<173> Zeit gewinnen, aber die Preußen waren schon auf ihrem Gebiete. Sie protestierten und zeterten umsonst gegen ein Vorgehen, das nur den Zweck hatte, die schmachvolle Unterdrückung und Absetzung des Reichsoberhauptes zu verhüten.

Der Dresdener Hof jammerte, der Warschauer tobte, der Londoner sah, daß man ihm vorgegriffen hatte, und der Wiener erbebte. Indessen rückte der König stracks auf Pirna, wo die magdeburgischen Regimenter, die über Leipzig marschiert waren, zu ihm stießen. Ganz Sachsen war in Aufregung. Die sächsischen Truppen versammelten sich tropfenweise bei Dresden, das man in aller Eile zu befestigen suchte. Selbst die Handwerker mußten bei den Verschanzungen der Neustadt helfen. Die sächsischen Minister wollten Stolz zeigen, waren aber zugleich voller Furcht. Einerseits bewilligten sie zu viel, und andrerseits verweigerten sie hartnäckig Kleinigkeiten. Hätte der König das Land erobern wollen, so wäre das in acht Tagen geschehen. Schließlich gaben sie Lebensmittel her, liehen Schiffe zum Übersetzen über die Elbe und ließen die Proviantflotte ungestört durch Dresden fahren. Aber die Besatzung der Hauptstadt wurde verdoppelt, die Geschütze in Stellung gebracht, die Tore geschlossen und verrammelt und den preußischen Offizieren der Eintritt verwehrt. Das Benehmen der Sachsen verriet deutlich ihre Feindseligkeit. Sie waren gefährliche Nachbarn, und man mußte gewärtigen, daß sie sich alle Mißerfolge der Preußen in diesem Feldzuge zunutze machen würden. Immerhin traute man ihnen nicht zu, daß sie sich für die Königin von Ungarn völlig aufopfern würden, zumal das Korps unter dem Befehl des alten Fürsten von Anhalt ihnen ein klügeres Verhalten einflößen mußte.

Dem Einmarsche der Preußen ging ein Manifest vorauf. Es enthielt im wesentlichen eine Darstellung der Beweggründe der Frankfurter Union, die zwischen dem Kaiser, Preußen, dem Kurfürsten von der Pfalz und dem Landgrafen von Hessen zur Aufrechterhaltung der Reichsverfassung, der deutschen Freiheit und zur Beschützung des Reichsoberhauptes geschlossen war1. Zugleich wurden in Böhmen Proklamationen verteilt, worin man die Einwohner warnte, sich irgendwie gegen die Hilfstruppen des Kaisers zu vergehen, den sie fortan als ihren rechtmäßigen Herrscher zu betrachten hätten.

Am 23. August kam der König an der böhmischen Grenze an. Vier Husarenregimenter und vier Bataillone marschierten der Armee einen Tag voraus, um die nötigen Lebensmittel beizutreiben. Markgraf Karl2, der das zweite Treffen befehligte, bezog das Lager, das der König verlassen hatte. Kein Feind widersetzte sich den Operationen des Heeres. Die kleine Proviantflotte fand bei ihrem Eindringen in Böhmen zuerst Widerstand. Sie mußte den Fuß eines Felsens umfahren, auf dem das Schloß Tetschen liegt. Die feindliche Besatzung wälzte große Steine in die Elbe und legte überdies ein Pfahlwerk an, um die Durchfahrt unmöglich zu machen.


1 Am 22. Mai 1744. Der entscheidende Beweggrund, die Sicherung Schlesiens, ist im Manifeste nicht genannt.

2 Markgraf Karl von Brandenburg-Schwedt.