<27> Anlaß der preußischen Aushebungen in Mecklenburg. Die Vorfahren des Königs waren nach alten Familienverträgen seit undenklichen Zeiten dazu ermächtigt, aber der Herzog bestritt dieses Recht auf Anstiften des Wiener Hofes. Nun schaffte der König sich selbst sein Recht. Einige mecklenburgische Soldaten wurden aufgehoben und ein paar Amtleute, die sich der Anwerbung widersetzt hatten, festgenommen. Der Herzog schlug großen Lärm. Als er aber merkte, daß sein Zetern zu nichts führte, ließ er sich zu einem Vergleich herbei, und die Sache wurde gütlich beigelegt. Als bald darauf die Kaiserin-Königin sah, daß der Krieg zwischen England und Frankreich jeden Augenblick auszubrechen drohte, suchte sie selbst nach einem Vorwand zum Bruche mit Preußen. Zu dem Zweck überredete sie den Herzog von Mecklenburg, beim Reichstag zu Regensburg Klage zu führen. Der Wiener Hof bemühte sich, den Vorfall als Verletzung des Westfälischen Friedens hinzustellen. Er wollte den Vorwand benutzen, um Preußen den Krieg zu erklären und zugleich den Beistand der Mächte anzurufen, die den Westfälischen Frieden garantiert hatten. Wir werden späterhin sehen, daß es dem Wiener Hofe, als dieser Vorwand versagte, nicht schwer fiel, einen anderen zu finden. Die sehnsüchtig erwartete Gelegenheit ließ nicht lange auf sich warten und wurde mit Feuereifer ergriffen. Wenn Herrscher einen Bruch wollen, so lassen sie sich durch den Mangel an Rechtsgründen nicht abhalten. Sie fassen ihren Entschluß, führen den Krieg und überlassen findigen Juristen die Rechtfertigung.

Wenn wir in diesem Buche Holland bisher unerwähnt ließen, so geschah es, weil Holland seit dem Kriege von 1740, besonders seit dem Tode des Statthalters1, gar keine Rolle in Europa mehr spielte.

Es bleibt uns nur noch übrig, mit kurzen Worten eines einzig dastehenden Unglücks zu gedenken, das Portugal betraf und das Land fast zugrunde gerichtet hätte. Es war ein Erdbeben2 von solcher Heftigkeit, daß die ganze Stadt Lissabon in Trümmer sank. Häuser, Kirchen, Paläste, alles stürzte ein, wurde von der Erde verschlungen oder von den Flammen verzehrt, die aus dem Erdschoße hervorbrachen. 15 000 bis 20 000 Menschen kamen dabei ums Leben. Viele Städte und Flecken in Portugal wurden vom Erdbeben heimgesucht oder zerstört. Die Erschütterung wurde längs der Meeresküste bis an die holländische Grenze verspürt. Die Ursache der Katastrophe kann man nur der Gewalt eines unterirdischen Feuers zuschreiben. Im Erdinnern eingeschlossen, hatte es sich irgendeinen Kanal gehöhlt und gerade unter Portugal einen Schlund gebildet, durch den es auszubrechen und sich zu befreien suchte. Vielleicht wird einst an der Stelle, wo bis jetzt Lissabon lag, ein feuerspeiender Berg entstehen.

Aber wie es schien, genügten die vom Himmel gesandten Plagen noch nicht zur Heimsuchung des unglücklichen Erdballs. Bald darauf drückte die Bosheit der


1 Wilhelm IV. († 1751).

2 1. November 1755.