<171> Sachsen sich in ihre Heimat geflüchtet hatten, unterhielt der König von Preußen eine Armee von 60 000 Mann in Schlesien und Böhmen. Die Franzosen hatten versprochen, daß bis dahin alle Verstärkungen zu ihren Truppen stoßen sollten, und daß sie Anfang Mai stark genug zu nachdrücklichen Operationen sein würden. Es fand sich aber, daß diese neuen Truppen und ihre Rekruten Ende Mai noch kaum den Rhein passiert hatten. Die Schwäche der Franzosen, die in Böhmen höchstens 12 000 Mann hatten, und der Rückzug der Sachsen legte die ganze Last des Krieges auf die Schultern des Königs von Preußen. Er trug sie so gutwillig, daß er den Prinzen von Lothringen schlug1, als dieser zum Angriff gegen Prag vorrückte. Schließlich aber ward er es müde, allein die ganze Bürde zu tragen, und drängte die anderen zum Handeln. Alles, was er erreichte, war die Aufstellung eines gewaltigen Feldzugsplanes, demzufolge er die Österreicher bei Tabor, dem altberühmten Lager Ziskas, angreifen sollte, um von da bis zur Donau vorzustoßen und Wien zu belagern. Zur Durchführung dieser Operation hätte er ein unbezwingliches Lager angreifen und sechs Wochen durch ein Land marschieren müssen, das keinerlei Nahrungsmittel bot. Während dieser ganzen Zeit hätte die Armee ihren Proviant also auf Wagen mitführen müssen. Bei einiger militärischer Erfahrung sieht man die Unmöglichkeit eines so schlecht erwogenen Planes ein, dessen ganze Last den Preußen und dessen ganzer Gewinn den Franzosen zufiel, die längs der Moldau ohne Schwertstreich bis nach Passau vorrücken sollten.

Trotzdem hätte der König von Preußen nicht die Geduld verloren, wären seine Alliierten zu einer Zeit, wo er allein handelte, nicht völlig untätig geblieben, und hätte er nicht erfahren, daß, während man von ihm selbst einen glänzenden Schlag gegen den Kurfürsten von Hannover und die Holländer verlangte, ein gewisser du Fargis Frankreichs Interessen in Wien vertrat, daß Bussy für Frankreich in England sondierte, und daß man schließlich der Böswilligkeit die Krone aufsetzte, indem man ihn in Rußland verriet, während er sich in Böhmen für Frankreichs Ruhm opferte. In der Tat erfuhr der König, daß La Chétardie den Auftrag hatte, den Frieden zwischen Schweden und Rußland zustande zu bringen, und zwar unter der Bedingung, daß Rußland den Schweden die Eroberung Stettins und seines Gebietes garantierte2.

Ein so offenbares Doppelspiel empörte den König von Preußen schließlich, und er beschloß, sich um jeden Preis von seinen Alliierten zu trennen. Von dem Augenblick an arbeitete er ernstlich an der Wiederaussöhnung mit der Königin von Ungarn, und diese gelang ihm durch Vermittlung des Königs von England.

Ich hoffe, schloß mein Politiker, daß Sie nun keine Inkonsequenz mehr im Benehmen des Königs sehen. Er ist einfach dem Gesetz der Natur, dem Selbsterhaltungstrieb gefolgt, der uns gebietet, zuvörderst an unsere eigene Existenz zu denken. Nie-


1 In der Schlacht bei Chotusitz, 17. Mal 1742 (vgl. Bd. II, S. 114 ff.). -

2 Vgl. Bd. II, S. 119.