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11. Kapitel Wann und warum man Detachements ausschicken soll

Eine alte Kriegsregel, die ich hier nur wiederhole, besagt: wenn Ihr Eure Kräfte zersplittert, werdet Ihr im einzelnen geschlagen. Wollt Ihr eine Schlacht liefern, so müßt Ihr so viel Truppen wie möglich zusammenziehen; man kann sie niemals nützlicher anwenden. Diese Regel ist so untrüglich, daß alle Heerführer, die sie nicht beherzigt haben, es fast stets bereuen mußten. Weil das Detachement Albemarle bei Denain geschlagen wurde30-1, verlor der große Eugen seinen ganzen Feldzug. Starhemberg verlor in Spanien, als er von den Engländern getrennt war, die Schlacht bei Villaviciosa30-2. In den letzten Türkenfeldzügen wurde den Österreichern das Detachieren verhängnisvoll. Hildburghausen wurde bei Banjaluka geschlagen30-3, und Wallis erlitt eine Schlappe an den Ufern des Timot30-4. Ebenso wurden die Sachsen bei Kesselsdorf geschlagen30-5, weil sie den Prinzen von Lothringen nicht an sich gezogen hatten, wie sie es hätten tun können. Ich hätte verdient, bei Soor30-6 geschlagen zu werden, wenn die Gewandtheit meiner Generale und die Tapferkeit meiner Truppen mich nicht vor diesem Unglück bewahrt hätte. Also, wird man erwidern, soll man garnicht detachieren ? Ich antworte: man muß es zuweilen zwar tun, aber es ist stets ein sehr bedenkliches Manöver, das man nur aus triftigen Gründen machen soll, und auch nur zur rechten Zeit und wenn es die Umstände gestatten.

Geht Ihr offensiv vor, so detachiert niemals. Seid Ihr in einem offenen Lande und Herr einiger fester Plätze, so detachiert nur, um Eure Zufuhr zu sichern. So oft Ihr in Böhmen oder Mähren Krieg führt, müßt Ihr zur Sicherung Eurer Proviantzüge detachieren. Denn da sie die Gebirgskette passieren müssen, so ist es nötig, sie durch Detachements zu decken oder Korps hinzuschicken, die dort so lange kampieren und bleiben, bis Ihr genügende Lebensmittel für ein paar Monate habt und Herr eines festen Platzes in Feindesland seid, wo Ihr Euer Depot errichten könnt. Während Ihr solche Detachements ausschickt, müßt Ihr selbst feste Lager beziehen, in denen Ihr abwarten könnt, bis jene wieder zu Euch stoßen. Die Avantgarden rechne ich nicht zu den Detachements; denn sie bleiben in der Nähe der Armee, und man schickt sie nie zu weit vor.

In der Defensive ist man oft zum Detachieren gezwungen. Die Detachements, die ich in Oberschlesien hatte, waren, wie schon erwähnt30-7, in Sicherheit, da sie Festungen in der Nähe hatten. Die Detachementsführer müssen fest, kühn und vorsichtig sein Der Höchstkommandierende gibt ihnen allgemeine Instruktionen; sie aber müssen<31> sich selbst zu raten wissen, ob sie gegen den Feind vorgehen oder sich zurückziehen sollen, je nachdem die Umstände es erfordern. Vor überlegenen Kräften müssen sie allemal zurückweichen, aber auch ihre eigene Übermacht benutzen, wenn der Feind schwächer ist. Oft ziehen sie sich beim Anmarsch des Feindes in der Nacht zurück. Glaubt dieser dann, sie wären auf der Flucht, so kehren sie schnell wieder um, greifen ihn an und jagen ihn zurück. Die leichten Truppen des Feindes müssen sie verachten. Ein Detachementsführer muß zuerst für seine Sicherheit sorgen. Ist dies geschehen, so muß er Anschläge gegen den Feind machen; denn will er selbst ruhig schlafen, so darf er den Gegner nicht schlafen lassen, sondern muß immerfort Pläne gegen ihn schmieden. Gelingt es ihm dann, nur einen oder zwei auszuführen, so wirft er den Feind in die Defensive. Stehen solche Detachements in der Nähe der Armee, so halten sie Verbindung mit ihr durch irgend eine Stadt oder ein dahin führendes Gehölz.

Ein Verteidigungskrieg lädt von selbst zum Detachieren ein. Kleine Geister wollen alles verteidigen; vernünftige Leute aber sehen nur auf die Hauptsache, parieren die großen Schläge und dulden ein kleines Übel, um ein größeres zu vermeiden. Wer alles verteidigen will, verteidigt nichts. Das, woran man sich vor allem halten muß, ist die feindliche Armee: ihre Absichten gilt es zu erraten und sich ihnen mit allen Kräften entgegenzustemmen. Wir überließen Oberschlesien im Jahre 1745 der Plünderung der Ungarn, um den Absichten des Prinzen von Lothringen desto kräftiger entgegenzutreten 31-1, und detachierten nicht eher, als bis er tüchtig geschlagen war. Danach verjagte General Nassau die Ungarn binnen vierzehn Tagen aus ganz Oberschlesien.

Manche Heerführer detachieren, wenn sie den Feind angreifen wollen, damit solche detachierten Korps während des Kampfes eintreffen und dem Feind in den Rücken fallen. Das aber ist gefährlich; denn die Detachements können sich verirren und zu spät oder zu früh eintreffen. Karl XII. detachierte am Abend vor der Schlacht von Pultawa; das Detachement verirrte sich, und er wurde geschlagen. Als Prinz Eugen Cremona überrumpeln wollte31-2, ging sein Schlag fehl, weil das Detachament des Herzogs von Vaudemont, welches das Tor am Po angreifen sollte, zu spät kam. Während der Schlacht darf man nie detachieren, es sei denn so, wie es Turenne bei Kolmal tat31-3, wo er sein erstes Treffen der Front des Kurfürsten Friedrich Wilhelm gegenüberstellte, während sein zweites Treffen sich durch Hohlwege nach der Flanke des Kurfürsten zog, sie angriff und zum Weichen brachte. Oder auch wie der Marschall von Luxemburg in der Schlacht von Neerwinden (1693), wo er ein Infanterietorps durch das hohe Getreide in die Flanke des Prinzen Wilhelm von Oranien fallen ließ und durch dies Manöver die Schlacht gewann.

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Erst nach der Schlacht darf man detachieren, um die Zufuhr zu sichern, es sei denn, daß die Detachements sich höchstens eine halbe Meile vom Lager entfernen.

Zum Schluß dieses Abschnitts erinnere ich noch daran, daß am gefährlichsten und strafwürdigsten die Detachements sind, durch die das Heer um ein Drittel oder die Hälfte geschwächt wird.


30-1 Am 24. Juli 1712 (vgl. Bd. I, S. 116).

30-2 Am 10. Dezember 1710.

30-3 Am 14. August 1737 (vgl. Bd. I, S. 159).

30-4 Nicht Wallis, sondern Feldmarschall Khevenhüller wurde am 28. September 1737 am Timok geschlagen (vgl. Bd. I, S. 159).

30-5 Am 15. Dezember 1745 (vgl. Bd. II, S. 259 ff.).

30-6 Am 30. September 1745 (vgl. Bd. II, S. 235 ff.).

30-7 Vgl. S. 10.

31-1 Vgl. Bd. II, S. 209 ff.

31-2 Eugen nahm Cremona am 1. Februar 1702, konnte es aber nicht behaupten (vgl. Bd. VII, S. 103).

31-3 Am 5. Januar 1675 (vgl. Bd. I, S. 73).