<284> Garnisondienst nimmt sie höchstens zwei Stunden täglich in Anspruch, im übrigen sind sie Herren ihrer Zeit, und wenn sie sie in Müßiggang verbringen, so glaube ich nicht, daß diese Entschuldigung irgendwo ernst genommen wird.

Ein gleiches gilt vom Angriff auf Festungen. Unkenntnis kann zu vielen Fehlern führen, die sich vermeiden lassen, hat man sich vom Ingenieurwesen einen Begriff gemacht und nicht die Mühe gescheut, die Berichte der alten Belagerungen im spani-schen Erbfolgekriege zu lesen1. Kurz, mit Unkenntnis dürfen sich nur Kinder entschuldigen, nie aber erwachsene Leute, die einen Beruf haben und zu Befehlshaberstellen gelangt sind. Es ist also allen Bataillonskommandeuren unbedingt zu empfehlen, das zu erlernen, was sie bisher vernachlässigt haben. Da es ihnen weder an Zeit noch an Mitteln zu ihrer Belehrung fehlt, so kann man ihre Unkenntnis hinfort nur der Faulheit zuschreiben.

Wenn z. B. beim Festungsangriff die Laufgräben zu verteidigen sind und in der zweiten oder dritten Parallele ein Regiment sieht, dessen Kommandeur keinen Begriff von einer Belagerung hat, so wird er nachlässig sein, und wenn der Feind einen Ausfall macht, sich schimpflich aus seiner Stellung vertreiben lassen. Dagegen wird ein ehrliebender Offizier auf alles, was kommen kann, vorbereitet sein. Ob der Feind nun bei Tag oder Nacht angreift, er hat seine Maßregeln schon im voraus getroffen und ist völlig bereit, den Ausfall zurückzuweisen.

Sind die Bataillonskommandeure von edlem Ehrgeiz beseelt, so sollen sie höher streben. Aus ihnen werden die Generale genommen, und haben sie sich nichts zu schulden kommen lassen, so dürfen sie sich versprechen, diese Würde zu erreichen. Aber ihr Ehrgeiz muß sie dazu treiben, alle Pflichten eines Generals schon im voraus erfüllen zu können. Es ist eine Schande, in der Stellung, zu der man erhoben wird, als Lehrling anzufangen. Edler ist es, ihrer schon für wert gehalten zu werden, wenn man sie noch nicht bekleidet. Die Welt muß sagen: „Dieser Mann hat das Zeug zu einem guten General. Schade, daß er es noch nicht ist.“ Wer also seinen eignen Wert fühlt, soll sich seine Feldzüge zunutze machen und fragen: „Warum fand dieser Marsch statt? Warum wurde jene Schlacht geliefert? Welches war die Disposition dazu? Warum wurde der Flügel versagt? Warum griff der andre an?“ Sie müssen die Lager prüfen, das Gelände beurteilen und die Außenposten besichtigen, um sich ein deutliches Bild von der Gesamtdisposition zu machen. Sie sollen ihr Urteil in all diesen Dingen üben und sich zur Führung von Detachements fähig machen; denn auf diesem Wege gelangt man zur Führung ganzer Armeen. Bei uns sind einfache Edelleute Heerführer geworden, und die Armee darf nie vergessen, daß ein Schwerin sie kommandiert hat.

Für die Verteidigung belagerter Plätze gilt das gleiche, wie für Belagerungen. Ein Stabsoffizier, der seinen Geist während des Friedens mit einer guten Theorie


1 Vgl. S. 353 f.