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Vorwort

Meine Darstellung der beiden Kriege, die wir in Schlesien und Böhmen geführt haben, war das Werk eines jungen Mannes, eine Folge jener Schreibwut, die in Europa epidemisch geworden ist. Seit dem Frieden von 1746 jedoch habe ich der Geschichtsschreibung entsagt; denn politisches Ränkespiel, das zu keinen Ergebnissen führt, verdient so wenig Beachtung wie gesellschaftlicher Klatsch. Ein paar Einzelheiten aus der inneren Staatsverwaltung aber liefern noch keinen genügenden Stoff zur Geschichtsschreibung. Erst der 1756 ausgebrochene Krieg hat meinen Entschluß umgestoßen. Der Krieg war mit so viel Geschick und Kunstfertigkeit herbeigeführt und die Übermacht der Feinde, die gegen Preußen im Felde standen, so gewaltig, daß mir ein solcher Gegenstand der Überlieferung an die Nachwelt wohl würdig erschien. Zu diesem Zwecke setzte ich am Ende jedes Feldzuges eine Denkschrift über die Ereignisse auf, die mir noch frisch im Gedächtnis hafteten. Und da die Kriegsbegebenheiten aufs engste mit der Politik zusammenhängen, sah ich mich genötigt, auch diese in meine Darstellung aufzunehmen.

Ich habe dabei mein Augenmerk besonders auf zweierlei gerichtet: einmal, der Nachwelt klar zu beweisen, daß die Vermeidung des Krieges nicht von mir abhing und daß Ehre und Wohlfahrt des Staates mir die Annahme anderer Friedensbedingungen verboten, als solcher, unter denen der Friede zustande gekommen ist. Zweitens wollte ich alle militärischen Operationen so klar und genau schildern, als ich irgend vermochte. Hinterlassen wollte ich eine authentische Zusammenstellung der vorteilhaften und nachteiligen Stellungen in den Provinzen und Staaten, die den Schauplatz eines Krieges zwischen den Häusern Brandenburg und Österreich bilden können.

Der Erfolg eines Krieges hängt großenteils von der Geschicklichkeit des Feldherrn ab, von der Kenntnis der Gegend, in der er operiert, und von der Kunst der Geländebenutzung, die darin besteht, daß man den Feind an der Besetzung einer für ihn vorteilhaften Position hindert oder sich selbst die für die eignen Pläne günstigste Stellung aussucht. Dafür wird man in diesem Buch eine Menge Beispiele finden und bei näherer Betrachtung leicht erkennen, welche Vorteile die Österreicher und die Preußen aus gewissen Positionen gezogen haben. Gott verhüte einen zweiten so verwickelten<4> und schwierigen Krieg, wie den eben beendeten! Wahrscheinlich ist es nicht, daß die gleiche Verkettung von Ursachen in absehbarer Zeit die gleiche Konstellation herbeiführt.

Hat Preußen nicht gegen so viele Mächte auf einmal zu kämpfen, so wird es immer die Mark Brandenburg und Schlesien decken können, die Mark, indem es den Krieg nach Sachsen trägt, und Schlesien, indem es mit dem Heere sofort in Böhmen einbricht. Für diesen Fall wird meine genaue Beschreibung der Lager in Sachsen und Böhmen von dauerndem Nutzen sein und den künftigen Heerführern viel Arbeit ersparen. Denn zum Schwierigsten im Kriege gehört die schnelle Orientierung in einer wenig bekannten Gegend. Man muß dann oft aufs Geratewohl irgendeine Stellung einnehmen, da man die zuweilen ganz in der Nähe liegenden guten Positionen nicht kennt. Man tappt also umher, und bei schlechter Wahl seines Lagers setzt man sich den größten Gefahren aus. Dagegen ist man bei Benutzung schon erprobter Lagerplätze seiner Sache sicher und kann methodischer verfahren.

Hierbei sei bemerkt, daß ein Lager je nach den Umständen gut oder schlecht sein kann. So ist das Lager bei Torgau vortrefflich, wenn man über 70 000 Mann verfügt, mit denen man es in seiner ganzen Ausdehnung besetzen kann. Hat man dagegen nur 30 000, der Feind aber 60 000 Mann, so ist es mangelhaft, weil man seine Stellung dann zu sehr ausdehnen muß und sich dadurch selbst schwächt. Wenn der Feind nur will, kann er dann hier oder dort an einer schwach besetzten Stelle durchbrechen. Ein Lager ist wie ein Kleid. Es darf für seinen Träger weder zu eng noch zu weit sein. Bleibt einem aber die Wahl, so ist es besser, man hat zu viel Leute, die man nicht zu lassen weiß, als zu wenig. Andere Lager decken wohl einen gewissen Terrainabschnitt, werden aber unbrauchbar, sobald der Feind die Richtung seiner Operationen ändert. So zum Beispiel ist das Lager bei Landeshut ganz ausgezeichnet zur Deckung von Niederschlesien. Es wird aber schlecht und unhaltbar, sobald die Kaiserlichen Glatz oder Martha besetzt haben, weil sie es dann völlig umklammern.

In solchen Fällen muß unser gesundes Urteil uns unser Tun und Lassen vorschreiben. Jedenfalls muß man sklavische Nachahmung vermeiden, sonst würde man sicher falsch handeln. Warum? Weil zwei Menschen sich niemals in völlig gleicher Lage befinden. In manchem wird sich ihre Lage ja vergleichen lassen. Bei genauem Zusehen aber wird man unendliche Verschiedenheiten in den Einzelheiten entdecken, denn die Natur bietet uns in ihrer Unerschöpflichkeit immer wieder ein anderes Bild und wiederholt nie die gleichen Ereignisse. Es wäre also ein falscher Schluß, wenn man sagen wollte: „Der Marschall von Luxemburg befand sich in der gleichen Lage wie ich jetzt. Auf die und die Weise hat er sich herausgezogen: ich will also dasselbe tun.“ Ereignisse der Vergangenheit sollen lediglich der Einbildungskraft Nahrung liefern und unser Gedächtnis mit Kenntnissen ausstatten. Sie bilden nur eine Sammlung von Ideen und liefern uns den Rohstoff, den die Urteilskraft erst in ihrem Schmelztiegel läutern muß.

Ich wiederhole also: die Einzelheiten des letzten Krieges sollen nur den Schatz unseres militärischen Wissens bereichern und die Aufmerksamkeit auf einige wichtige<5> Positionen lenken, die so lange die gleichen bleiben werden, als die Gegenden sich nicht verändern und die Natur sich nicht völlig umgestaltet. Solche wichtigen Stellungen sind: das Lager von Peterswald5-1 für den, der durch Sachsen in Böhmen eindringen will, das Lager von Schlettau und Freiberg für den, der weder den Plauenschen Grund noch Dippoldiswalde zu besetzen vermag, das Lager von Landeshut bei Friedland in Schlesien, falls man gleichzeitig zur Deckung der Grenze ein Detachement in die Grafschaft Glatz legt, ferner die Lager von Schmottseiffen und Löwenberg zur Deckung der Lausitzer Grenze, die Stellung bei Hotzenplotz5-2 zur Deckung von Oberschlesien, das Lager bei Olmütz, das die Preußen im Jahre 1758 besetzt hielten, das Lager von Wisoka bei Nachod, das von Hlinay5-3 in Böhmen und schließlich die Lager von Bunzelwitz, Pilzen5-4, Siegroth5-5, Neiße, der Zeiskenberg5-6, die Höhen von Bärsdorf und Dittmannsdorf5-7 usw.

Wahrscheinlich werden die österreichischen Generale nicht von der Methode des Feldmarschalls Daun abgehen, die unstreitig gut ist. In einem künftigen Kriege werden sie also wieder auf gute Stellungen bedacht sein, genau wie in dem eben beendeten. Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt, daß es verkehrt ist, den Feind in bergiger Stellung oder auf durchschnittenem Gelände vorschnell anzugreifen. Ich bin manchmal in diese Notlage gekommen und habe das Äußerste wagen müssen. Wird der Krieg aber mit gleichen Kräften geführt, so kann man sich durch List und Geschick gewissere Vorteile verschaffen, ohne sich solchen Gefahren auszusetzen. Man suche nur recht viele kleine Vorteile zu erreichen, so ergibt sich am Ende ein großer. Überdies ist ein Angriff auf eine wohlverteidigte Stellung ein tüchtiges Stück Arbeit. Man kann leicht zurückgeworfen und geschlagen werden oder die Einnahme nur mit einem Opfer von 15 000 bis 20 000 Mann erkaufen, und das reißt eine böse Lücke in eine Armee. Rekruten — vorausgesetzt, daß sie im Überfluß vorhanden sind — können die Zahl der Verluste zwar ersetzen, nicht aber ihre Qualität. Die Ergänzung der Armee entvölkert das Land, die Mannschaften werden minderwertig, und bei langer Dauer des Krieges kommandiert man schließlich nur noch eine Schar von schlecht einexerzierten und schlecht disziplinierten Bauern, mit denen man sich kaum vor dem Feinde blicken lassen darf. Mag man in schlimmen Lagen immerhin von der Regel abweichen, nur in der Not darf man zu verzweifelten Mitteln greifen. Gibt man dem Kranken doch auch dann nur ein Brechmittel, wenn man keine andere Rettung mehr weiß. Abgesehen von solchen Notfällen aber sollte man nach meiner Ansicht mit größerer Behutsamkeit verfahren und jeden Schritt mit Umsicht und Überlegung tun. Denn der geschickteste Feldherr ist der, der das wenigste dem Zufall überläßt.

Zum Schluß noch ein Wort über den von mir gewählten Stil. Ich war des „Ich“ und „Mir“ so müde, daß ich mich entschloß, alles auf mich Bezügliche in der dritten<6> Person zu berichten. In einem so umfangreichen Werke wäre es mir unerträglich erschienen, immerzu von mir in der ersten Person zu reden. Ferner habe ich mir strenge Wahrhaftigkeit und Unparteilichkeit zur Regel gemacht, denn durch Bissigkeit und Gehässigkeit kann ein Autor niemanden belehren. Auch ist es ein Zeichen von Schwäche, ja von niedriger Gesinnung, von seinen Feinden nichts Gutes zu reden und ihnen die verdiente Gerechtigkeit schuldig zu bleiben. Sollte ich von dieser mir gezogenen Richtschnur ungewollt abgewichen sein, so möge die Nachwelt mir verzeihen und mich berichtigen, wo ich es verdiene.

Alles, was ich dem Gesagten noch hinzufügen könnte, wäre überflüssig, ja bei einem Werke, das wie dieses nur zur Lektüre für wenige Personen bestimmt ist, könnte das Vorwort vielleicht ganz fortbleiben.


5-1 Nördlich von Aussig.

5-2 Nördlich von Jägerndorf.

5-3 Südwestlich von Aussig.

5-4 Südöstlich von Schweidnitz.

5-5 Östlich von Nimptsch.

5-6 Westlich von Freiburg.

5-7 Südlich von Schweidnitz.