<23> Als der König im Herbste des Jahres 1745 in Sachsen einrückte, gab er Mardefeld vor der Schlacht von Kesselsdorf den Auftrag, Bestushew 40 000 Taler zu bieten, wenn Rußland sich nicht in den Krieg mischte. Aber nach dem Frieden zu Dresden unterließ Mardefeld aus verkehrter Sparsamkeit oder aus persönlicher Feindschaft die Auszahlung der Summe. Fortan übertrug der Großkanzler seinen Haß von Mardefeld auf alles Preußische. Um sich für seine persönliche Kränkung zu rächen, bewog Bestushew die Kaiserin zu einem Bündnis mit den Höfen von Wien und London1. Der Vertrag war für Rußland in doppelter Hinsicht vorteilhaft, erstens, weil Rußland nun im Verein mit Österreich den Unternehmungen der Pforte entgegentreten konnte, und zweitens wegen der englischen Subsidien, die von nun an nach Petersburg strömten. Bei dieser Lage der Dinge fiel der Kaiserin-Königin nicht schwer, den Abbruch aller Beziehungen zwischen Preußen und Rußland herbeizuführen. Weder die Vorsicht, die der König in seiner mißlichen Lage übte, noch sein stets gemessenes Benehmen gegenüber dem Petersburger Hofe konnten den Bruch verhindern.

Ein Mann von niedriger Herkunft namens Groß, mit der Würde eines russischen Gesandten bekleidet, war Bestushews Werkzeug zur Entzweiung der beiden Höfe. Groß hatte den Auftrag, die erste Gelegenheit zum Bruch zu ergreifen. Er benutzte den ersten sich bietenden Vorwand, um die Wünsche seines Hofes zu erfüllen. Der König gab anläßlich der Vermählung des Prinzen Heinrich mit der Prinzessin von Hessen ein Fest in Charlottenburg2. Dabei waren auch die fremden Gesandten zugegen. Der Hoffourier hatte Befehl, sie alle zur Abendtafel einzuladen. Er führte seinen Auftrag aus, konnte aber Groß nicht auffinden, da er absichtlich eine halbe Stunde vor den anderen weggefahren war. Am folgenden Tage erklärte der Gesandte, nach dem Schimpf, der der Kaiserin in seiner Person angetan sei, könne er nicht mehr bei Hofe erscheinen und warte nur auf die Rückkehr eines Kuriers aus Petersburg, der ihm weitere Verhaltungsbefehle bringen würde. Der Kurier kam an, und Groß reiste sofort heimlich aus Berlin ab, wobei ihm auf dem Wege durch die Stadt die österreichischen und englischen Legationssekretäre das Geleit gaben. Nun blieb dem König nichts übrig, als den Grafen Finck3, Mardefelds Nachfolger in Petersburg, gleichfalls abzuberufen.

Kaum wußten sich die Österreicher in Rußland der lästigen Aufsicht des preußischen Gesandten ledig, so ließen sie ihren feindseligen Gesinnungen freien Lauf. Sie schämten sich nicht der schändlichsten Lügen und Verleumdungen, um die Kaiserin Elisabeth gegen den König zu erbittern. Sie redeten ihr ein, der König habe eine Verschwörung gegen ihr Leben angezettelt, um den Prinzen Iwan4 auf den Thron


1 Petersburger Allianz vom 2. Juni 1746 mit Österreich. Englands Beitritt erfolgte 1750.

2 Die Vermählung fand Juni 1752 statt; doch hatte Groß bereits Ende November 1750 wegen einer Etikettenfrage Befehl erhalten, Berlin zu verlassen.

3 Vielmehr Konrad Heinrich Warendorff. Karl Wilhelm Graf Finck von Finckenstein (vgl. Bd. II, S. 143) war von 1747 bis 1749 Gesandter in Rußland gewesen.

4 Vgl. Bd. II, S. 5. 96.