen und sich hüten, die feindliche Kavallerie zu hitzig zu verfolgen, wenn sie Hecken oder Dörfer mit Infanterie besetzt sehen. In allen andern Fällen, wo es nur Ebenen und Anhöhen gibt und man sicher ist, daß keine Infanterie da ist, muß man die zurückgeworfene Kavallerie hitzig verfolgen, bis man sieht, daß alle verschiedenen Truppenteile der Flüchtlinge durcheinander kommen. Dann reichen ein paar Schwadronen hin, die die zersprengten Massen mit Pistolenschüssen verfolgen, um ihren<105> Schrecken noch zu mehren, vorausgesetzt, daß ein starkes, wohl geschlossenes Kaval-lerietreffen sie in starkem Trabe unterstützt und ein Defilee zu benutzen sucht, um unter den Fliehenden zahlreiche Gefangene zu machen. Denn diese geraten gerade dann wegen ihrer großen Zahl ins Gedränge, und ihre völlige Verwirrung hindert sie am Handeln und am geringsten Widerstand gegen die Sieger.

Sobald ein Kavallerieführer auf dem feindlichen Flügel, den er angegriffen und geworfen hat, allgemeine Verwirrung bemerkt, kann er seine Husaren und Dragoner detachieren, um der feindlichen Infanterie in den Rücken zu fallen, und dadurch die Entscheidung der Schlacht erleichtern. Auch kann er Detachements nach der vermutlichen Rückzugslinie des Feindes senden, was diesen vollends in Verwirrung bringen wird. Fliehende Truppen schlagen stets die Straße ein, auf der sie gekommen sind; denn die große Masse, die auf der Flucht den Ausschlag gibt, kennt keine andre.

Was nun die Armee überhaupt betrifft, so beruht ihre Überlegenheit ganz auf ihrer Ordnung. Eine geschlagene Armee ist nur ein Menschenhaufe, der die ihm verliehene Gestalt, die ihn furchtgebietend machte, zerstört und dadurch unfähig wird, dem Befehl seiner Führer zu gehorchen. Soviel Achtung sich ein Heerführer durch seine Geschicklichkeit erwirbt, bevor seine Armee in Verwirrung geraten ist, sowenig stellt er mit all seiner Kunst vor, sobald seine Truppen sich auflösen. Er kann dann sowenig Beweise seiner Geschicklichkeit geben, wie ein Meister auf der Geige seine Kunst zeigen kann, wenn seine vier Saiten unter seinem Bogen zerreißen. Diesen Augenblick der Verwirrung also, wo jede Ordnung aufhört, kein Befehl mehr befolgt wird, jedes Feldherrntalent vergeblich ist, muß ein guter Heerführer benutzen; denn jede Schlacht, die nicht den Zweck hat, den Krieg zu beenden, ist für den Staat ein unnützes Blutvergießen. Habt Ihr also im ganzen Feldzuge danach getrachtet, den Moment zu finden, wo Ihr den Feind in Verwirrung setzen könnt, so müßt Ihr ihn ausnutzen, wenn er gekommen ist.

Dazu muß man 1. für einige Tage Brot mitführen, 2. den Feind mehrere Tage verfolgen, besonders am Schlachttage selbst. Findet er keine Zeit, sich zu sammeln, so wird er immer weiter fliehen. Macht er aber Miene, irgendwo stehen zu bleiben, so muß man ihn beim geringsten Widerstand ungestüm angreifen und die Truppen dann keineswegs schonen, weil sie ermüdet sind oder man ihnen neue Angriffe ersparen möchte; denn durch diese Strapazen verschafft man ihnen für die Folgezeit lange Ruhe. Jeder Tag der Verfolgung verringert die feindliche Armee um ein paar tausend Mann, und bald bleibt ihm kein gesammeltes Korps mehr übrig, besonders wenn man alles dransetzt, ihm auch seine Bagage abzunehmen.

Wenn man so handelt, kommt man in wenigen Feldzügen weiter als andre Heerführer in vielen Jahren. Indes ist das nicht leicht; denn viele Offiziere halten es für hinreichend, wenn sie ihre Pflicht zur Not getan haben. Die meisten sind so zufrieden, daß die Schlacht vorüber ist, daß man große Mühe hat, ihnen Verfolgungs<106>lust einzuflößen. Vor allem aber muß man die Offiziere gut auswählen, die man zur Beschleunigung der feindlichen Flucht detachiert, ja dazu die allerbesten nehmen. Sonst würde man ebensowenig Erfolg haben wie Prinz Eugen und Marlborough nach der Schlacht von Malplaquet (1709), wo sie General Bülow mit den Hannoveranern detachierten, der sich aber wohl hütete, der französischen Nachhut auf den Leib zu rücken, und ihr nur auf 6 000 Schritt folgte.