<98>scher Gleichgültigkeit da zusehen, wo alles die Bestimmung hat, ein Ende zu nehmen. Das ist das Schicksal alles Guten und alles Bösen, was den Menschen widerfährt; das ist auch das unsrige. Jeder Tag lehrt uns sterben, sowohl durch die Theile, die wir unaufhörlich verlieren, als durch unsern Schlaf, der ein Bild, ein Vorspiel des Todes ist, zu dem wir von dem Tage unsrer Empfängniß an erkoren sind.

Wenn Sie dies alle Morgen erwägen, werden Sie das Rauschen des Ruhms, die Ungeheuern Entwürfe unserer Feinde mit Gleichgültigkeit anhören, und unsere Drangsale, ja selbst unsere glücklichen Erfolge werden Ihnen armselig Vorkommen, denn in Hinsicht auf das Universum und auf alle Zeiten nimmt sich der Krieg, den wir führen, nicht besser aus, als der Krieg der Ratzen und Mäuse. Bleiben Sie also bei Ihrer philosophischen Ruhe, mein lieber Marquis; machen Sie Sich Bewegung, weil sie Ihrer Gesundheit unentbehrlich ist, und beunruhigen Sich über Nichts, was weder Sie, noch ich, noch sonst Jemand in der Welt hindern oder ändern kann. Ich halte Ihnen hier eine schöne Predigt, aus der ich mir doch auch mein Theil nehme. Sind aber unsere Leidenschaften einmal in Bewegung, so giebt unsere Philosophie nach; sie predigt, in den ersten Augenblicken tauben Ohren., und erlangt nur mit der Zeit wieder den Sieg. Ich bitte um Verzeihung, daß ich Ihnen Dinge sage, die Sie besser als ich wissen. Statt einen Brief an Sie zu schreiben, habe ich mit Ihnen geplaudert. Ich habe Ihnen mein Herz ausgeschüttet, und Sie werden mich freilich darüber ausschelten, wenn Sie der Meinung sind, daß nur die von Philosophie schwatzen können, die den Doktorhut erhalten haben. Gott befohlen, wein lieber Marquis; leben Sie glücklich und ruhig."

B.

19. Juni 1761

Die Schweden räumen Demmin.