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2. Kapitel Feldzugspläne

Sobald man einen Krieg vorhat, werden Feldzugspläne entworfen. Da die Nachbarn eines Fürsten gewöhnlich seine Feinde sind, so wollen wir als solche die Russen, die Sachsen und vor allem die Österreicher ansehen. Politik und Kriegskunst müssen sich beim Entwerfen der Feldzugspläne die Hand reichen. Man muß die Stärke des Herrschers kennen, mit dem man Krieg führt, dessen Bundesgenossen und das Land, das den Schauplatz Eures Ruhmes oder Eurer Schande bilden wird. Was die Truppenzahl betrifft, so muß es Euch genügen, wenn Ihr 75 000 Mann gegen 100 000 ins Feld stellen könnt. Was die Bundesgenossen des Feindes angeht, so schont man entweder die Mächte, die er um Hilfe angeht, oder man erdrückt sie, bevor sie ihre Kräfte mit den andren vereinen können. Das Land, wohin man den Krieg tragen will, muß Euch so genau bekannt sein, wie einem Schachspieler das Schachbrett.

Im allgemeinen taugen alle Kriege nichts, bei denen wir uns zu weit von unsren Grenzen entfernen. Hat man doch alle Kriege, die andre Völker in dieser Weise geführt haben, unglücklich enden sehen8-1! Karls XII. Ruhm ging in den Einöden von Pultawa unter8-2. Kaiser Karl VI, vermochte sich in Spanien nicht zu behaupten8-3,<9> ebensowenig die Franzosen in Böhmen (1742). Alle Feldzugspläne, die auf weite Vorstöße angelegt sind, müssen also als schlecht verworfen werden.

Zur Verteidigung entwirft man andre Pläne als zum Angriff.

Ein Plan, der ausschließlich aufVerteidigung hinausläuft, taugt nichts. Er zwingt Euch zum Beziehen von festen Lagern; der Feind umgeht Euch, und da Ihr nicht zu kämpfen wagt, zieht Ihr Euch zurück. Der Feind umgeht Euch wieder, und beim Schluß der Rechnung findet sich, daß Ihr durch Euren Rückzug mehr Gelände einbüßt als durch eine verlorene Schlacht. Auch schmilzt Eure Armee durch Desertion mehr zusammen als durch den blutigsten Kampf. Eine so ausschließliche Defensive, wie ich sie hier meine, ist wertlos; denn bei ihr ist alles zu verlieren und nichts zu gewinnen. Einem solchen Verhalten ziehe ich also die Kühnheit eines Heerführers vor, der lieber zur rechten Zeit eine Schlacht wagt; dann hat er alles zu hoffen, und selbst im Unglücksfall bleibt ihm immer noch das Mittel der Defensive.

Ein offensiver Feldzugsplan erfordert genaue Prüfung der feindlichen Grenzen. Nach gründlicher Erwägung, wo man den Angriff beginnen will, bestimmt man entsprechend den Versammlungsort der Armee und sorgt endlich für die Lebensmittel.

Der größeren Klarheit halber will ich meine Prinzipien an Beispielen erläutern und Angriffspläne gegen Sachsen, Böhmen und Mähren entwerfen.

Gilt es, Sachsen anzugreifen, so muß man sich der Elbe bemächtigen. Für den Anfang des Unternehmens wäre Halle der bequemste Versammlungsort der Armee. Das Hauptdepot müßte in Halle sein, das Hauptmagazin in Magdeburg. Ein Feldherr, der sich nicht mit genug Lebensmitteln versieht, würde bald aufhören, ein Held zu sein, auch wenn er sonst größer als Cäsar wäre. Die Versorgung der Magazine muß man einem redlichen, verschwiegenen und geschickten Manne anvertrauen. Man versieht sich mit Mehl für ein ganzes Kriegsjahr, und die Armee selbst führt für drei bis vier Wochen Mehl mit sich. Ihr laßt eine Besatzung in Halle und achtet wohl darauf, daß der Feind Euer Magazin nicht durch Verräterei beschädigt. Hält der Feind stand, so müßt Ihr ihm eine Schlacht liefern, damit Ihr Eure Operationen weiter vortreiben könnt. Siegt Ihr, so schreitet Ihr zur Belagerung von Wittenberg. Damit macht Ihr Euch zum Herm der Elbe, die Euch Eure Lebensmittel zuführen soll, rückt an ihr entlang bis Dresden vor und bemächtigt Euch dieser Hauptstadt. Zugleich muß man sich folgende Fragen stellen: Setzt sich der Feind bei Meißen fest, wie kann ich ihn dann umgehen? Oder besetzt er die Kesselsdorfer Höhen, mit welchem Manöver kann ich ihn von da vertreiben? Ihr werdet dann auf den Gedanken kommen, entweder rechterhand zu marschieren und ihn zu umgehen, oder ein Detachement über die Elbe zu werfen und die Altstadt von Dresden anzugreifen. Dadurch kann der Gegner zum Rückzug gezwungen werden, oder man muß sich zum Angriff entschließen, wie der Fürst von Anhalt9-1.

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Habe ich Absichten auf Böhmen, so untersuche ich die ganze schlesische Grenze und finde dort vier Pässe, die wichtiger sind als die andren.

Der erste liegt nach der Lausitz zu, der zweite bei Schatzlar, der dritte bei Braunau, und der vierte führt aus der Grafschaft Glatz über Rückers und Reinerz stracks nach Königgrätz. Der bei Friedland, also der Lausitzer, taugt nichts; denn in der dortigen Gegend ist kein einziger haltbarer Platz in Schlesien, wo man Magazine errichten könnte. Auch führt dieser Paß nur in einen Winkel von Böhmen, und schließlich ist das Land dort gebirgig, zu Belästigungen geeignet und arm an Lebensmitteln. Der Paß bei Schatzlar hat fast die gleichen Nachteile, und wenn der Feind auf den Höhen hinter der Stadt lagert, so gibt es kein Mittel, ihn anzugreifen oder zu umgehen; denn die Straße nach Goldenöls ist ein schlimmer Engpaß und daher nur benutzbar, wenn kein Feind da ist. Da man ferner beim Heraustreten aus dieser Mördergrube noch am Silvawalde10-1 vorbei muß, so würde ich die Straße über Braunau von ziehen. Sie ist von allen, die von Schlesien nach Böhmen führen, die bequemste; denn Ihr habt Eure Magazine in Schweidnitz, d. h. in der Nähe, und wenn Ihr von dieser Seite in Böhmen eindringt, deckt Ihr zugleich ganz Niederschlesien, wogegen auf dem Wege von Glatz nach Böhmen nichts gedeckt wird. Außerdem ist die Straße über Braunau auch deshalb besser, weil bei allen Kriegen, die in Schlesien geführt werden, die Oder als Nährmutter der Armee zu betrachten ist. Die Oder stießt aber näher bei Schweidnitz als bei Glatz. Auch sind für unser Proviantfuhrwerk die Wege von Schweidnitz besser als die von Glatz. Da also der Weg über Braunau in jeder Hinsicht der zweckmäßigste ist, muß man ihn zum Angriffspunkt wählen.

Nachdem dies entschieden ist, errichte ich mein Magazin in Schweidnitz unter einer Bedeckung von 2 000 bis 3 000 Mann. Zugleich bestimme ich ein Korps von 7 000 Mann zur Deckung von Oberschlesien nach der Seite von Neustadt und ein andres von 3 000 Mann zur Deckung des oberen Oderlaufes zwischen Kosel und Brieg. Beide Korps sind unerläßlich. Sie decken die linke Flanke von Niederschießen gegen die Einfälle der Ungarn, die sonst bald Eure Proviantzüge hemmen und alle Maßregeln für die Verpflegung stören würden, die man im Rücken der Armee treffen muß. Beide Korps sind um so weniger gefährdet, als sich das eine nach Neiße, das andre nach Kosel oder Brieg zurückziehen kann.

Es ist schwer, die Art der Operationen in Böhmen zu bestimmen, ohne vorher festgestellt zu haben, worauf es abgesehen ist. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, daß Böhmen leicht zu erobern, aber schwer zu behaupten ist. Wer Böhmen unterwerfen will, wird sich allemal täuschen, so oft er den Krieg dorthin trägt10-2. Um es zu erobern, muß man Österreich von der Donau und von Mähren angreifen. Dann fällt dies große Königreich von selbst, und man hat nur Besatzungen hinzuschicken.

Führen wir allein Krieg gegen die Königin von Ungarn, so werden unsre Feld, züge defensiv sein unter der Maske und den äußeren Formen des Offensivkrieges.<11> Ich stütze meine Meinung auf folgendes: Böhmen hat weder verteidigungsfähige Städte noch schiffbare Flüsse. Wir müssen also alle unsre Zufuhren aus Schlesien kommen lassen. Eine Bergkette, die zu Belästigungen wie geschaffen ist, trennt beide Staaten. Man schlage also den Feind, nehme ihm Städte weg — mit alledem hat man noch nichts gewonnen; denn die Städte sind nicht zu halten. Ihr dürft Eure Magazine darin nicht gefährden, und dringt Ihr tiefer in Feindesland ein, so schneiden die Bergpässe Euch von Euren Lebensmitteln, der Feind Euch von Euren rückwärtigen Verbindungen ab, und Ihr lauft Gefahr, daß Eure Armee verhungert. Wie kann man den Winter in einem solchen Lande verbringen? Wie seine Quartiere sichern? Wie den Truppen Ruhe geben, damit sie sich von den Strapazen erholen? Man wird vielleicht sagen: Haben wir nicht den Winter von 1741 auf 1742 in Böhmen verbracht?11-1 Zugegeben! Aber wir waren nicht allein dort. Die Franzosen beschäftigten die Österreicher derart, daß diese nicht an uns denken konnten.

Alle diese Umstände müssen also den Heerführer bestimmen, sich nach seinen Mitteln zu richten und einen ausführbaren Plan einem glänzenden vorzuziehen. Bei dem ganzen Unternehmen wird aber nichts Großes herauskommen, wofern wir nicht ein bedeutendes Übergewicht über die Österreicher haben. Bei gleichen Kräften jedoch dürfte sich der Feldzug darauf beschränken, daß man auf Kosten des Feindes lebt, solange man kampiert. Währenddessen muß man die ganze schlesische Grenze rein ausfouragieren, um zu verhindern, daß der Feind dort viele Truppen hält, und am Ende des Feldzuges muß man durch die Grafschaft Glatz, wo die Rückzugsstraßen noch am leidlichsten sind, nach Schlesien zurückkehren. Der ganze Landstrich an der schlesischen Grenze, den Ihr im Sommer ausfouragiert habt, wird Euch die Winterruhe sichern.

Will man Mähren angreifen, so sind ganz andre Pläne zu fassen. Drei Straßen führen dorthin: erstens von Glatz über Littau nach Olmütz, zweitens von Troppau über Sternberg, und drittens über Hultschin und Prerau. Ich wähle die über Iägerndorf, Zuckmantel und Sternberg, da sie Neiße am nächsten liegt. Sind meine Streitkräfte den feindlichen gleich, so detachiere ich 7 000 bis 8 000 Mann gegen Braunau und Schatzlar, um von dorther Niederschlesien zu decken. Diese Truppen leben auf Kosten Böhmens. Tritt der Feind in zu großer Überzahl auf, so finden sie allemal nahe und sichere Zuflucht in Schweidnitz. Ein zweites, noch stärkeres Detachement unter Führung des geschicktesten Offiziers im ganzen Heere schicke ich nach der Jablunka zur Deckung meiner linken Flanke gegen die Ungarn und zur Sicherung meiner Zufuhr und der übrigen Maßregeln, die ich in Oberschlesien für die Verpflegung der gegen Mähren bestimmten Armee treffen muß. Da meine Armee von ihren Lebensmitteln abhängt und diese lediglich von dem an der Jablunka stehenden Korps gedeckt werden, so liegt der Erfolg meiner Pläne in den Händen des Generals, der jenes Korps befehligt.

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Nach diesem Plane muß mein Hauptmagazin in Neiße und mein Depot in Troppau sein, und zwar, weil Troppau sich zur Verteidigung einrichten läßt, Jägerndorf aber durchaus nicht. Auch kann Troppau eine ziemlich starke Besatzung fassen, Jägerndorf aber kaum ein Bataillon. In Troppau errichte ich also ein Depot für drei Monate, außer den Lebensmitteln für einen Monat, die ich bei der Armee mitführe. In Sternberg lasse ich Erdwerke aufwerfen und Palisaden errichten; denn es ist auf der ganzen Straße der einzige Ort, der meinen Proviantzügen eine Art von Schutz bieten kann. Sind alle diese Vorkehrungen getroffen, so marschiert meine Armee auf Olmütz, und ich nehme 12 Mörser und 24 Feldgeschütze zur Belagerung mit. Alle Überschwemmungen, die der Feind rings um die Festung machen kann, lassen sich ableiten. Außerdem ist das Bett der March nicht tief. Wird also der Feind aus der Nachbarschaft verjagt, so kann sich Olmütz höchstens acht bis zehn Tage nach Eröffnung der Laufgräben halten. Der Angriff findet von Littau her statt.

Ist Olmütz erobert, so werden die Laufgräben zugeschüttet und die Breschen ausgefüllt. Zugleich wird das Magazin von Troppau unter guter Bedeckung nach Olmütz geschafft und durch das Magazin von Neiße wiederaufgefrischt. Alsdann geht man gegen den Feind vor, der sich wahrscheinlich bei Pohrlitz oder Wischau gelagert und dort seine Verluste ersetzt, vielleicht auch Verstärkung erhalten hat. Ihn in den Stellungen, die er einnehmen kann, zu umgehen, ist schwer; denn man muß sich den Rücken nach Olmütz freihalten, um dieses zu decken. Daher muß man den Feind, um Terrain zu gewinnen, womöglich zu einer Schlacht zwingen. Dann wird er sich nach Brünn zurückziehen und dort den letzten Widerstand zu leisten versuchen. Allem Anschein nach wird er dann auf den Höhen hinter dem Spielberg lagern. Das ist der kritischste Punkt des ganzen Feldzuges. Solange sich der Feind in der Nachbarschaft aufhält, wäre die Belagerung von Brünn zu schwierig, und ihn zu vertreiben wäre auch schwel. Um aber dennoch zum Ziel zu gelangen, bietet sich folgendes Mittel. Man schickt starke Streifkorps nach Österreich, damitdas Angstgeschrei der Wiener den feindlichen Heerführer zwingt, ihnen zu Hilfe zu eilen. Räumt der Feind seine Stellung, so muß man ihm auf den Leib rücken, um ihn zu schlagen, und nach errungenem Siege die Belagerung von Brünn vornehmen. Dazu läßt man die Belagerungsartillerie und Lebensmittel für drei Wochen aus Olmütz kommen. Brunn hat wenig zu bedeuten. Die Stadt kann sich acht Tage nach Eröffnung des Laufgrabens halten und das Schloß höchstens zwölf Tage.

Ist Brünn genommen, so schiebt man sein Magazin von Olmütz dahin vor, verproviantiert die Stadt wieder und marschiert gegen Znaim und Nikolsburg. Dadurch zwingt man den Feind zum Rückzuge nach Österreich. Obgleich die Österreicher Mähren mit ihrer Armee räumen, werden sie doch ihre leichten Truppen dorthin schicken. Die Anhänglichkeit des Volkes und die Geländebeschaffenheit werden sie durchaus begünstigen. Diese leichten Truppen werden sich zu Eurer Rechten in den Bergen von Kloster Saar bis nach Trebitsch und Gurein und zu Eurer Linken bei<13> Hradschin13-1 und Napagedl einnisten. Um sie völlig aus ihren Schlupfwinkeln zu verscheuchen, muß man die Zeit der Winterquartiere abwarten, und da bei Euren guten Erfolgen anzunehmen ist, daß die ungarischen Truppen ihre Absicht auf Oberschlesien aufgegeben haben, so kann man einen Teil des Korps, das ihnen an der Jablunka entgegengestellt war, dann in Mähren verwenden.

Wenn ich auch einen Feldzugsplan mißbillige, der sich auf die reine Defensive beschränkt, so bin ich mir doch bewußt, daß man nicht immer einen völligen Offensivkrieg führen kann. Ich verlange nur, daß dem Heerführer in der Defensive nicht durch irgend welche Befehle die Hände gebunden werden, sondern daß die Defensive vielmehr eine List sei, die das Selbstgefühl der Feinde reizt und sie zu Fehlern verleitet, aus denen ein geschickter Feldherr seinen Vorteil ziehen kann.

In der Defensive besieht die größte Kunst des Heerführers darin, seinen Feind auszuhungern. Das ist ein Mittel, bei dem er nichts aufs Spiel setzt, aber alles gewinnen kann. Dazu ist erforderlich, daß man durch Klugheit und gewandtes Benehmen das Spiel des Zufalls soweit als möglich ausschaltet. Der Hunger besiegt einen Menschen weit sicherer als der Mut des Gegners. Da aber die Wegnahme eines Proviantzuges oder der Verlust eines Magazins den Krieg noch nicht gleich beendigt und nur Schlachten zur Entscheidung führen, so muß man zum Erreichen seines Ziels beide Mittel anwenden.

Ich begnüge mich damit, zwei Defensivpläne nach meinen Prinzipien zu entwerfen: einen für Niederschlesien, den andren für die Kurmark.

Ich nehme an, die Österreicher wollen Niederschlesien von Böhmen her angreifen, und trete ihren Absichten folgendermaßen entgegen:

Ich errichte mein Hauptmagazin in Schweidnitz und lege 5 Bataillone und 3 Hu-sarenschwadronen hinein. Außerdem errichte ich ein Depot im Schlosse von Liegnitz, um den Feind begleiten zu können, falls er auf dieser Seite eindringen sollte. Erfordern es die Umstände, so schicke ich auch ein Detachement nach Neiße. Vor allem aber lege ich eine Besatzung von 7 Bataillonen und 3 Husarenregimentern nach Glatz, damit dies Korps in Böhmen eindringen, dem Feinde seine Zufuhr abschneiden und ihm wohl gar, wenn es möglich ist, sein Magazin in Königgrätz wegnehmen oder zerstören kann. Dadurch ginge der ganze Feldzug für die Österreicher verloren, und wir wären leichten Kaufs von ihnen befreit. Ich lasse meine Armee bei Schönberg und Liebau lagern, wodurch ich die Straße von Schatzlar decke. Dann sieht dem Feinde nur noch der Weg über Braunau nach Schlesien frei. Ich lasse mein Lager sogar verschanzen, um allen Anschein der Furcht zu erwecken. Dringt der Feind nun über Braunau in Schlesien ein, so lasse ich ihn ruhig vorrücken und lagere mich dann unversehens in seinem Rücken, wozu die Armee allerdings für vierzehn Tage Brot<14> und Mehl haben muß. Dadurch zwinge ich den Feind zur Schlacht, und da ich in seinem Rücken siehe, hängt es ganz von mir ab, ein Schlachtfeld zu wählen, das mir die größten Vorteile bietet. Durch dies Manöver setze ich nichts aufs Spiel, sobald die Befestigung von Schweidnitz vollendet ist. Dem Feind hingegen, wenn er unter solchen Umständen geschlagen wird, sieht kein Weg zum Rückzug mehr offen. Am genommen aber, die Österreicher gingen nur tastend vor, so muß ich über eins ihrer Detachements oder über ihre Avantgarde herfallen und alle List gebrauchen, um sie dreist zu machen, dann aber aus ihrer Verwegenheit Nutzen ziehen14-1.

Weit schwieriger ist die Verteidigung der Kurmark, weil sie ein offenes Land ist und die an Sachsen grenzenden Wälder für Lager und Märsche gleich ungünstig sind. Doch glaube ich, daß man sich folgendermaßen benehmen müßte.

Berlin, eine offene Stadt, erfordert als Landeshauptstadt meine größte Aufmerksamkeit. Es liegt nur 12 Meilen von Wittenberg. Ich nehme an, die feindliche Armee versammelt sich dort. Dann könnte der Feind drei Pläne ausführen. Der eine wäre, an der Elbe entlang zu marschieren; das aber würde ihm wegen Magdeburg schwer fallen, denn einen solchen Platz kann man nicht hinter sich lassen. Zweitens könnte der Feind über die Oder und den neuen Kanal14-2 kommen. Dann aber ließe er sein ganzes Land offen, und man könnte ihn durch einen Vorstoß gegen Wittenberg gleich nach Sachsen zurückwerfen. Der dritte Plan wäre der, stracks auf Berlin loszumarschieren. Die beste Defensive besteht darin, in Sachsen einzufallen, wie wir es im Winter 1745 getan haben14-3. Sich hinter die Spree oder Havel zurückziehen, hieße das Land preisgeben. Lieber würde ich meine Armee bei Brandenburg versammeln, meine Lebensmittel nach Brandenburg und Spandau schaffen, alle Havelbrücken außer denen zu Brandenburg und Spandau zerstören und einige Eilmärsche machen, um die Sachsen in ihrem eigenen Lande anzugreifen, sie zu schlagen und sie selbst in die Defensive zu werfen. Man sage, was man will, aber es gibt keinen andren Entschluß.

Am schwierigsten sind die Feldzugspläne, bei denen man sich vieler starker und mächtiger Feinde zu erwehren hat. Dann muß man seine Zuflucht zur Politik nehmen und seine Feinde untereinander zu entzweien suchen oder den einen und andern durch Vorteile, die man ihm verschafft, von ihnen trennen. In militärischer Hinsicht muß man dann zur rechten Zeit zu verlieren wissen (wer alles verteidigen will, verteidigt nichts), muß eine Provinz dem Feinde opfern14-4 und derweil mit seiner ganzen Macht den andern zu Leibe gehen, sie zur Schlacht zwingen und alles aufbieten, um sie zu vernichten. Dann muß man Detachements gegen die übrigen senden. Solche<15> Kriege richten die Heere durch die Strapazen und Märsche, die man ihnen zumutet, zugrunde, und dauern sie lange, so nehmen sie zuletzt doch ein schlimmes Ende.

Überhaupt müssen alle Feldzugspläne sich nach den Zeitumständen und der Art und Anzahl der Feinde richten, mit denen man zu tun hat. Man soll den Feind nie am grünen Tisch verachten, vielmehr sich an seine Stelle versetzen und sich fragen, was man in seiner Lage tun würde. Je mehr Hindernisse man in seinen Plänen voraussieht, desto weniger wird man nachher bei der Ausführung finden. Kurz, man muß alles voraussehen, alle Schwierigkeiten erkennen und sie zu beseitigen wissen.


10-1 Vgl. Bd. II, S. 232.

10-2 Vgl. Bd. II, S. 189.

11-1 Vgl. Bd. I I, S. 108 ff.

13-1 Vielmehr Ungarisch-Hradisch.

14-1 Vgl, dazu unter den „Einzelschriften“ den „Plan der Verteidigung Schlesiens gegen Böhmen“.

14-2 Der 1746 vollendete Finowkanal.

14-3 Vgl. Bd. II, S. 24; ff.

14-4 So plante der König im Frühjahr 1749, als ein neuer Krieg mit Österreich, Rußland und England drohte, Ostpreußen und die westfälischen Provinzen zu räumen.

8-1 Zusatz von 1752: „Alle Unternehmungen der Franzosen von Ludwig XII. bis auf Franz I. gegen das Königreich Neapel sind unglücklich verlaufen. Die Kreuzzüge nach Ibumäa haben das gleiche Schicksal gehabt.“

8-2 Vgl. Bd. l, 112.

8-3 Als spanischer Kronprätendent während des Spanischen Erbfolgekrieges (vgl. Bd. l, S. 115).

9-1 Bei Kesselsdorf (vgl. Bd. II, S. 259 ff.).