Oktober.

A.

7. Oktober 1758

Der König in Bautzen. Lager bei Kittlitz.

10. Oktober 1758

In Radewitz. Lager bei Hochkirch.

In diesen Tagen schrieb der König die Epistel an seine kranke Schwester, die Markgräfin von Baireuth, Friederike Sophie Wilhelmine. (Hinterl. Werke VI. 235).

"Zu allen Zeiten, theure Schwester, wird
Der Geist der schwachen, stumpfen Menschen schwer
Von seiner Sinne Joch bedrückt, und seufzt. etc. ist ein Stück von Racine, worin am Schluß fast alle spielenden Personen umgebracht werden.<352> Wenn bis zum Himmel meine Stimme dringt -
Erhört des liebevollen Herzens Wunsch;
Er ist so heiß! - Verleihet mir voll Huld
Das Eine Gut, um das ich je euch bat,
Und bitten will: Das theure Leben schützt
Dem schönsten Werke, das ihr jemals schuft!
Laßt blühende Gesundheit mit ihr geh'n,
Und immer gleiches Glück ihr Erbtheil sein. etc."

12. Oktober 1758

Schickt der König diese Epistel mit nachstehendem Schreiben an seine Schwester von Baireuth:

"Meine theuerste Schwester! Nehmen Sie die Verse, die ich Ihnen schicke, mit Gütigkeit an. Ich bin von Ihnen, von Ihrer Gefahr und meiner Erkenntlichkeit so voll, daß Ihr Bild, ich mag träumen oder wachen, Prosa oder Verse schreiben, immer gleich stark in meiner Seele herrscht, und alle meine Gedanken fesselt. Möchte der Himmel die Wünsche erhören, die ich täglich für Ihre Genesung thue. Kothenius (Leibarzt des Königs) ist unterweges. Ich werde ihn vergöttern, wenn er die Person rettet, die mir in der Welt am meisten am Herzen liegt, und die ich hochachte und verehre. Ich bin bis zu dem Augenblick, da ich meinen Leib den Elementen wieder geben werde, meine theuerste Schwester, Ihr etc."

An demselben Tag ging der König nach Weissenberg, die Stellung der Östreicher zu recognosciren, und zurück nach Radewitz.

14. Oktober 1758

Schlacht bei Hochkirch. Früh um 5 Uhr wurden die Preußen in ihrem Lager von den Östreichern unter Daun und Laudon überfallen. Obgleich die Preußen in ihren Zelten und unangekleidet überrascht und mit großer Übermacht angegriffen wurden, so sammelten sie sich doch bald unter ihren Fahnen, und kämpften mit großer Tapferkeit über 3 Stunden, aber die Übermacht war zu groß, sie mußten nach 8 Uhr den Rückzug antreten, der mit so großer Ordnung vollführt<353> wurde, daß der Feind nicht wagte, ihn zu stören. Die Östreicher hatten eine Macht von 90000 Mann versammelt, von denen 65000 dem Lager des Königs unmittelbar bei Kittlitz gegenüber standen. Die Preußen hatten überhaupt nur 42000 Mann, wovon anfänglich noch das Retzowsche Corps von 12000 Mann abging, das sich erst gegen Ende des Gefechts, wo man schon auf den Rückzug bedacht war, mit der Armee des König vereinigen konnte. Die Preußische Armee setzte sich bei Kreckwitz und Doberschütz, wo der König das Hauptquartier nahm. Der Verlust der Preußen war groß; sie verloren an Tobten und Vermißten oder Gefangenen 119 Officiere, 5381 Mann, 3470 Blessirte, überhaupt 246 Officiere, 8851 Mann, an Geschütz 101, darunter 52 schwere Kanonen, auch 28 Fahnen, 2 Standarten und den größten Theil der Zelte. Unter den Todten befanden sich der Feldmarschall von Keith 353-+, und der Prinz Franz von Braunschweig, Bruder der Königin. An ihren Wunden starben der Fürst Moritz von Dessau, uud die Generale von Krockow und von Geist.

Der Östreichische Verlust war ebenfalls beträchtlich; nach ihren eigenen Verlustlisten hatten sie an Todten und Verwundeten: 314 Officiere, darunter 5 Generale, und 5314 Gemeine, ohne die Vermißten. Außerdem waren 11 Officiere, darunter 1 General, und 300 Mann gefangen. Sie wagten auch nicht weiter etwas gegen die geschlagene Armee zu unternehmen. Der König sagte den Tag nachher: "Daun hat uns aus dem Schach gelassen, das Spiel ist nicht verloren; wir werden uns hier einige Tage erholen, alsdann nach Schlesien gehen und Neisse befreien."

Eine umständliche, besonders für Nichtmilitärs, sehr interessante Erzählung von diesem Überfall findet man in:<354> Küster's (damaligen Staabs-Feldpredigers) Bruchstücke seines Campagnelebens etc. Berlin, 1791.

An demselben Tage bestellte der König den Herrn von Catt zu sich. Dieser ging - wie er erzählt - mit großer Unruhe und Beängstigung Nachmittags gegen 3 Uhr zu ihm. Als ihn der König sah, kam er ihm entgegen, und deklamirte die Verse aus Mithridat (mit einigen Veränderungen, deren sich Catt nicht mehr erinnerte):

Enfin après un an, tu me revois Arbate
Non plus, oomme autre fois, cet heureux Mithridate
Qui de Rome toujours balançant les destin
Tenait entre elle et moi l'univers incertain.
Je suis vaincu; Pompée a saisi l'avantage
D'une nuit que laissait peu de place au courage;
Mes soldats presque nus, dans l'ombre intimidés;
Les rangs de toutes parts mal pris et mal gardés;
Le désorde partout redoublant les alarmes
Nous-mêmes contre nous tournant nos propres armes
Les cris que les rochers renvouaient plus affreux,
Enfin toute l'horreur d'un combat ténébreux.
Que pouvait la valeur dans ce trouble funeste?
Les uns sont morts, la fuit a sauvé tout le rest.

von Catt fühlte sich sehr beruhigt, als er sich in Versen angeredet sah, und der König nachher auch mit vieler Ruhe über das unglückliche Ereigniß sprach; dabei bedauerte er aber sehr den Verlust des Feldmarschalls Keith und des Prinzen von Braunschweig, und vergoß Thränen über ihren Tod 354-+.

<355>

16. Oktober 1758

Erhält der König die traurige Nachricht von dem Tode seiner geliebtesten Schwester, der Markgräfin von Baireuth. Sie war an demselben Tage gestorben, an welchem der König die unglückliche Schlacht bei Hochkirch lieferte, und hatte also die obige Epistel und den Brief des Königs nicht mehr erhalten, von Catt, der um diese Zeit sehr oft bei'm König war, sagt: der Schmerz des Königs, als er die Trauerpost erhalten, war außerordentlich; mehrere Stunden - von Nachmittags 3 bis Abends 7 Uhr - wo von Catt bei ihm war, unterhielt sich der König mit ihm von Nichts, als von diesem für ihn so betrübenden Todesfall. Die Fensterladen in seinem Zimmer waren fast ganz geschlossen, und er brachte die Tage in der Dunkelheit zu. Er las allein und mit leiser Stimme, wider seine Gewohnheit, die Predigten von Bossuet, Flechier, Mascaron, und Joung's Nachtgedanken (die er sich von Catt geben ließ). Noch während der Winterquartiere in Breslau (Jan. od. Feb. 1759) setzte der König diese schwermüthige Lecture fort. Hier war es, wo Catt, als er den König wieder bei diesen Schriften fand, ihn, um ihn aufzuheitern, halb scherzend fragte: "Wollen Ew. Majestät sich ganz der Andacht ergeben?" worauf der König Nichts antwortete, aber einige Tage nachher, als von Catt wieder zu ihm kam, sagte er zu ihm: "Sie sind über meine Lecture erstaunt gewe<356>sen - hier haben Sie, was sie hervorgebracht hat." Dabei übergab er ihm eine auf Trauerpapier (schwarzgerändetes) geschriebene Schrift, welche eine Predigt über das letzte Gericht (Sermon sur le jugement dernier) und eine Lobrede auf den Schuhmachermeister Matth. Reinhard (Eloge de Matthieu Regnaud maître cordonnier) enthielt 356-+. Wie ein Anderer - der General von Retzow - (Charakteristik der wichtigsten Ereignisse des siebenjährigen Krieges I. 363) noch aus Catt's Munde gehört haben will, so hat dieser, nachdem er die Predigt gelesen, versucht, dem Könige Trost und Muth einzusprechen, und ihn auf frohere Aussichten zu führen, worauf ihm der König für seine Theilnahme gedankt und versichert habe, daß er nichts verabsäumen werde, um sich aus dem verworrenen Handel zu ziehen, in den er sich verwickelt sähe, und mit den bedeutenden Worten geschlossen habe: auf allen Fall führe ich etwas bei mir, um das Trauerspiel zu endigen.

Wie groß des Königs Schmerz damals gewesen, geht auch daraus hervor, daß er noch im Jahr 1763 zu d'Alembert sagte: der Tag, wo er die Nachricht von dem Tode seiner Schwester erhalten, sei der schrecklichste in seinem Leben gewesen, und er wisse nicht, wie er Kraft genug gehabt, zwei so grausamen Schlägen zu widerstehen, mit denen ihn das Schicksal auf einmal getroffen habe. (Eloge de Milord Maréchal par d'Alembert. 1779. p. 80).

<357>

Im Garten zu Sanssouci hat der König einen offenen Tempel (Tempel der Freundschaft) von karrarischem Marmor erbauen und darin die Statue dieser seiner Schwester - in lebensgroßer, sitzender Stellung - ebenfalls von karrarischem Marmor aufstellen lassen. (Nicolai III. 1229).

An die Frau von Camas schrieb der König über den Tod seiner Schwester: - etc. "Es ist ein Verlust für alle rechtliche Menschen, denn meine Schwester war eine wahrhaft tugendhafte Person. Ich habe längst gewußt, daß die Menschen sterblich sind, - ich bin Zeuge gewesen, daß ihre Gesundheit immer mehr abnahm, aber das hindert nicht, daß ich aufs Lebhafteste den Verlust einer Schwester fühlen sollte, die mir der Tod gleichsam aus meinen Armen reißt. Die Natur, - eine zärtliche Freundschaft, eine aufrichtige Hochachtung, - alle diese Gefühle fodern ihre Rechte, und ich fühle, meine liebe Mama, daß ich mehr empfindlich als über-legend bin. Meine Thränen, mein Bedauern sind unnütz, ich weiß es, aber ich kann sie nicht unterdrücken."

In diesem Monat, oder in den ersten Tagen des Novembers, schreibt der König an Voltaire: "Von der Größe des Verlustes, den ich erlitten, haben Sie leicht auf meine Vetrübniß schließen können. Es giebt Unglücksfälle denen man durch Standhaftigkeit und etwas Muth abhelfen kann, aber es ereignen sich auch andere, gegen welche alle Starkmüthigkeit, womit man sich waffnen will, und alle Trostgründe der Philosophie nur leidige und unnütze Hülfsmittel sind. Zu dieser Art gehören die, womit mein unglückliches Schicksal mich in den mißlichsten und geschäftsvollsten Augenblicken meines Lebens zu Boden drückt. Ich bin nicht krank gewesen, wie man Ihnen gesagt hat, meine Leiden bestehen bloß in Hämorrhoidalkoliken, die zuweilen von Steinschmerzen begleitet werden. Wenn es auf mich angekommen wäre, so hätt' ich mich gern dem Tode geweiht, welchen Zufälle dieser Art über kurz oder lang verursachen, um dadurch derjenigen das Leben<358> zu retten und zu verlängern, die nun nicht mehr unter den Sterblichen wandelt. Lassen Sie ihr Andenken niemals erlöschen, und nehmen Sie, ich bitte Sie darum, alle Ihre Kräfte zusammen, um ihrem Ruhm ein Denkmal zu errichten. Sie brauchen ihr nur Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, und werden, ohne von der Wahrheit abzuweichen, den reichhaltigsten und schönsten Stoff dazu finden. Ich wünsche Ihnen mehr Ruhe und mehr Glück als ich habe."

Voltaire sandte noch im Novbr. ein Gedicht: "Auf den Tod J. K. H. der Markgräfin von Baireuth" ein, das aber dem Könige nicht ganz genügte.

24. Oktober 1758

Der König in Ullersdorf.

25. Oktober 1758

oder 26. In Görlitz. Hier logirte der König zuerst im Brehmer Brauhofe, bei der Petrikirche, nachher in des verstorbenen berühmten Rectors Baumeister Garten, und der Prinz Heinrich im Modrachschen Garten358-+. Bricht der König von Görlitz auf und geht über Niederschönborn, Schönborn, Pfaffendorf und Lichtenau nach Lauban, wo den 31sten Ruhetag ist.

B.

Die Festung Kolberg wird von dem Russischen General Palmbach zur Übergabe aufgefodert. Der Preußische Major von der Heyde schlägt es ab.

<359>

3. Oktober 1757

Die Östreicher vor Neisse.

4. Oktober 1757

Die Russen besetzen die Mündervorstadt von Kolberg und werfen einige Bomben in die Stadt. Der Commandant wird nochmals aufgefodert.

4. Oktober 1757

Treffen bei Lutterberg. Soubise schlägt den General Oberg.

5. Oktober 1757

Die Schweden verlassen Anklam und Demin.

6. Oktober 1757

Fangen die Russen das eig. Bombardement von Kolberg an.

11. Oktober 1757

Da das Bombardement die Übergabe nicht bewirkt hatte, so war noch ein Corps Russen von 6000 Mann von dem General Fermer nachgesandt worden, und nun die förmliche Belagerung angefangen.

14. Oktober 1757

Stirbt die Markgräfin von Baireuth, des Königs Schwester.

18. Oktober 1757

Die Schweden besetzen Anklam und Demmin auf's Neue.

26. Oktober 1757

General Harsch eröffnet die Laufgräben gegen Neisse, und läßt es beschießen.

29. Oktober 1757 bis 30. Oktober 1757

In der Nacht heben die Russen die Belagerung Kolberg's auf, marschiren nach Cöslin, doch bleibt noch ein Theil des Belagerungscorps vor der Festung.

31. Oktober 1757

Die Russen kehren zurück und beginnen die Belagerung von Neuem.


353-+ Über Keith s. S. 149.

354-+ In den Zwickauer Erinnerungsblättern von 1814, S. 451 und 1816, S. 734 wird Nachstehendes erzählt, und dabei bemerkt, daß die Wahrheit des Vorfalls verbürgt werden könne.
      Einen Tag nach dem Überfall ritt der König mit geringer Begleitung aus, um in der Nähe des Schlachtfeldes eine zur Sammlung des Heeres bequeme Stellung auszusuchen. In der Gegend der Schenke (nach Andern der Schmiede) des Dorfes Wurschen, wurde unvermuthet sein Pferd durch einen feindlichen Schuß getödtet, und der König sogleich herabgestürzt. In demselben Augenblick sprengte auch ein Haufe Ungarischer Reiter auf den König zu, und würde ihn unfehlbar gefangen genommen haben, wenn nicht ein Husar vom Regiment Zieten, Namens Thräne, sogleich von seinem Pferde gesprungen wäre, und es dem König gegeben hätte. Kaum war dies geschehen, als ihm auch schon ein Ungar so nahe war, daß der Husar ihn vom Pferde hieb, sich auf dasselbe schwang, und so sich und den König rettete.

356-+ Diese Eloge ist gedruckt und steht in: Supplement III. 251 de Oeuv. posth., und Deutsch im 3. Band der in Köln 1789 erschienenen Supplemente zu den hinterl. Werk. S. 225. Nach Grimm et Diderot Correspondance littéraire III. 34 soll sie der König erst im Lager zu Landshut, also im April oder Mai geschrieben haben. Wir mögen nicht entscheiden, ob Catt oder Grimm etc. im Irrthum ist. Letzterer nennt die Eloge etc. eine Posse (facétie). Unter andern Umständen und in einer glücklichen Zeit geschrieben, möchte sie allenfalls dafür gelten, aber in jener Unglücksperiode kann sie eben sowohl das Erzeugniß ernsterer Stimmung sein.

358-+ Es sind zwar zwei Schreiben des Königs an den General von Wedel vorhanden, welche aus Doberschütz und Bautzen den 25. datirt sind, dies ist aber wohl unstreitig ein Schreib- oder Druckfehler, denn, da der König von Doberschütz mit seiner Armee über Diesa und Ullersdorf nach Görlitz ging, so kann er schwerlich um diese Zeit in Bautzen gewesen sein. Auch heißt es in der von dem Generalstab herausgegebenen Geschichte des siebenjährigen Krieges II. 342: "Den 24. langte alles im Lager bei Diess (Ullersdorf) an, den 26. setzte der König seinen Marsch nach Görlitz fort." Der König sagt auch in diesem Schreiben, den 25., er habe dem Feinde zwei Märsche seit gestern abgewonnen etc. Da mußte er also doch wohl weiter als Doberschütz und Bautzen sein.