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England hat sich seinerseits auch nicht vergessen. Gibraltar und Port-Mahon sind für ein Handelsvolk wichtige Erwerbungen1. Durch alle Arten von Handel haben sich die Engländer erstaunlich bereichert, und vielleicht ist auch das ihrer Herrschaft unterworfene Kurfürstentum Hannover nicht ohne Nutzen für sie, weil es ihnen Einfluß auf die deutschen Angelegenheiten verschafft, an denen sie früher gar keinen Anteil hatten. Man glaubt allgemein, daß die englische Nation jetzt einen Teil ihrer alten Freiheit dadurch eingebüßt habe, daß sie für Bestechungen zugänglich geworden ist. Wenigstens ist England ruhiger geworden.

Auch das Haus Savoyen hat sich nicht vergessen. Es hat Sardinien und die Königswürde erlangt2, hat ein Stück vom Herzogtum Mailand abgerissen, und die Politiker sehen in ihm einen Krebs, der an der Lombardei nagt.

Spanien hatte den Infamen Don Carlos in das Königreich Neapel eingesetzt3. Er war ein rechter Despot und behauptete sich bei seiner eigenen Schwäche nur durch den Schutz der Monarchie, mit der er blutsverwandt war und der er den Thron verdankte.

Das Haus Österreich erfreute sich solcher Fortschritte nicht. Zwar hatte der Spanische Erbfolgekrieg Kaiser Karl VI. zu einem der mächtigsten Fürsten in Europa gemacht; aber der Neid seiner Nachbarn entriß ihm bald wieder einen Teil seiner Erwerbungen, sodaß er auf das Niveau seiner Vorfahren zurücksank. Seitdem das Geschlecht Karls V. in Spanien erloschen war (1700), hatte das Haus Österreich erst Spanien verloren, das in die Hände der Bourbonen kam, sowie einen Teil von Flandern, darauf das Königreich Neapel und einen Teil der Lombardei. Es blieben Karl dem Sechsten aus Karls II.4 Erbschaft also nur ein paar Städte in Flandern und ein Teil des Herzogtums Mailand. Auch entrissen ihm die Türken Serbien und einen Teil der Walachei, welche ihnen im Frieden von Belgrad (1739) abgetreten wurden. Der einzige Gewinn des Hauses Österreich war die Entstehung eines Vorurteils, das im Reiche, in England und Holland, ja selbst in Dänemark ziemlich verbreitet ist: daß nämlich die Freiheit Europas an das Schicksal dieses Hauses geknüpft sei.

Portugal, Holland, Dänemark und Polen waren geblieben, was sie waren; sie hatten nichts gewonnen und nichts verloren.

Unter all diesen Mächten besaßen Frankreich und England ein entschiedenes Übergewicht, Frankreich durch seine Landmacht und seine großen Hilfsquellen, England durch seine Flotten und die im Handel erworbenen Reichtümer. Beide Mächte waren Nebenbuhler und eifersüchtig auf ihre Vergrößerung; sie wollten die Wage in Europa halten und betrachteten sich als die Häupter zweier Parteien, an welche die Könige und Fürsten sich anschließen mußten. Zu dem alten Hasse gegen England gesellte Frankreich noch eine gleiche Feindschaft gegen das Haus Österreich:


1 Im Frieden von Utrecht 1713 trat Spanien Gibraltar und Minorka an England ab.

2 Im Frieden von Utrecht 1713 den Königstitel und 1720 Sardinien.

3 Vgl. S. 26.

4 Karl II.,
     König von Spanien († 1700).