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Schreiben des Grafen R. an einen Freund1
(August 1742)

Lieber Freund! Ich gestehe Ihnen, daß der Sonderftiede, den der König von Preußen soeben geschlossen hat, mich nicht minder empört hat als Sie. Ich empfand Unwillen über einen Fürsten, der seine Verpflichtungen so leichtfertig gebrochen hat. Selbst das Benehmen eines Staatsmannes fand ich zu rügen, der seine eigenen Interessen zu verkennen schien, indem er sich mit den Feinden versöhnte, die er am tiefsten verletzt hatte, und sich dadurch die Zuneigung derer verscherzte, denen er die größten Dienste geleistet hatte.

Ich fand dieser Tage Gelegenheit, über das Thema mit einem Manne zu sprechen, der über die gegenwärtigen Verhältnisse offenbar wohl unterrichtet war. Er erzählte mir zu meinem großen Erstaunen Folgendes. Der König von Preußen, sagte er, ist nicht so zu verurteilen, wie Sie meinen. Er hatte zwar Verpflichtungen, aber nur unter gewissen Bedingungen, und Sie wissen, daß an einen Kontrakt, den einer der Kontrahenten nicht erfüllt, der andere nicht mehr gebunden ist. Erfahren Sie denn den ganzen Zusammenhang der Gründe, aus denen der König eine Partei verließ, bei der er keine Sicherheit und Ehre mehr zu finden hatte.

Sein Bündnis zwang ihn nicht zur Stellung einer bestimmten Truppenzahl; es war nur gegenseitige Unterstützung ausgemacht. Der Streit um Schlesien war schon erledigt, als die Händel der Alliierten erst anfingen. Ich übergehe alle Zudringlich leiten der Franzosen, um den König von Preußen zum Handeln zu bewegen. Genug, daß Sie seine hochherzigen Anstrengungen in Mähren kennen, wo er mit 2O 000 Mann seiner Truppen eindrang2, um die Österreicher von Bayern abzuziehen, das sie bedrohten.

Die Sachsen traten damals als Hilfstruppen auf, die Preußen aber als Eroberer. Das verleidete diesen einen Zug, den sie lediglich aus hochherziger Gesinnung unternahmen. Gleichwohl blieben sie dieser Gesinnung treu, und Ende April, als die


1 Die obige Flugschrift, deren Spitze sich gegen Frankreich richtet, war bestimmt, den Abschluß des Breslauer Sonderfriedens vom 11. Juni 1742 (vgl. Bd. II, S.119 f.) zu rechtfertigen. Wegen politischer Bedenken unterblieb jedoch ihre Veröffentlichung.

2 Angfang 1742 (vgl. Bd. II, S. 105 ff.).