26. Kapitel Warum und wie man Schlachten liefern soll

Schlachten entscheiden das Schicksal der Staaten. Wer immer Krieg führt, muß solche Entscheidungen herbeiführen, sei es, um sich aus einer mißlichen Lage zu befreien oder den Feind darein zu versetzen, oder um den Streit auszufechten, der sonst nie ein Ende nähme. Ein vernünftiger Mann darf keinen Schritt ohne triftigen Beweggrund tun. Noch viel weniger darf ein Heerführer jemals eine Schlacht liefern, ohne einen wichtigen Zweck zu verfolgen. Wird er dagegen zum Kampfe gezwungen, so hat er selbst Fehler begangen und muß sich vom Feinde das stolze Gesetz einer Schlacht vorschreiben lassen.

Ihr seht, daß ich mir hier keine Lobrede halte. Denn unter den fünf Schlachten, die meine Truppen geliefert haben, waren nur drei, die ich geplant hatte. Zu den beiden andern wurde ich gezwungen: bei Mollwitz, weil die Österreicher sich zwischen meine Armee und Ohlau geschoben hatten, wo meine Artillerie und meine Lebensmittel waren, und bei Soor, weil die Österreicher mir die Straße nach Trautenau<76> verlegten und mir nur die Wahl zwischen Schlacht und völligem Untergang ließen. Man sehe aber, welcher Unterschied zwischen den erzwungenen Schlachten und den im voraus geplanten besteht! Welchen Erfolg hatten die Schlachten von Hohem friedberg, Kesselsdorf und die von Chotusitz, die uns den Frieden brachte!

Wenn ich hier also Lehren gebe, die ich aus Unbedacht selbst nicht befolgt habe, so geschieht es, damit meine Offiziere aus meinen Fehlern lernen und zugleich erfahren, daß ich darauf bedacht bin, mich zu bessern.

Öfters haben beide Armeen Lust, sich zu schlagen: dann ist die Sache bald abgemacht. Die besten Schlachten sind die, zu denen man den Feind nötigt. Denn es ist eine zuverlässige Regel, daß man den Feind stets zu dem zwingen muß, wozu er gar keine Lust hat; und da Eure Interessen denen des Feindes strikt entgegengesetzt sind, so müßt Ihr gerade das wollen, was er nicht will.

Eine Schlacht wird aus folgenden Gründen geliefert:

1. um den Feind zu zwingen, die Belagerung einer Eurer Festungen aufzuheben,

2. um ihn aus einer Provinz zu verjagen, deren er sich bemächtigt hat, 3. um in Feindesland einzudringen,

4. um eine Belagerung vorzunehmen,

5. um die Hartnäckigkeit des Feindes zu brechen, wenn er keinen Frieden machen will76-1.

Man zwingt den Feind zur Schlacht, indem man ihm durch einen Gewaltmarsch in den Rücken kommt und ihn von seinen rückwärtigen Verbindungen abschneidet, oder indem man eine Stadt bedroht, die er um jeden Preis halten will. Man nehme sich aber wohl in acht, wenn man solche Manöver machen will, und hüte sich, nicht selber in eine mißliche Lage zu geraten und sich nicht so aufzustellen, daß der Feind Euch von Euren Magazinen abschneiden kann.

Am wenigsten setzt man bei Nachhutgefechten aufs Spiel. Man lagert sich zu dem Zweck dicht beim Feinde. Will er sich dann zurückziehen und vor Euren Augen durch Defileen marschieren, so fallt Ihr über die Nachhut seiner Armee her. Bei solchen Gefechten ist wenig zu verlieren und viel zu gewinnen. Der Prinz von Lothringen hätte sehr wohl ein solches Gefecht mit uns anfangen können, hätte er, statt nach Soor zu marschieren, gewartet, bis wir im Lager von Trautenau waren, und sich dann meiner Armee gegenüber gelagert76-2. Der Marsch nach Schatzlar wäre uns dann viel teurer zu stehen gekommen, und ich glaube, der Prinz hätte dabei seinen Vorteil gefunden.

Ferner liefert man eine Schlacht, um die Vereinigung der feindlichen Korps zu verhindern. Dieser Grund ist stichhaltig. Ein geschickter Feind wird aber leicht Mittel finden, Euch durch einen Gewaltmarsch zu entkommen oder sich eine gute Stellung auszusuchen. Zuweilen hat man nicht die Absicht, eine Schlacht zu liefern, wird aber<77> durch die Fehler des Feindes dazu eingeladen, die man benutzen muß, um ihn dafür zu strafen.

Diesen Grundregeln füge ich hinzu, daß unsre Kriege kurz und lebhaft sein müssen. Wir dürfen sie durchaus nicht in die Länge ziehen. Ein langwieriger Krieg zerstört nach und nach unsre vortreffliche Disziplin, entvölkert das Land und erschöpft unsre Hilfsquellen. Die Führer der preußischen Armeen müssen also, wenn auch mit aller Vorsicht, eine Entscheidung herbeizuführen suchen. Sie dürfen nicht so denken wie der Marschall von Luxemburg, als sein Sohn beim Kriege in Flandern zu ihm sagte: „Mich deucht, Vater, wir könnten noch die und die Stadt nehmen.“ Worauf der Marschall erwiderte: „Schweig still, kleiner Narr! Willst Du, daß wir nach Hanse gehen sollen, um Kohl zu pflanzen?“ Kurz, in betreff der Schlachten muß man den Grundsatz des Hohen Rats der Hebräer befolgen: „Es ist besser, ein Mensch sterbe für das Voll, denn daß das ganze Volt verderbe.“77-1


76-1 Zusatz von 1752: „Oder endlich, um den Feind für einen von ihm begangenen Fehler zu strafen.“

76-2 Vgl. Bd. II, S. 235 ff.

77-1 Evangelium Johannis XI, 50. — Zusatz von 1752: „Dafür endlich, wie man den Feind wegen eines von ihm begangenen Fehlers straft, lese man den Bericht über die Schlacht bei Senef (1674). Dort begann Prinz Condé ein Arrieregardengefecht mit dem Prinzen von Oranien oder mit Waldeck, weil dieser die Besetzung des Eingangs der Defileen versäumt hatte, die er passieren mußte, um seine Arrieregarde an sich zu ziehen. Man lese ferner den Bericht über die vom Marschall von Luxemburg gewonnene Schlacht bei Leuze (1691) und über die Schlacht bei Rocour“ (1746).