<114> schicken. Es war zu befürchten, ja vorauszusehen, daß die Russen bei größerer Erfahrung ihre Pläne erweitern, die begangenen Fehler wieder gutmachen und bei Beginn des nächsten Feldzugs ein beträchtliches Korps über die Weichsel werfen würden, das Lehwaldt von Pommern abschneiden konnte. Man hatte allen Grund zu der Annahme, daß er, von so zahlreichen Feinden umringt, das gleiche Schicksal wie der Herzog von Cumberland erleiden werde, nur mit dem Unterschied, daß die Russen, weniger höflich als die Franzosen, ihn zwingen würden, die Waffen zu strecken.

Auf dem Kriegsschauplatz in Pommern hatten die Schweden nur deshalb Fortschritte gemacht, weil sie auf keinen Widerstand stießen. Sie waren im Besitz von Anklam, Demmin und der Peenemünder Schanze, die sie nach vierzehntägiger Belagerung erobert hatten1. Die Besatzung von Stettin bestand aus 10 Bataillonen Miliz, die von den pommerschen Ständen gestellt waren. Manteuffel2 mit seinen 4 Bataillonen war zu großen Unternehmungen nicht imstande. Ließ nun der König die Truppen da, wo sie standen, so setzte er das Heer in Ostpreußen der größten Gefahr aus und gab zugleich Pommern der Eroberung durch die Schweden preis. Er beschloß daher, seine Kräfte mehr zu konzentrieren, um mit größerer Sicherheit vorgehen zu können, und die entlegeneren Teile seiner Staaten aufzugeben, da die große Zahl der Feinde ihre wirksame Verteidigung ausschloß. Aus diesem Grunde berief er Lehwaldt mit seiner Armee von Tilsit zurück und sandte ihn nach Pommern gegen die Schweden3. Der Feldmarschall warf sie prompt aus Anklam und Demmin heraus und trieb sie bald bis unter die Kanonen von Stralsund. Aber selbst da fühlten sich die feindlichen Truppen noch nicht sicher und entflohen auf die Insel Rügen. Infolge starker Kälte fror der Meeresarm zwischen Rügen und Pommern zu. Feldmarschall Lehwaldt ließ sich bei seinem hohen Alter die günstige Gelegenheit entgehen, mit seiner Armee über das Eis nach Rügen zu setzen, wo er die Schweden gänzlich aufgerieben hätte. Ein derartiger Handstreich hätte den König wenigstens eine Zeitlang von einem Feinde befreit, der ihm eine schlimme Diversion verursachte. Aber wenn Feldmarschall Lehwaldt auch nicht alles tat, was er hätte tun können, so brachte er auf seinem kurzen Zuge immerhin 3 000 Mann schwedischer Gefangener ein. Erst im März des folgenden Jahres gelang einem zur Belagerung von Peenemünde abgesandten Detachement die Einnahme der Schanze.

Ungeheuer war die Menge der Aufgaben, die in diesem Feldzug zu bewältigen waren. Da man sich nach allen Seiten zur Wehr setzen mußte, so war ein Erfolg nur dann möglich, wenn die gleichen Truppen auf verschiedenen Kriegsschauplätzen kämpften. Prinz Ferdinand von Braunschweig hatte bei seiner Armee zu wenig Kavallerie, und doch brauchte er für das von ihm geplante Unternehmen notwendig Reiterei. Da dem König daran lag, die Franzosen aus Niedersachsen und vom Niederrhein zu


1 Am 13. September 1757 gingen die Schweden über die Peene und besetzten Anklam und Demmin. Am 23. nahmen sie die Peenemünder Schanze ein.

2 Vgl. S. 93.

3 Vgl. den Operationsplan für Lehwaldt vom 9. November 1757 im Anhang, Nr. 15.