<107> weil er ihnen eine Menge Lebensmittel verschaffte. Die Sachsen aber bekamen es in ihren Quartieren mit der Angst: überall sahen sie Feinde, wie alte Weiber Gespenster. In ihrer Furcht erschienen ihnen alle Dinge größer. Sie verlangten, man sollte ihnen die preußischen Quartiere überlassen, und dies ward ihnen bewilligt. Polastron wurde vom Marschall Broglie nach Böhmen abgerufen und verließ das Heer, sodaß jetzt kaum 30 000 Mann übrigblieben.

Durch aufgefangene Briefe aus Wien erfuhr der König, daß die Ungarn sich schon an der mährischen Grenze zusammenzogen. Es war kein Augenblick zu verlieren. Diese Miliz mußte zerstreut werden, bevor ihre Zahl zu sehr anwuchs. Den Auftrag dazu erhielt Prinz Dietrich von Anhalt. Er drang mit zehn Bataillonen, ebensoviel Schwadronen und 1 000 Husaren in Ungarn ein, eroberte drei Quartiere der Insurrektionstruppen, nahm ihnen 1 200 Mann weg und verbreitete solchen Schrecken im ganzen Königreich, daß ein Teil der Miliz auseinanderlief.

Nachdem dieser Zug so glücklich beendet war, stieß der Prinz in der Gegend von Brünn wieder zur Armee. Denn die Sachsen standen nun in Znaim, Laa, Nikolsburg und die Preußen in Pohrlitz, Austerlitz, Seelowitz und in der Gegend von Brünn. Zur Belagerung Brünns hatte man den König von Polen um schweres Geschütz ersucht. Er schlug es aus Geldmangel ab; er hatte soeben 400 000 Taler für einen großen grünen Diamanten ausgegeben. Dieser Fürst wollte wohl die Sache, weigerte sich aber, die Mittel dazu aufzuwenden. So mißlang die Unternehmung des Königs aus zahlreichen Gründen: Ségur hatte sich ergeben, ehe man ihm zu Hilfe kommen konnte; Broglie war wie gelähmt; Brühl hatte mehr Angst vor Fräulein von Kling als Interesse für Mähren, und August III. wollte wohl ein Königreich haben, sich aber nicht die Mühe geben, es zu erobern. Indessen konnten die Verbündeten ohne die Einnahme von Brünn sich nicht einmal in Mähren halten. Das schlimmste aber war, daß der König sich nicht auf die Treue der Sachsen verlassen konnte und damit rechnen mußte, daß sie ihn beim Anmarsch des Feindes im Stiche ließen. Eines schönen Tages, als man es am wenigsten vermutete, liefen alle Sachsen aus ihren Quartieren und warfen sich ungestüm auf die Standorte der Preußen: tausend österreichische Husaren hatten sie in panischen Schrecken versetzt. Sie erhielten andere Quartiere, und Brünn ward noch enger eingeschlossen.

Der Kommandant dieses Platzes, Roth, war ein kluger Kopf. Er schickte verkleidete Leute aus, um die von den Truppen besetzten Dörfer in Brand zu stecken. Alle Nächte gab es Feuerlärm. Man zählte mehr als sechzehn Flecken, Dörfer oder Weiler, die in Flammen aufgingen. Eines Tages griffen 3 000 Mann von der Brünner Besatzung das Regiment Truchseß im Dorfe Lösch an. Das Regiment verteidigte sich fünf Stunden lang mit bewundernswerter Standhaftigkeit und Tapferkeit. Das Dorf wurde verbrannt, aber die Feinde wurden zurückgetrieben: ihr Angriff blieb ohne Erfolg. General Truchseß, Oberstleutnant Varenne und einige Offiziere wurden bei dem ruhmvollen Gefecht (14. März) verwundet.