<103> Ich habe Ihnen geschrieben, was ich von Ihrem Landsmann Gassendi denke. Ich finde in ihm vieles, was über sein Jahrhundert erhaben ist, und tadle nichts, als seine Absicht, Jesum Christum und Epikur zu vereinigen. Gassendi war ein Theologe; entweder machten die Vorurtheile seiner Erziehung oder die Furcht vor der Inquisition, daß er auf eine so seltsame Vereinigung dachte. Man sieht sogar, daß er nicht den Muth hat, den großen Galilei zu rechtfertigen. Bayle hat alle Beweise auseinander gesetzt, die Gassendi nur andeutete, und der erstere scheint mir durch seine Geschicklichkeit Gegenstände zu behandeln, und durch den richtigen Verstand, mit dem er die Folgen der Grundsätze weiter hinauszuleiten weiß, als jemals ein Philosoph vor und nach ihm, als Dialektiker den andern zu übertreffen. Gassendi's Werk über Descartes, dessen Sie erwähnen, kenne ich nicht; ich habe von diesem Philosophen nur das, was Bernier übersetzt hat. Es ist mir begreiflich, daß man schönen Spielraum vor sich sieht, wenn man die Wirbel, das Volle, die zackige Materie und die angeborenen Ideen widerlegen soll. Wären doch die Entwürfe meiner Feinde zum Feldzuge eben so lächerlich, als Descartes System! Könnte ich sie doch eben so leicht durch wichtige Argumente, nicht in barbara, sondern de facto, widerlegen!

Immer komme ich wieder auf meinen alten Ton, lieber Marquis, und ich gestehe Ihnen, daß trotz Gassendi's sämtlichen guten Räsonnements Laudon, Odonel und alle die Leute, die mich verfolgen, mir bisweilen Zerstreuungen verursacht haben, über die ich nicht Herr werden konnte.

Vergessen Sie mich nicht, mein lieber Marquis, schreiben Sie mir, wenn anders die Wege frei sind, und sein Sie ganz von meiner Freundschaft gegen Sie überzeugt. Leben Sie wohl."

21. Juli 1761

Der König von Pülzen nach Siegroth (bei Nimptsch).

22. Juli 1761

Ueber Nossen nach Stephansdorf (bei Münsterburg).