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Einleitung des Herausgebers

Die von ihm aufgestellte Forderung, daß die Herrscher Preußens auch ihre eignen Feldherren sein müßten, die Forderung, die er im Politischen Testament von 1752 in dem Schlagwort des König-Connetable zusammenfaßte, hat König Friedrich selbst im Laufe seiner Regierung bis auf den letzten Buchstaben erfüllt. So exerzierte er persönlich seine Armee, zog an ihrer Spitze ins Feld. So griff er auch immer wieder zur Feder, um zur eignen Belehrung und zur Unterweisung seiner Generale die Grundsätze der Kriegskunst zu entwickeln. Dabei handelte es sich für ihn nicht um den Aufbau eines allgemeinen militärischen Systems, sondern nur Preußen, die Wehrhaftmachung der preußischen Armee, die Kriege, die sie aller politischen Wahrscheinlichkeit nach zu bestehen hatte, schwebten ihm dabei vor. Es waren also lediglich praktische Ziele, die er verfolgte.

Die militärischen Werke Friedrichs, die dieser Band enthält, zerfallen in zwei Hauptgruppen, in die „Grundlagen der Kriegskunst“ und in die „Einzelschriften“. Jene umfassen die sämtlich eigenhändig verfaßten Abhandlungen über die höhere Kriegführung, die nur für seine Nachfolger und seine Generale bestimmt sind, während die Auswahl der „Instruktionen“ und „Dispositionen“ in der zweiten Gruppe die Entwicklung der einzelnen Waffen vor Augen führen soll. Von der Aufnahme sind dagegen die „Reglements“ ausgeschlossen geblieben, da sie lediglich die Ausbildung, Verpflegung, den inneren Dienst, Ersatz usw. der Truppen betreffen.

Der Schwerpunkt des Bandes ruht in den Schriften der erstgenannten Gruppe. Sie enthalten die Summe der Anschauungen Friedrichs vom Kriege. An der Hand dieser Schriften läßt sich die Entwicklung seiner Auffassung verfolgen, umspannen sie doch einen Zeitraum von rund dreißig Jahren. Besonderes Interesse verdienen sie auch durch die kritischen Rückblicke, die er in ihnen auf seine eignen Feldzüge wirft; damit werden sie zu einer wichtigen Ergänzung seiner historischen Darstellungen.

Es bedarf noch einiger Erläuterungen über die Entstehung der Schriften dieser ersten Gruppe.

Ähnlich wie beim „Antimachiavell“ und den meisten historischen Werten sind auch bei den „Generalprinzipien des Krieges“ mehrere Fassungen zu unterscheiden. Die erste, noch unveröffentlichte, eine Frucht der im Ersten und Zweiten Schlesischen Kriege gesammelten Erfahrungen, stammt aus dem Jahre 1747; sie führt den Titel: „Instruktion für die Generale, die Detachements, Flügel, zweite Treffen und preußische Heere zu führen haben.“ Schon im Jahre darauf erfolgte eine eingreifende<VI> Umarbeitung dieses ersten Entwurfes, die am 2. April 1748 abgeschlossen wurde: diese neue Fassung sind „Die Generalprinzipien des Krieges“, die im folgenden zum Abdruck gelangen. Unter den mancherlei Änderungen, Zusätzen und Streichungen, die in ihnen sich finden, ist die bedeutsamste die Hinzufügung der Kapitel 26 bis 28. Eine Abschrift der „Generalprinzipien“ wurde auch dem Politischen Testament von 1752 angehängtVI-1. Als der König dann gegen Ende des Jahres 1752 eine deutsche Ausgabe dieser zweiten Fassung für seine Generale veranstaltetetVI-2, machte er noch eine Reihe von Zusätzen, die als Fußnoten dem Texte der „Generalprinzipien“ beigegeben sind.

Am Vorabend des Siebenjährigen Krieges, wahrscheinlich infolge der immer stär-keren Umwölkung des politischen Horizonts, sind gegen Ende des Jahres 1755 die „Gedanken und allgemeinen Regeln für den Krieg“ entstanden. Friedlich schrieb dies Werk zu seiner eignen Weiterbildung. General Winterfeldt, der einzige, dem er einen Einblick darin verstattete, nannte es enthusiastisch „eine unschätzbare Feldapotheke“, eine „Universalmedizin, um alle Verlegenheiten zu kurieren“.

Den unmittelbaren Niederschlag der Erfahrungen des neuen Waffenganges mit Österreich stellen die am 27. Dezember 1758 abgeschlossenen „Betrachtungen über die Taktik und einige Teile des Krieges“ dar. Auf zweierlei weist der König warnend in ihnen hin, auf die vervollkommnete Kunst der Österreicher, ihre Stellungen zu wählen und zu befestigen, und auf ihr ungeheures Aufgebot an Artillerie. Diese Tatsachen nötigten ihn, die eigne Kriegführung den veränderten Verhältnissen anzupassen.

Den kurzen Bemerkungen, die bereits dieser Aufsatz von 1758 darüber enthält, folgen dann die systematischen Ausführungen in den „Grundsätzen der Lagerkunst und der Taktik“, die, wie das Datum am Schlusse besagt, am 12. November 1770 beendet sind. Diese bilden das gewaltige Gegenstück zu den „Generalprinzipien des Krieges“.

Aber schon zwei Jahre zuvor hatte Friedrich im Rahmen des Politischen Testaments vom November 1768 die Gelegenheit ergriffen, um in großen Zügen dem Thronfolger ein Bild des preußischen Heeres zu entwerfen. Im Gegensatz zum früheren Testament von 1752VI-3 liegt in diesem der Schwerpunkt auf der Verwendung der Truppen im Felde. Daher stellt der König bei den einzelnen Waffen dem Dienst in Friedenszeiten den in Kriegszeiten gegenüber und fügt einen besonderen Abschnitt hinzu, der der Strategie oder, wie es dort heißt, den „Grundprinzipien des Krieges“ gewidmet ist.

Doch die Zahl der grundlegenden Schriften ist damit nicht erschöpft. Wieder wie 1755 war es die bedrohliche politische Lage, die den König zwanzig Jahre später zur Feder greifen ließ. Am 1. Dezember 1775 sind nach seinem eigenhändigen Vermerk die „Betrachtungen über die Feldzugspläne“ zum Abschluß gelangt. Nochmals ist in ihnen systematisch das Problem eines Krieges mit Österreich erörtert, unter dem dreifachen Gesichtspunkte, daß Preußen in der Lage sei, einen Offensivkrieg zu führen,<VII> daß es sich um einen Krieg handle, in dem die Kräfte beider Patteien sich die Wage hielten, daß Preußen sich auf einen Defensivkrieg beschränken müsse. In der Tat rechnete der König mit einem neuen Kriege gegen Österreich. Schon ward auf beiden Seiten gerüstet. Aber Friedrich lag selbst schwer krank an der Gicht danieder; „unter Schmerzen“ hatte er auch den Aufsatz niedergeschrieben — „scriptius in doloso“, wie er in seinem wunderlichen Latein neben dem Datum am Schlusse angibt. Man zweifelte an seiner Genesung. Er selbst war überzeugt, daß die Österreicher nur auf den Augenblick seines Todes warteten, um über Preußen herzufallen. Danach scheint diese Abhandlung wie der wenige Monate später entstandene „Abriß der preußischen Regierung“VII-1 gleichsam als Vermächtnis für den Thronfolger bestimmt gewesen zu sein. Allein die Gefahr ging vorüber, und erst drei Jahre später kam über die Frage der Erbfolge in Bayern der Krieg zum Ausbruch.

Zum Unterricht für die Quartiermeister, in denen die Vorläufer des heutigen Generalstabs zu erblicken sind, ist endlich 1777 die Schrift „Über Kriegsmärsche“ verfaßt.

Von der zweiten Gruppe, den „Einzelschriften“, sind die „Instruktionen“ und „Dispositionen“ bereits erwähnt. Sie ergingen aus dem Kabinett; zum Teil dienten ihnen eigenhändige Niederschriften des Königs als Grundlage, so z. B. den „Regeln für einen guten Bataillonskommandeur im Kriege“, der „Instruktion für die Generalmajore der Kavallerie“ von 1759, der Instruktion für Lattorff von 1753VII-2.

Daneben gehören zu dieser Gruppe noch zwei kriegswissenschaftliche Aussätze: der bisher noch nicht veröffentlichte „Plan der Verteidigung Schlesiens gegen Böh-men“, der das Gegenstück zu dem in den „Generalprinzipien“ entwickelten Defensivplan bildet, und die „Denkschrift, wie man den Gegner zwingt, seine Stellung an der Katzbach zu verlassen“. Diese ist ein Beispiel für eine Reihe ähnlicher Aussätze, in denen Friedrich die Lösung von Problemen unternimmt, die ihm die Geschichte seiner eigenen Feldzüge bot.

Die zu einer dritten Gruppe vereinigten „Militärischen Gedenkschriften“ umfassen neben den Gedächtnisreden auf Goltz und Stille noch den für die militärischen Anschauungen des Königs außerordentlich charakteristischen Aussatz über Karl XII. von Schweden, über dessen Entstehung das Erforderliche in einer Fußnote gegeben ist.

Den glänzenden Beschluß des Bandes bildet das dem Thronfolger gewidmete Lehrgedicht „Die Kriegskunst“, das, wie auch das Motto bezeugt, den allerersten Versuch in seiner Art darstellt. Darin faßt der König in gebundener Sprache die Lehre vom Kriege zusammen, und so wird auch dieses Gedicht, das viele Anklänge an die „Generalprinzipien“ enthält, für uns zu einer Quelle für die Erkenntnis seiner militärischen Anschauungen. Es ist im Frühjahr und Sommer 1751 entstanden und dann in die „Œvrez du philosophe de Sanssouci“ aufgenommen. Die An<VIII>regung zu dieser Dichtung gab ihm die nachgelassene Schrift des Grafen Moritz von Sachsen („Rêveries ou Mémoires sur l'art de Ia guerre“), wie aus seinem Schreiben vom 8. April 1751 an den Thronfolger hervorgeht, dem er scherzend bekennt: „Ich habe die Träumereien des Grafen von Sachsen bekommen. Sie haben mir großes Vergnügen bereitet. Um sie an Narrheit noch zu überbieten, bin ich darauf verfallen, die Lehren dieser Kunst in Verse zu setzen, so wie Ovid es mit der Liebeskunst gemacht hat.“

Um das Bild der militärischen Anschauungen König Friedrichs zu vervollständigen, sei der Leser endlich noch auf das Kapitel über das Heerwesen in den „Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Hauses Brandenburg“VIII-1 verwiesen, auf den schon genannten Abschnitt des Politischen Testaments von 1752 und auf den gleichfalls erwähnten „Abriß der preußischen Regierung“ von 1776, sowie auf die verschiedenen Instruktionen für einzelne Generale, die in den Anhängen zu den historischen Werken mitgeteilt sind.

Der französische Text, der den Übersetzungen zugrunde liegt, ist gedruckt in den „Œuvres de Frédéric le Grand“ (Bd. 7: die Gedächtnisreden auf Goltz und Stille, sowie der Aufsatz über Karl XII.; Bd. 10: das Lehrgedicht „Die Kriegskunst“; Bd. 28: die „Generalprinzipien“, „Gedanken und allgemeine Regeln für den Krieg“, „Betrachtungen über die Taktik und einige Teile des Krieges“, die Instruktion für die Generalmajore der Kavallerie von 1759 und die Vorrede zum Auszug aus Folard; Bd 29: die „Grundsätze der Lagerkunst und der Taktik“, „Betrachtungen über die Feldzugspläne“, „Über Kriegsmärsche“, die „Regeln für einen guten Bataillonskommandeur im Kriege“ von 1773 und die Vorrede zum Auszug aus Quincy; Bd. 30: die Instruktionen usw. für die einzelnen Waffen, außer den „Regeln für einen guten Bataillonskommandeur“ von 1773, den Instruktionen für die Inspekteure der Infanterie von 1780 und für die Generalmajore der Kavallerie von 1759). Das „Militärische Testament von 1768“ ist veröffentlicht von A. 0. Taysen in den „Miscellaneen zur Geschichte König Friedrichs des Großen“ (herausgegeben auf Veranlassung und mit Unterstützung der Königlich Preußischen Archivverwaltung; Berlin 1878), die „Instruktion für die Inspecleurs der Infanterie-Regimenter“ von 1780 sowie die „Denkschrift, wie man den Gegner zwingt, seine Stellung an der Katzbach zu verlassen,“ von demselben in den Schriften: „Die militärische Tätigkeit Friedrichs des Großen im Jahre 1780“ (Berlin 1882) und „Zur Beurteilung des Siebenjährigen Krieges“ (Berlin 1882), die Zusätze von 1752 zum Text der „Generalprinzipien des Krieges“ von H. Dropsen (Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine, Jahrgang 1904) und endlich der Aussatz „Plan der Verteidigung Schlesiens gegen Böhmen“ nach der bisher unbekannten Handschrift im Königlichen Hausarchiv zu Charlottenburg.


VI-1 Später in gleicher Weise dem Testament von 1768.

VI-2 Sie war im Jahre 1748 lediglich dem Thronfolger Prinz August Wilhelm mitgeteilt worden.

VI-3 Vgl. Bd. VII, S. 168 ff.

VII-1 Vgl. Bd. VII, S. VIII und 210 ff.

VII-2 Zur Erleichterung des Verständnisses ist bei den deutsch abgefaßten „Instruktionen“ usw. den vielfach französisch lautenden Fachausdrucken die deutsche Übersetzung in Fußnoten beigefügt.

VIII-1 Vgl. Bd. l, S. 173 ff.