<198> des Feldzuges über die Elbe zu gehen und sich bei Großenhain oder sonstwo in der Umgegend zu lagern, während das Korps des Prinzen von Zweibrücken zu einer Diversion ins Magdeburgische und Halberstädtische bestimmt ist.

Gewiß erscheint mir unsere Lage bei den uns drohenden Gefahren furchtbar, und alle Gegenmaßregeln, die man ergreifen kann, dünken mich unzulänglich, wofern nicht eine plötzliche Veränderung eintritt. Marschiere ich gegen die Russen und liefere ihnen nicht binnen vierzehn Tagen eine Schlacht, so komme ich bei der großen Entfernung zum Entsatz von Neiße zu spät. Teile ich die schlesische Armee in zwei gleiche Hälften, so sind beide höchstens je 28 000 Mann stark. Jede muß sich dann auf die Defensive beschränken, und da wir überall schwach sind, laufen wir Gefahr, überall geschlagen zu werden. Ziehe ich aber auf einer Seite starke Kräfte zusammen, so muß ich mir mit ihnen einen Feind vom Halse schaffen und dann gleich dem nächsten entgegeneilen, wie mir das oft geglückt ist. Unterliege ich aber, so bin ich mit einem Schlage vernichtet. Wage ich jedoch nichts, so gehe ich vier Monate später zugrunde.

Um aber den etwaigen Unglücksfällen nach Kräften vorzubeugen und Zeit zu gewinnen, habe ich Befehl gegeben, 4 Bataillone und 200 Dragoner nach Neiße zu werfen, damit die Festung sich länger zu halten vermag. Es bleiben also 16 Bataillone übrig, um die gefährdetesten Punkte Schlesiens zu decken und besonders zu verhindern, daß Fürst Löwenstein in Breslau eindringt.

In Sachsen scheint mir vor allem folgendes von Belang. Die Magazine von Torgau und Wittenberg müssen gedeckt und gut im Auge behalten werden. Geht der Feind über die Elbe, so muß die Armee sie gleichfalls überschreiten und ein Korps auf dem diesseitigen Ufer zurücklassen. Die Reichstruppen soll man bis in die Ebene vordringen lassen, sowohl um Prinz Ferdinand von Braunschweig zur Absendung von Hilfstruppen zu zwingen, wie auch um die Reichsarmee aus dem Bergland herauszubekommen und sie, wenn möglich, zu schlagen. Dabei sind aber die Detachements im Auge zu behalten, die Daun nach Schlesien schicken könnte, und dementsprechend sind unsrerseits Detachements abzusenden, d. h. 6 000 Mann auf 10 000 des Feindes, damit er in Schlesien kein zu großes Übergewicht erlangt.

Da aber allem Anschein nach der Friede zwischen England und Frankreich zustande kommen wird1, so kann Prinz Ferdinand durch einen Vorstoß auf Eger die rechte Flanke der Armee in Sachsen von der Beobachtung nach Leipzig und dem Halberstädtischen entlasten, sodaß sie sich mit verdoppelter Aufmerksamkeit der schlesischen Seite widmen kann. Sollte Daun nach Böhmen zurückgehen, so könnte man alsdann Dresden zurückerobern und dem Prinzen Ferdinand, um ihn nicht im Stiche zu lassen, Verstärkungen schicken oder auch Daun nachrücken, je nachdem die Umstände es gestatten.


1 Vgl. S. 193 f.