<103>Als Fürst Liechtenstein im Jahre 1735, unter König Augusts III. Regierung, durch Dresden kam, war er über den Minister und Günstling Graf Sulkowski ungehalten. Er versicherte dem Grafen Brühl, er und sein Hof würden nichts sparen, um Sulkowski zu stürzen und Brühl an dessen Stelle zu setzen, wenn er ihm das Teilungsprojekt verschaffen könnte1. Brühl beging die Treulosigkeit, den Vorschlag anzunehmen; er ließ das Schriftstück abschreiben und übergab es dem Fürsten Liechtenstein. Da sich Sachsen nun gegen das Haus Österreich erklärt hatte2, und zwar gerade vor der Ankunft des Königs, so schickte die Königin von Ungarn ein altes Fräulein von Kling nach Dresden, eine berufsmäßige Intrigantin, die an der Erziehung der Königin von Polen Anteil gehabt hatte3, und die ihren Auftrag unter dem Vorwand einer gewöhnlichen Reise verbarg, deren einziger Zweck sei, sich einer Fürstin wieder zu nähern, zu der sie so langjährige Beziehungen hatte. Kaum in Dresden angelangt, geht sie zum Grafen Brühl, nimmt ihn beiseite, zieht den Teilungsplan aus der Tasche und fragt ihn: „Kennen Sie das? Versprechen Sie mir auf der Stelle, daß die Sachsen sich aus Böhmen zurückziehen, oder ich enthülle Ihren Verrat und richte Sie zugrunde.“ Brühl versprach alles, was sie wollte. Furchtsam wie er war, wagte er nicht, seinem König mißliebig zu werden. Auch widerstrebte es ihm, die sächsischen Truppen einem Nachbar in die Hände zu geben, den er noch vor einem halben Jahre seiner Staaten hatte berauben wollen4. Ohnedies trug Brühl nur widerwillig zur Erhebung des Kurfürsten von Bayern bei, dem er die Kaiserwürde mißgönnte. Nach langen Kämpfen zwischen den verschiedensten Empfindungen trug in seinem Geiste die Furcht den Sieg davon: aus Feigheit überließ er dem König die sächsischen Truppen, fest entschlossen, sie baldmöglichst wieder zurückzuziehen.

Am Nachmittag war Konferenz beim König. Graf Brühl, Graf Moritz von Sachsen, Valory, Desalleurs5 und Graf Rutowski waren zugegen. Der König von Preußen setzte auseinander, welche Mittel ihm zur Rettung Ségurs und Bayerns als die richtigsten erschienen; er hatte eine Karte von Mähren vor sich, auf der er ihnen seinen Feldzugsplan erklärte. Seine Absicht ging dahin, die Quartiere der Österreicher von allen Seiten zu überfallen. Demzufolge sollte Broglie den Prinzen Karl von Lothringen, den Befehlshaber der feindlichen Armee, bei Frauenberg angreifen, während die Preußen und Sachsen den Feind bei Iglau in der Flanke fassen sollten. Graf Moritz wandte ein, daß der Marschall Broglie kaum 16 000 Mann bei sich hätte, und daß der Vorstoß gegen Iglau aus Mangel an Fourage und Lebensmitteln mißlingen würde. Auf den ersten Einwand war nichts zu erwidern. Den zweiten suchte der König zu entkräften. Er erklärte, daß er nach Prag gehen und mit dem Armee-Intendanten Séchelles verabreden werde, wie die Sachsen mit Lebensmitteln zu versehen seien. Mittlerweile trat der König von Polen ein. Nach einigen Höflich-


1 Vgl. S. 37.

2 Am 31. August 1741 verbündete sich Sachsen mit Frankreich und am 19. September mit Bayern (vgl. S. 84).

3 Königin Maria Josepha war eine geborene Erzherzogin.

4 Vgl. S. 68. 69.

5 Der französische Gesandte in Dresden.