<68> wählte Göttin1 als den geeignetsten Ort für sein Lager; von dort konnte er sowohl die Sachsen wie die Hannoveraner in Schach halten.

Die meisten Fürsten tappten noch im Dunkeln. Sie konnten nicht erraten, wie sich der Knoten lösen würde. Die Sendung des Grafen Gotter nach Wien und andrerseits der Einmarsch der preußischen Truppen in Schlesien gab ihnen ein Rätsel auf, und sie bemühten sich zu ergründen, ob Preußen der Bundesgenosse oder der Gegner der Königin von Ungarn war. Von allen Mächten Europas war Frankreich unstreitig die geeignetste, um Preußen in seinem Unternehmen beizustehen. Die Franzosen hatten so viele Ursachen zur Feindschaft gegen Österreich, daß ihr eigner Vorteil sie bestimmen mußte, für den König von Preußen Partei zu ergreifen. Der König hatte, um das Terrain zu sondieren, an den Kardinal Fleury geschrieben und die Hauptsache zwar nur leicht berührt, aber doch genug gesagt, um verstanden zu werden. Der Kardinal ging in seiner Antwort2 schon mehr mit der Sprache heraus und erklärte geradezu: „Die Bürgschaft der Pragmatischen Sanktion, welche Ludwig XV. dem verstorbenen Kaiser gegeben hätte, verbände ihn zu nichts wegen des einschränkenden Zusatzes: unbeschadet der Rechte eines Dritten; zudem hätte der verstorbene Kaiser den Hauptartikel dieses Vertrages nicht erfüllt, worin er sich anheischig gemacht hätte, Frankreich die Garantie des Reiches für den Wiener Vertrag zu verschaffen.“ Der übrige Inhalt des Briefes war eine ziemlich heftige Deklamation gegen den Ehrgeiz Englands, eine Lobrede auf Frankreich und auf die Vorteile eines Bündnisses mit ihm, nebst ausführlicher Darlegung der Gründe für die Erhebung des Kurfürsten von Bayern auf den Kaiserthron. Der König setzte den Briefwechsel fort. Er sprach dem Kardinal seinen aufrichtigen Wunsch aus, sich mit dem allerchristlichsten König zu verbinden, und versicherte ihn seiner Bereitwilligkeit, diese Unterhandlung aufs schnellste zu beenden.

Auch Schweden wollte in den bevorstehenden Unruhen eine Rolle spielen. Es war mit Frankreich verbündet und hatte auf dessen Antrieb Truppen unter dem General Buddenbrock nach Finnland geschickt. Dieses Korps erregte die Eifersucht Rußlands und beschleunigte Rußlands Bündnis mit Preußen. Freilich wäre diese Allianz fast ebensobald zerrissen, wie sie geschlossen worden war. Der König von Polen hatte den schönen Grafen Lynar3 nach Petersburg gesandt. Der Graf gefiel der mecklenburgischen Prinzessin, der Regentin von Rußland; und da die Neigungen des Herzens auf die Beschlüsse des Verstandes wirken, so war die Regentin bald mit dem König von Polen verbündet. Diese Leidenschaft hätte für Preußen ebenso verhängnisvoll werden können wie die Liebe des Paris und der schönen Helena für Troja. Aber eine Staatsumwälzung, über die wir später berichten werden, kam dem zuvor.

Die größten Feinde des Königs von Preußen waren, wie gewöhnlich, seine nächsten Nachbarn. Die Könige von Polen und England schlossen im Vertrauen auf die In-


1 Bei Brandenburg.

2 Issy, 25. Januar 1741.

3 Vgl. S. 6. 7.