<95> schnell räumen würde. Er hatte gerade noch Zelt, sich aufs Pferd zu werfen und schleunigst zu fliehen. 160 Gemeine und drei höhere Offiziere fielen in die Hände der Preußen. Jeder andre als Seydlitz wäre froh gewesen, sich ohne Verlust aus der Klemme gezogen zu haben. Aber Seydlitz wäre mit sich selbst unzufrieden gewesen, hätte er nicht glänzend abgeschnitten. Dies Beispiel beweist, daß die Fähigkeit und Entschlossenheit eines Generals im Kriege entscheidender ist als die Zahl der Truppen. Ein mittelmäßiger Kopf hätte unter gleichen Umständen durch das imponierende Auftreten des Feindes den Mut verloren, wäre bei ihrem Anmarsch zurückgegangen und hätte die Hälfte seiner Leute bei einem Arrieregardengefecht verloren, das die überlegene feindliche Kavallerie schnellstens angefangen hätte. Durch die geschickte Aufstellung des Dragonerregiments, das er dem Feinde im fernen Hintergrunde zeigte, gelang es Seydlitz, sich so rühmlich aus seiner gefährlichen Lage zu befreien.

Bis jetzt hatte der König die Dinge in der Schwebe lassen müssen. Er konnte nichts unternehmen und mußte alles von der Gunst der Zeit erwarten. Er blieb ruhig in Erfurt, bis er erfuhr, daß ein französisches Detachement der westfälischen Armee durch Hessen auf Langensalza marschierte. Die Ankunft dieses Korps, das ihm in den Rücken fallen konnte, durfte er nicht abwarten und beschloß daher, sich vorher zurückzuziehen. Da sich überdies das Gerücht verbreitete, Hadik zöge durch die Lausitz, um in die Mark einzufallen, so war Prinz Moritz genötigt gewesen, in Gewaltmärschen nach Torgau zu eilen, und mußte von dort wahrscheinlich bis Berlin vorrücken. Der König hatte also keinerlei Unterstützung zu erwarten. So schien ihm denn ein längeres Verweilen in Erfurt nicht ratsam. Um aber nichts zur Unzeit aufs Spiel zu setzen, zog er sich nach Eckartsberga zurück (11. Oktober). Dort erreichten ihn mehrere Kuriere aus Dresden mit der Meldung von Finck, das Marschallsche Korps sei im Begriff, Bautzen zu verlassen und Hadik zu folgen. Sicherlich war Prinz Moritz nicht stark genug, um beiden Gegnern zugleich Widerstand zu leisten. Der König entschloß sich also, ihm selbst Verstärkungen zuzuführen. So gingen denn die Truppen bei Naumburg über die Saale zurück. Feldmarschall Keith warf sich mit einigen Bataillonen nach Leipzig. Der König überschritt die Elbe bei Torgau und marschierte auf Annaburg. Dort erfuhr er: Berlin hätte sich mit einer Kontribution von 200 000 Talern von den Österreichern losgekauft1, Hadik hätte sich schon vor der Ankunft des Prinzen Moritz zurückgezogen und Marschall stände unbeweglich in seinem Lager bei Bautzen. Des Königs erster Gedanke war, Hadik den Heimweg abzuschneiden. Zu dem Zweck eilte er nach Herzberg, aber Hadik war schon nach Kottbus zurückgegangen. Da Prinz Moritz bereits auf dem Rückmarsche war, wollte der König auf ihn warten und blieb noch einige Tage in seiner Stellung, um sich über die weiteren Pläne der Franzosen


1 Der Überfall Berlins hatte am 16. Oktober 1757 stattgefunden, doch schon in der Nacht zum 17. zog Hadik wieder ab.