Anmerkung zum Jahre 1758.

Albert Joseph Graf von Hoditz, Kaiserl. Königl. Kämmerer, eben so berühmt durch den weit verbreiteten Ruf seines durch ihn phantastisch verschönerten Wohnsitzes Roswalde (den Sejour devin,<365> wie ihn Friedrich d. Gr. nennt) in Östreich-Schlesien (nicht in Mähren, wie Andere schreiben), und durch die vielen großen und abenteuerlichen Feste, die er daselbst mit ungeheuerm Kostenaufwand anstellte, als durch seine Verwandtschaft mit Friedrich d. Gr., und durch seinen Umgang mit diesem König, der ihm sehr gewogen war, ihn in Roswalde besuchte und mehrere Gedichte an ihn richtete, verdient es wohl, ihn näher kennen zu lernen.
     

Der Graf war am 16. Mai 1706 geboren. In seiner Jugend hatte er sich viele und mannigfache Kenntnisse erworben, und nachher durch Reisen nach Italien noch zu vermehren gesucht. Nach seiner Rückkehr verwendete er seine Zeit, seine Kenntnisse und alle seine Einkünfte darauf, Roswalde zu einem zauberischen Sitz aller Lust, und alles durch Kunst, Phantasie und geselligen Umgang erdenklichen Vergnügens umzuschaffen. Unter seinen zahlreichen Leibeigenen wurden die Fähigsten ausgesucht, und zu Musikern, Sängern, Tänzern und Schauspielern ausgebildet, andere wieder zu Handwerkern und Künstlern aller Art, welche in seinem weitläuftigen Park die erfoderlichen Gebäude und Anlagen nach seinen Ideen errichten und ausführen mußten, z. B. Häuser zu einer Liliput-Stadt, die von lauter Zwergen bevölkert war, Chinesische Gärten, Tempel, Wasserkünste, Seen und Kanäle, auf welchen Najaden ihr Spiel trieben, und Gondeln und Schiffchen sich bewegten, Theater, Grotten, Statuen und dergleichen; auch verfertigten sie die Maschinerien und die andern Apparate, welche zu den verschiedenen Festen erfoderlich waren, die in Komödien, Bällen, Concerten, Feuerwerken, Vorstellungen von Jahrmärkten, Bauerhochzeiten und Göttermahlen, Kriegs- und arkadischen Schäferscenen und dergleichen bestanden, und alle von seinen dazu einstudirten leibeigenen Unterthanen beiderlei Geschlechts, wobei auch Alte und Kinder nicht fehlten, ausgeführt wurden. Daß diese Alle in der den Vorstellungen angemessen nen Verkleidung erschienen, die nach Erfodern auch prachtvoll war, versteht sich schon von selbst.

Im Anfang des Jahres 1744 meldeten die Zeitungen von der Mährischen Grenze Folgendes: "Die von dem Reichsgrafen von Hoditz angestellten Fastnachtslustbarkeiten haben so großen Zulauf, wie<366> in irgend einer großen Stadt. Das dieserwegen von dem Herrn Grafen bekannt gemachte Reglement zeigt an, daß wöchentlich ein Ball gehalten werden soll, wobei alle Masken beiderlei Geschlechts erscheinen dürfen, jedoch behält der Adel die Freiheit, unmaskirt zu kommen. Bei den Tänzen sind gewisse Schranken zum Unterschied des Adels und der bürgerlichen Personen angewiesen 366-+. Jedem werden dabei Erfrischungen gereicht werden. Um 11 Uhr speiset der Adel, die bürgerlichen Personen aber werden in dem großen Saale aufs Beste bewirthet. Letztern ist auch freigelassen, in das Appartement des Adels zu gehen, um den vorgestellten Jahrmarkt und die spielenden Wasser zu sehen. Der Beschluß wird eine nachgeahmte Hochzeit sein. Man zählet etliche hundert vornehme Personen, die sich bei dieser Lust aus Böhmen, Mähren, Schlesien und Polen eingefunden, wobei Alle die vortreffliche Anordnung und Properte nicht genug bewundern können.

Viele sind selbst in dem hochgräflichen Schlosse logirt, welches so geräumig ist, daß bis hundert möblirte Zimmer darin sind. Man glaubt, es werden immer noch mehr Fremde ankommen. etc."

Hiernach wird man sich leicht einen Begriff von den ungeheuern Kosten machen können, die ein solcher Aufwand erfoderte, denn nicht allein zur Carnevalszeit, sondern auch außerdem fanden dergleichen Feste sehr oft Statt. Die Folgen konnten auch nicht ausbleiben; die Finanzen des vergnügungssüchtigen Grafen kamen endlich in so große Unordnung, daß er in seinen spätern Jahren mit vielen Sorgen zu kämpfen hatte. Der König entriß ihn denselben, und trug ihm an, zu ihm nach Potsdam zu kommen, wo er seine Tage sorgenfrei verleben könne. Dem Grafen war dies sehr willkommen, da er aber wegen Gebrechlichkeit des Alters die ganze Reise nicht füglich zu Lande machen konnte, so ließ der gutmüthige König ein Oderschiff überbauen, ein Paar kleine Zimmer darauf einrichten und mit vielen Bequemlichkeiten versehen, daß der Graf also nur den kleinsten Theil seiner Reise zu Wagen zu machen nöthig hatte, und dann sich einschiffen<367> konnte. So kam er denn in seinem siebzigsten Lebensjahr am 24. April 1776 wohlbehalten in Potsdam an. Hier lebte er nun heiter und sehr zufrieden, und starb am 18. März 1778. Er hatte in der letzten Zeit seine Wohnung in Potsdam in der Jägerstraße, zwischen der Pflugstraße und dem Kanal gehabt; auf Befehl des Königs erhielt dieser Theil der Jägerstraße im Jahr 1784 den Namen: Hoditzstraße, den sie auch noch jetzt hat.

Der Graf hatte sich in seinem 28. Jahre am 14. Juli 1734 mit der Wittwe George Wilhelm's, Markgrafen von Baireuth, Sophie, einer Tochter des Herzogs Johann Adolph von Sachsen-Weißenfels, vermählt. Sie war vorher zur katholischen Religion übergegangen, und stand bereits in ihrem 55. Jahre, als sie diese Verbindung schloß. Sie soll eine äußerst geistreiche Dame gewesen sein, und dieses scheint auch den Grafen gefesselt zu haben, denn Reichthümer hat sie wohl nicht besessen, da sie vom Wiener Hofe eine Pension angenommen hatte 367-+. Sie starb im Jahre 1750.

Als der König im Jahre 1770 nach Mähren reiste, wo er zu Neustadt mit dem Kaiser Joseph die bekannte Zusammenkunft hatte, machte er auch am 2. und 3. Septbr. in Roswalde dem Grafen einen Besuch, der ihm (wie der König an Voltaire schrieb) "die galantesten Feten von der Welt" gab. Daß der König früher schon einmal dort gewesen, wollen wir nicht bestreiten, doch ist es gewiß nicht bei'm Rückmarsch des Königs von Olmütz geschehen, und ganz unglaublich, daß der König während des Krieges auf dem Gute eines Kaiserlichen Kammerherrn, incognito, ohne alle Bedeckung und von seinen Truppen entfernt, aus bloßer Neugier einen Besuch machen, und unter dem Namen eines herumschweifenden Officiers (vague Officier) Aufnahme suchen werde, wie Thiebault a. a. O. erzählt. In welche Verlegenheit konnte der König kommen, wenn er erkannt wurde, und sein Wirth gut Östreichisch gesinnt war. Nach Thiebault's Erzählung, die sich übrigens recht angenehm lesen läßt, wurde der König von Hoditz auch wirklich erkannt, indeß, dieser war gut Preußisch gesinnt.<368> Die Unzuverlässigkeit Thiébault's, und die vielen Unrichtigkeiten in seinem Buche über Friedrich d. Gr. sind bekannt, es ist also auch Allem, was er hier von Hoditz und dem König erzählt, wenig Glauben zu schenken.

Im März des folgenden Jahres (1771) erwiederte der Graf von Hoditz den Besuch, und kam nach Potsdam, wo er bis Anfangs April verweilte. Um diese Zeit, den 26. März, war es, wo der König das Gedicht an ihn richtete, darin er sagt:

"Es ist wohl schön, dem Throne sich zu nah'n,
Doch schöner noch sein eigner Herr zu sein."

Eine Beschreibung der Herrlichkeiten, Sehenswürdigkeiten und wunderlichen Verschönerungen, zu denen auch die Kuhställe, Krippen, Milchkannen und Butterfässer gehören, findet man in dem Buche: Schattenrisse der Annehmlichkeiten von Roswalde. Aus dem Lateinischen des Herrn Hofrath Tralles. Breslau, 1776. 192 S. 8.


366-+ Dieser Unterschied hatte in damaliger Zeit nichts Auffallendes, er fand selbst in Berlin Statt. Siehe 1. Abthl. S. 104 Note.

367-+ Siehe Moser's Mannigfaltigkeiten I. 86.