<120>Durchdring' der Zukunft Nacht, doch blind dem Scheine
Folgt er und stolpert über Stock und Steine
Und fällt, ein Opfer blöder Zuversicht.
Er wußte mit den wunderlichen Launen
Der Könige nichts Rechtes anzufangen,
Und kein Prophet war da, ihm zuzuraunen:
Die Fährte dort ist Würger Tod gegangen!
Mit jedem Herrscher ändert sich die Welt,
Der Erbe will nach eignem Sinne schalten,
Kein Sohn, der an des Vaters Weg sich hält!
Es folgen neue Irrungen den alten!...

Wo Neid und wo Begierde Grausiges brütet,
Wo schrankenlos der wilde Aufruhr wütet,
Dort gährt's, wie sturmgepeitschter Ozean.
Des Staates Schisslein tanzt auf schwanken Wellen,
Treibt hin und her, um schließlich zu zerschellen,
Und Tote kreisen um geborstnen Kahn.
Wie kommt's, daß einem hier die Segel schwellen,
Wo Wind den andern ins Verderben blies,
Und daß, wo einer auf die Klippen stieß,
Andre gefahrlos ihrem Hafen nahten?
Klugheit ist Kunst, das Richtige zu erraten!
Das zeigt uns die Geschichte vieler Staaten ...

Man schau', was Liebeswahn zuwege bringt:
Von einer Schar der schönsten Fraun umringt,
Läßt Ludwig, kühl selbst gegen Herzoginnen,
Sich leicht von eines Wuchrers Kind umspinnen;
Er liest sie auf aus muffigem Straßenstaube,
Die Pompadour! Sie wird in seiner Hut
Ein Amboise1 in der Weiberhaube
Und Frankreichs Atlas, drauf das Volkswohl ruht.
Die sonst vielleicht den Venustempel zierte,
Ist des Bourbonensohns privilegierte
Machthaberin und lenkt Europas Los.

Wer hätt' aus Vogelfiug und Sternen bloß,
Und hätte sie den Weisesien befragt,


1 Der Kardinal Amboise war der Premierminister König Ludwigs XII. von Frankreich.