<232> von Sevilla die unumgängliche Vorbedingung. Spanien hatte bei dessen Abschluß also gut an seine Interessen gedacht, und wie man sieht, waren seine Absichten nicht so eng begrenzt, wie man hätte glauben können. Ich hatte also recht, bei der Prüfung von Spaniens Benehmen den Vertrag von Sevilla nicht mit Stillschweigen zu übergehen.

Nun habe ich noch das Verhalten des kaiserlichen Hofes darzustellen. Wie man schon bemerkt haben wird, griff man in Wien mit großem Vertrauen auf die eigenen Kräfte in die polnischen Wirren ein, obwohl man so tat, als wolle man sich garnicht einmischen1. Ebenso wird man bemerkt haben, mit welch unerträglichem Hochmut der Wiener Hof nicht allein gegen die ihm untergeordneten Fürsten, sondern auch gegen Gleichstehende auftritt. Man wird leicht erkennen, daß das Ziel seiner Politik die Aufrichtung des Despotismus und der unumschränkten Herrschaft des Hauses Österreich in Deutschland ist, ein schwieriges Unterfangen, da viele mächtige Kurfürsten sich nicht so leicht erniedrigen lassen werden. In abergläubischen Vorurteilen befangen und durch vermessenen Hochmut angespornt, hat das Haus Österreich trotzdem die deutschen Fürsten stets an sein Joch zu gewöhnen versucht. An diesem Plan arbeiten die Minister; er ist ein Erbstück des Kaiserhauses, und die ebenso unwissenden wie abergläubischen Herrscher jagen in eitlem Ehrgeiz einem Phantom nach, das sie bei der Ungerechtigkeit der Sache verabscheuen sollten.

Wir brauchen nicht erst auf die Zeiten Kaiser Ferdinands I. und Ferdinands II. zurückzugreifen, um Zeugnisse für den maßlosen Ehrgeiz des Wiener Hofes zu finden. Vier Ereignisse aus unseren Tagen werden einen hübschen Kommentar bilden.

Erstens ist hervorzuheben, daß der Kaiser ohne Vorwissen des Reiches ein Bündnis mit der Kaiserin von Rußland geschlossen hat, um August III. auf den polnischen Thron zu setzen. Der Krieg, zu dem dies Bündnis führte, mußte also vom Kaiser allein ausgefochten werden und nicht vom Reiche, das an seinen Schritten gar nicht beteiligt war. Trotzdem fand der Wiener Hof, wie man gesehen hat, durch seine Umtriebe Mittel und Wege, das Reich in den Krieg hineinzuziehen, der direkt nur die Kaiserin von Rußland anging. Darin hat Karl VI. also offenkundig gegen Artikel IV seiner Wahlkapitulation2 verstoßen.

Zweitens hat sich der Kaiser an Artikel VI dieser Kapitulation vergangen, indem er gegen die Grundgesetze des Reiches Hilfstruppen fremder Mächte nach Deutschland gerufen hat, da ihm die russische Kaiserin ein Korps von 10 000 Mann an den Rhein sandte.


1 Anmerkung des Kronprinzen: „Es ist notorisch, daß die österreichischen Minister in der ganzen Sache im Einvernehmen mit den russischen gearbeitet haben. Der Kaiser hatte ein Korps von 17 000 Mann an der polnischen Grenze stehen, und der Fürst Lubomirski war von ihm bestochen. Dieser, der sogenannte »gestiefelte Fürst« , rief die Spaltung unter denen hervor, die von Warschau nach dem Dorfe Praga gingen. Schließlich sind die russischen Truppen auf Anstiften des Kaisers in Polen eingerückt.“

2 In einer Fußnote gibt der Kronprinz Artikel IV wie auch die im folgenden erwähnten Artikel VI und X der Wahlkapitulatlon im Wortlaut wieder.