<64> Aber das Verbrechen, den Meineid zu sanktionieren, begingen nur einige ehrgeizige und rachsüchtige Kirchenfürsten, niemals jedoch Könige, bei denen man Treu und Redlichkeit selbst dann noch finden sollte, wenn sie vom übrigen Erdboden verschwunden wären1. Ich erwähne solche Züge nur als Beispiele für die Erbitterung, Hartnäckigkeit und Gehässigkeit, die in diesem Kriege herrschten und ihn vor allen andern auszeichnen. Indes hatten Frankreich und Österreich von den sächsischen Regimentern nicht die erwarteten Vorteile. Sie wurden um ihr Geld und um ihren Eidesdispens betrogen.

In dieser allgemeinen Gärung waren die feindlichen Truppen in ihren Winterquartieren nicht minder rührig als die Unterhändler in ihren Intrigen. Am stärksten war das preußische Korps in der Lausitz den feindlichen Unternehmungen ausgesetzt. Die Lausitz springt bei Zittau in das böhmische Gebiet vor und spitzt sich hier immer mehr zu. Die Österreicher umringten diesen Zipfel mit starken Korps, die sie in Friedland, Gabel und Rumburg postierten. An ihre Spitze stellten sie junge Offiziere, die auf eine Gelegenheit brannten, sich auszuzeichnen. So waren die Detachements denn fast den ganzen Winter im Felde. Das eine kommandierte Fürst Löwenstein, das andere der Sohn des Feldmarschalls Lacy, der sich in russischen Diensten ausgezeichnet hatte. Bald machten sie Vorstöße gegen die Stellung bei Ostritz, bald gegen die bei Hirschfelde oder Kloster Marienthal. Zwar gelang es ihnen nicht, die Preußen in ihren Stellungen zu überrumpeln, aber diese hatten doch jedesmal unnütze Verluste. Bei einem solchen Gefechte fiel Major Blumenthal2 vom Regiment Prinz Heinrich und mit ihm viele Leute, die man zu etwas Besserem hätte brauchen können. Immerfort wurde das Lestwitzsche Korps in Zittau und das des Herzogs von Bevern in Görlitz durch solche Plänkeleien ermüdet. Bald mußten sie nach dieser, bald nach jener Seite Hilfe schicken, kurz, die Unruhe und Regsamkeit der Österreicher hielt sie beständig in Atem und Bewegung. Dabei verstärkte der Feind sich in der Umgegend durch Truppen aus Flandern, die kürzlich zur Armee gestoßen waren. Das Spiel wäre auf die Dauer also ungleich geworden. Da die Preußen Verstärkungen brauchten, wenn sie sich in der Lausitz behaupten wollten, so ließ der König die Reserven heranrücken, die bisher in Pommern an der ostpreußischen Grenze gestanden hatten. Sie waren ursprünglich zur Verstärkung des Feldmarschalls Lehwaldt bestimmt, damit dieser sich leichter gegen die russische Übermacht halten konnte3. Aber die unmittelbare Gefahr ging der vor, die man erst von ferne herankommen sah. Auch war zu bedenken, daß bei allzu gleichmäßiger Verteilung der Streitkräfte auf drei Armeen keine von ihnen zu einem energischen und entscheidenden Streich stark genug war. Dagegen hatte man bei Versammlung einer großen Truppenmacht in Sachsen die Hoffnung, gleich zu Beginn des neuen Feldzugs einen bedeutenden Sieg


1 Dieser Ausspruch wird Johann II., dem Guten, König von Frankreich, zugeschrieben. Vgl. Bd. VII, S. 72.

2 Heinrich von Blumenthal († 1. Januar 1757).

3 Vgl. S. 36.