<208> Zeitungen überschwemmt, die das große Ereignis verherrlichten. Aber man muß bekennen, daß der Tempel Viktorias diesmal den Musentempel an Schönheit übertraf. Die Einnahme von Tournai besiegelte den Sieg der Franzosen. Die Besatzung, 4 000 Mann, hatte sich in die Zitadelle geflüchtet. Sie kapitulierte am 20. Juni unter der Bedingung, achtzehn Monate nicht gegen die Franzosen zu fechten.

Ludwig XV. verstärkte sein Heer in Flandern mit 20 000 Mann, die er von der Rheinarmee nahm. Prinz Conti erhielt deren Oberbefehl an Stelle von Maillebois, der nach Italien geschickt worden war. Eine so unzeitige Truppenverschiebung verstößt gegen alle Regeln der Politik und der Kriegskunst. Die Veranlassung dazu bedarf der Erklärung. Zum besseren Verständnis des Lesers wird es dienen, wenn wir die Gründe für diese Maßnahme entwickeln. Frankreich hatte alle Hebel seiner Politik in Bewegung gesetzt, um den Ehrgeiz des Königs von Polen auf den Kaiserthron zu erregen. Obwohl die Franzosen trotz aller Intrigen mit diesem Plane nicht durchdrangen, ließen sie sich doch nicht abschrecken. Im Gegenteil, sie fuhren fort, in Dresden zu unterhandeln. Graf Saint-Séverin hatte Frankreich am sächsischen Hofe zwar gute Dienste geleistet, war aber dem Grafen Brühl durch seine Geschicklichkeit und seinen Scharfblick unbequem, ja verhaßt geworden. Brühl hatte es durchgesetzt, daß Saint-Séverin vom Grafen Vaulgrenant abgelöst wurde. Der hielt sich selbst für schlauer als Brühl. Im Grunde waren sie es beide nicht. Immerhin gelang es dem Sachsen, Vaulgrenant bei dieser Unterhandlung zu überlisten. Brühl brachte ihm die Überzeugung bei, daß Frankreich nur dadurch zu einem vorteilhaften Frieden mit der Königin von Ungarn gelangen könnte, daß es der Kaiserwahl des Großherzogs von Toskana nicht entgegenträte und seine Armee unter dem Befehl des Prinzen Conti am Rheine untätig ließe, um so mehr, als es seine Truppen an der Schelde viel besser als am Main verwenden könnte. Der Staatsrat Ludwigs XV. tappte blind in die Falle. Er prüfte weder die Ehrlichkeit des Rates, noch fragte er sich, ob der Vorschlag zu den Verpflichtungen stimmte, die Frankreich seinen Verbündeten gegenüber eingegangen war. Die geschwächte Rheinarmee unter Conti war jetzt nicht mehr fähig, den Unternehmungen des Wiener Hofes entgegenzutreten. Der Großherzog wurde gegen Frankreichs Willen zum Kaiser gewählt. Der Friede kam nicht zustande. Ja, der Versailler Hof durfte, um sich nichts zu vergeben, nicht einmal Vorwürfe erheben.

Die der Rheinarmee entzogenen Truppen langten in Flandern just an, als das französische Heer nach der Kapitulation der Zitadelle von Tournai abmarschierte. Es teilte sich in drei Korps. Das eine nahm Stellung bei Courtrai, das zweite bei St. Ghislain, das dritte bei Condé. Vicomte du Chayla schlug eine Abteilung von 5 000 Mann unter dem Kommando des Generals Molck, die der Herzog von Cumberland detachiert hatte, um Gent zu besetzen. Die kleine Schlappe verbreitete Schrecken im Heer der Verbündeten. Es zog von Brüssel ab. Gent, Brügge, Oudenaarde, jetzt unbeschützt, ergaben sich den Franzosen. Der Feldzug endete mit der Ein-