<101> ist von Truppen entblößt und alles Beistandes beraubt; es muß von selbst fallen. Der Kriegsschauplatz muß nach Mähren, Österreich, ja nach Ungarn verlegt werden. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen ist eine solche Operation ebenso leicht wie sicher, und unstreitig wird sie die Königin von Ungarn zur sofortigen Annahme der Friedensbedingungen, die man ihr vorschreiben will, zwingen. Versäumt es der Kurfürst, die vorteilhaften Umstände, die sich ihm bieten, auszunutzen, so gibt er dem Feinde Zeit, seine Kräfte zu sammeln. Was heute sicher ist, kann morgen ungewiß sein. Wendet der Kurfürst sich gegen Böhmen, so gibt er seine Erblande jedem Zufall preis und bietet den Feinden eine lockende Beute dar, die sie nicht verschmähen werden. Meine Meinung ist, daß man die Römer nur in Rom fassen kann. Man verabsäume daher nicht die Gelegenheit, sich Wiens zu bemächtigen. Das ist das einzige Mittel, diesen Streit zu enden und einen ruhmvollen Frieden zu erlangen.“

Diese Denkschrift wurde gelesen und sogleich vergessen. Der Kurfürst, der gar nichts vom Kriege verstand, hielt sich durch Gründe höherer Art für verpflichtet, einen andern Plan zu befolgen. Khevenhüller benutzte diesen Fehler. Gegen Ende Dezember 1741 ging er an drei Stellen über die Enns. Ségur, statt sich mit aller seiner Macht auf eines dieser drei Korps zu werfen und sie der Reihe nach aufzureiben, zog sich nach der Stadt Enns zurück. Aber auch da glaubte er sich nicht sicher. Ein panischer Schrecken beflügelte seine Flucht. Atemlos eilte er bis Linz, wo er sich befestigte. Khevenhüller ließ ihm keine Zeit, zur Besinnung zu kommen; er drängte ungestüm nach, und die Welt erfuhr mit Staunen, daß 15 000 Österreicher zu Linz 15 000 Franzosen blockierten. So kann ein Heer allein durch die Persönlichkeit seines Führers das Übergewicht erlangen.

Der Kurfürst von Bayern, bestürzt über einen so unerwarteten Rückschlag, apellierte an die Freundschaft des Königs. Er beschwor ihn in den zärtlichsten Ausdrücken, ihn nicht im Stiche zu lassen und durch eine kräftige Diversion sein Land und seine Truppen zu retten. Er wünschte, daß die Preußen durch Mähren in Österreich eindrängen, um Ségur Luft zu machen.

Man muß sich die Stellung der Truppen kurz in Erinnerung bringen. Die Hauptarmee der Königin von Ungarn war sehr verständig aufgestellt. Sie stand mit dem Rücken gegen die Donau; der rechte Flügel war durch die Sümpfe bei Wittingau gedeckt, der linke durch die Moldau und Budweis, die Front durch Tabor. Die Verbündeten beschrieben mit ihren Truppen gleichsam einen Halbkreis um diese Quartiere. Sie mußten bei ihren Operationen also auf dem Bogen marschieren, die Österreicher aber konnten sich auf der Sehne bewegen. Außerdem deckten die österreichischen Truppen, die in ihren Quartieren eng zusammenlagen, Khevenhüllers Operationen gegen die Franzosen. Sie hatten Fühlung mit Österreich, von wo sie ihre Verpflegung und Hilfsmittel bezogen, und behielten einen Fuß in Böhmen, so-