<63> Sie tun wollen.“ Der König ward ungeduldig und versetzte lebhaft: „Sie finden meine Truppen schön; bald sollen Sie zugeben, daß sie auch gut sind.“ Der Marchese versuchte noch einige Vorstellungen, um die Ausführung des Vorhabens aufzuhalten. Aber der König machte ihm begreiflich, daß es zu spät sei und daß er den Rubikon schon überschritten habe.

Da das ganze Projekt auf Schlesien jetzt bekannt wurde, so verursachte die kühne Unternehmung eine sonderbare Gärung in den Gemütern. Die schwachen und furchtsamen Seelen prophezeiten den Untergang des Staates. Andere glaubten, daß der König alles auf den Zufall setze und sich Karl XII. zum Muster nehme. Das Militär hoffte auf Glück und sah Beförderungen vor sich. Die Nörgler, die es ja überall gibt, neideten dem Staate die Vergrößerungen, die er sich verschaffen konnte. Der Fürst von Anhalt war wütend, daß nicht er diesen Plan entworfen hatte und nicht das erste Werkzeug bei dessen Ausführung war. Wie Jonas prophezeite er Unheil, das aber so wenig über Preußen kam wie einst über Ninive. Der Fürst betrachtete das kaiserliche Heer als seine Wiege. Auch fühlte er sich Kaiser Karl VI. verpflichtet, da dieser seiner Gattin1, einer Apothekerstochter, den fürstlichen Rang verliehen hatte. Zudem fürchtete er die Vergrößerung des Königs, die einen Nachbarn wie den Fürsten von Anhalt zum Nichts herabdrückte. Diese Gründe des Mißvergnügens veranlaßten ihn, Mißtrauen und Schrecken in alle Gemüter zu säen. Ja womöglich hätte er den König selbst gern eingeschüchtert. Aber dessen Entschluß stand felsenfest. Die Dinge waren auch schon zu weit gediehen, als daß man noch hätte zurückweichen können. Um indessen dem übeln Eindruck zu begegnen, den die Meinung eines so großen Heerführers wie des Fürsten von Anhalt bei den Offizieren hätte machen können, hielt der König es für gut, die Offiziere der Berliner Garnison vor seiner Abreise zu sich zu berufen und ihnen die folgende Ansprache zu halten:

„Meine Herren, ich unternehme einen Krieg, für den ich keine andern Bundesgenossen habe als Ihre Tapferkeit und Ihren guten Willen. Meine Sache ist gerecht, und ich vertraue auf mein Glück. Bleiben Sie stets des Ruhmes eingedenk, den Ihre Vorfahren sich erwarben auf den Feldern von Warschau, von Fehrbellin und auf dem Zuge nach Preußen. Ihr Schicksal ruht in Ihren eignen Händen; Auszeichnungen und Belohnungen warten nur darauf, daß Sie sie durch glänzende Taten verdienen. Aber ich brauche Sie nicht erst zum Ruhme anzufeuern. Er allein steht Ihnen vor Augen, nur er ist das würdige Ziel Ihres Strebens. Wir werden Truppen angreifen, die unter dem Prinzen Eugen die Bewunderung der Welt errungen haben. Zwar ist dieser Prinz nicht mehr; aber unsere Siege werden darum nicht weniger ruhmvoll sein, da wir uns mit seinen braven Soldaten zu messen haben werden. Leben Sie wohl! Brechen Sie auf zum Rendezvous des Ruhmes, wohin ich Ihnen ungesäumt folgen werde.“


1 Anna Luise Föhse, 1701 zur Reichsfürstin erhoben.