<172> irgend eines Heiligen zu machen. Die Kaiserin hatte Günstlinge; Bestushew wollte ihnen Nebenbuhler erwecken. In Troizkoi war ein für seine Manneskraft berühmter Archimandrit. Bestushew fand Mittel und Wege, den Mönch mit einer Kammerfrau Elisabeths zusammenzubringen. Die verriet der Kaiserin ihre prächtige Entdeckung und die fabelhaften Liebesbeweise, die der Archimandrit zu geben vermochte. Elisabeth wollte diese Wunder am eignen Leibe erfahren und ließ sich den Archimandriten vorstellen. Weder sein langer, abstoßender Bart, noch seine krausen Haare und sein Bocksgeruch schreckten sie ab. Sie gab sich ihm hin und fand, daß seine Leistungen seinen Ruf noch übertrafen. Durch diese neue Liebschaft wurde die Kaiserin ihrem Hofe entzogen, und die Staatsgeschäfte wurden verschleppt. Sie lebte und atmete nur noch in der Anbetung des neuen Herkules. Das war der Triumph des Ministers. Alsbald erging Befehl, daß alle, die mit Rußland zu verhandeln hätten, sich künftig nicht an die Kaiserin, sondern an ihren Minister wenden sollten. Bestushew verdiente dabei viel Geld, und Mardefeld bemerkte mit Kummer, daß die englischen Guineen bei dem russischen Minister stärker zu wirken begannen als die preußischen Taler. Bei allen Projekten muß man mit dem Ungefähr zufrieden sein. Das Bündnis mit Rußland war zwar nicht so, wie man es hätte wünschen können. Wenn der Krieg aber mit Nachdruck geführt wurde, so konnte der König auf seine Beendigung hoffen, bevor Rußland, das in seinen Entschlüssen langsam war, eine seinen Unternehmungen hinderliche Entscheidung getroffen hatte.

Nachstehend die allgemeine Disposition zum Einmarsch in Böhmen, der die Königin zur Rückberufung ihrer Truppen aus dem Elsaß zwingen sollte. Die preußische Hauptarmee sollte in drei Kolonnen in Böhmen einmarschieren. Die erste, unter Führung des Königs, sollte am linken Elbufer bis Prag vordringen, die zweite unter dem Befehl des Erbprinzen Leopold durch die Lausitz ziehen, die Elbe zur Rechten behalten und zur gleichen Zeit bei Prag eintreffen. Beide Kolonnen deckten die Artillerie und den Proviant für drei Monate, der auf der Elbe eingeschifft und nach Leitmeritz beordert war. Mit einer dritten Kolonne sollte Feldmarschall Schwerin aus Schlesien über Braunau in Böhmen einrücken und sich mit dem übrigen Heere zur Einschließung Prags vereinigen. Außerdem deckte der alte Fürst von Anhalt mit 17 000 Mann die Kurmark, und Marwitz sollte mit 22 000 Mann Oberschlesien verteidigen.

Der Kaiser hatte den König von Polen durch ein Requisitionsschreiben aufgefordert, den kaiserlichen Hilfstruppen aus Preußen freien Durchzug durch sein Kurfürstentum Sachsen zum Einmarsch in Böhmen zu gestatten. August III. war zu jener Zeit in Warschau. Das kaiserliche Schreiben wurde seinen Ministern, die in seiner Abwesenheit Sachsen regierten, durch Winterfeldt ausgehändigt, denselben, der die Unterhandlungen in Petersburg geführt und sich im Ersten Schlesischen Kriege so hervorgetan hatte1. Die Sachsen waren über die Anforderung verblüfft. Sie wollten


1 Vgl. S. 61. 67. 78.