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Die Österreicher wußten weder das Verdienst noch den Wert guter Generale zu schätzen. Sie hatten den Feldmarschall Traun entlassen, der im letzten Jahre im Elsaß wie in Böhmen sich selbst übertroffen hatte, und den Fürsten Lobkowitz an seiner Statt dem Prinzen von Lothringen zur Seite gestellt. Das Oberkommando in Italien übernahm Graf Schulenburg für den abberufenen Lobkowitz bis zur Ankunft des Fürsten von Liechtenstein, den der Hof damit betraut hatte. Schulenburg hatte Gages gegenüber nicht mehr Glück als sein Vorgänger: solche geistige Überlegenheit hatte der Spanier über die österreichischen Generale. Gages drängte seinen neuen Gegner von Novi bis Rivalta zurück, indes Don Philipp durch Cairo ins Gebiet von Montferrat eindrang, Acqui eroberte und sich mit der neapolitanischen und spanischen Armee bei Asti vereinigte. Schulenburg ging über den Tanaro und nahm Stellung an der Mündung dieses Flusses in den Po, bei einem Flecken namens Bassignana. Der Infant nahm die Gelegenheit wahr. Er ließ Tortona einschließen und rückte gegen die Österreicher vor. Sie zogen sich über den Po zurück und verbrannten und zerstörten alle Brücken hinter sich. Tortona ergab sich nebst seiner Zitadelle den Spaniern. Ein Zuzug von 8 000 Spaniern und Neapolitanern kam unter dem Duc de la Vieuxville aus der Romagna, ging durch das Großherzogtum Toskana, eroberte Piacenza nebst der Zitadelle und vertrieb die Österreicher aus dem Herzogtum Parma. Sofort geht Gages bei Parpanasso über den Po, indes der Infant Alessandria verläßt, den Tanaro überschreitet, die Österreicher am 27. September bei Bassignana angreift und den Sieg davonträgt. Dann belagert der Infant Messandria, das mit Ausnahme der Zitadelle kapituliert. Auch Valenza, Vigevano und viele andre Städte, die wir übergehen, mußten sich dem Sieger ergeben.

In dieser üblen Lage trifft Fürst Liechtenstein ein, um den Oberbefehl über ein geschlagenes, geschwächtes und mutloses Heer zu übernehmen. Wir wollen nicht erörtern, ob der Wiener Hof keine bessere Wahl im Oberkommando hätte treffen können. Soviel aber steht fest, daß der neue Oberkommandierende das geschehene Unglück nicht wieder gutmachte. Niemand hemmte den Siegeslauf der Gegner. Sie nahmen dem König von Sardinien Casale, Asti und Lodi weg. Der Infant zog als Sieger in Mailand ein und blockierte das Kastell der Stadt mit 18 000 Mann. So waren die Spanier am Ende des Feldzuges im Besitz der ganzen Lombardei, mit Ausnahme von Turin, Mantua und einigen Zitadellen, die sie eingeschlossen hielten. Ihre raschen Erfolge verdankten sie dem Feldherrntalent von Gages, zum Teil auch den genuesischen Hilfstruppen. Aber, wie schon gesagt, das Glück macht die Menschen sorglos, und so schliefen die Besieger Italiens denn auf ihren Lorbeeren ein. Zur Sicherung ihrer Winterquartiere hätten sie sich unbedingt der Zitadellen von Mailand und Alessandria bemächtigen müssen. Dazu wäre nur etwas Tatkraft nötig gewesen. Aber die Ausdauer verließ sie, als nur noch wenige Schritte zum Ziele fehlten, wo der Siegespreis des Wettlaufs winkte.