<14> Ausweg bleibt, als ihm zuvorzukommen, 3. wenn eine höhere Gewalt uns niederdrückt und uns zum Bruch unsres Bündnisses zwingt, und endlich 4. wenn die Mittel zur Fortsetzung des Krieges erschöpft sind. Es ist nun einmal Schicksal, daß von dem leidigen Geld alles abhängt. Die Fürsten sind die Sklaven ihrer Mittel. Das Staatswohl ist ihr Gesetz, und zwar ein eisernes Gesetz. Ist ein Fürst verpflichtet, seine Person für seine Untertanen zu opfern, wieviel mehr muß er ihnen Bündnisse opfern, deren Fortdauer ihnen schädlich werden würde. Beispiele von solchen Vertragsbrüchen sind in der Geschichte allgemein. Ich will sie nicht alle entschuldigen, aber das behaupte ich: es gibt Fälle, wo die Not oder die Klugheit, die Überlegung oder die Wohlfahrt des Landes die Fürsten zum Vertragsbruch zwang, als ihnen kein andres Mittel blieb, den Staat vom Untergange zu retten. Hätte Franz I. den Vertrag von Madrid (1526) erfüllt, so hätte er durch Abtretung von Burgund sich einen Feind in das Herz seiner Staaten gesetzt; damit wäre Frankreich in den unglücklichen Zustand zurückgesunken, worin es sich unter Ludwig XI. und Ludwig XII. befand. Hätten die Fürsten des Schmalkaldischen Bundes nach dem Siege Karls V. bei Mühlberg1 sich nicht durch den Beitritt Frankreichs verstärkt, sie hätten unvermeidlich die Ketten tragen müssen, die der Kaiser ihnen seit langem schmiedete. Hätte England nicht das seinen Interessen so nachteilige Bündnis Karls II. mit Ludwig XIV. gebrochen2, so wäre seine eigne Machtstellung durch das Übergewicht Frankreichs im europäischen Konzert stark erschüttert worden. Der Weise, der die Folgen in den Ursachen voraussieht, muß den Ursachen, die seinem Vorteil so schroff entgegenstehen, rechtzeitig begegnen.

Ich möchte mich über diesen heiklen Gegenstand, der noch gar nicht methodisch abgehandelt worden ist, genauer auslassen. Es scheint mir klipp und klar festzustehen, daß ein Privatmann sein Wort gewissenhaft halten muß, auch wenn er es unbedachtsam verpfändet hat. Wird ihm das Wort gebrochen, so kann er Schutz bei den Gesetzen suchen, und was auch daraus entsteht, so hat doch immer nur ein einzelner zu leiden. Aber vor welchem Gericht soll ein Herrscher klagen, wenn ein andrer Fürst ihm sein Versprechen bricht? Vom Wort eines Privatmannes hängt nur das Unglück eines einzelnen ab, vom Worte der Herrscher Wohl und Wehe ganzer Völker. Die Streitfrage läßt sich so formulieren: ist es besser, wenn das Volk zugrunde geht oder wenn der Fürst seinen Vertrag bricht? Wer wäre so schwachsinnig, bei Entscheidung dieser Frage zu schwanken? Die zuvor angeführten Fälle zeigen, daß man, um über die Handlungen eines Menschen zu urteilen, vorerst reiflich erwägen muß, unter welchen Verhältnissen er sich befand, wie sich seine Bundesgenossen betrugen, welche Mittel ihm zur Erfüllung seiner Versprechungen zur Verfügung standen und welche ihm fehlten. Wie gesagt, der gute oder schlechte Zustand der Finanzen


1 24. April 1547.

2 Im Vertrag von Dover (1670) hatte sich Karl II. mit Ludwig XIV. verbündet; im Vertrag von Wien (1689) schloß sein Nachfolger, Wilhelm III., sich den Gegnern Frankreichs an.