Mai 1740.

31. Mai 1740

Der König, Friedrich Wilhelm I., entsagt in Potsdam auf seinem Sterbelager der Regierung am Dienstag, den 31. Mai früh um 5 Uhr und übergiebt sie seinem Sohn, dem Kronprinzen Friedrich, welcher Freitags vorher (d. 27. Mai) Abends von Rheinsberg in Potsdam angekommen war 1) 10-++. Ehe aber die Entsagungs-Akte ausgefertigt werden konnte, starb Friedrich Wilhelm an demselben Tag Nachmittag gegen 3 Uhr. Der neue König, Friedrich II., ging hierauf nach Berlin, wo er Abends um 10 Uhr ankam und im Palais (dem jetzigen Königlichen) abstieg. Bald nachher traf auch die Königin Mutter von Potsdam in Berlin ein.

Juni.

1. Juni 1740

Friedrich geht von Berlin nach Charlottenburg Abends 5 Uhr. Um 6 Uhr kam seine Gemalin die nunmehr regierende Königin, von Rheinsberg in Berlin an und speiste bei der Königin Mutter.

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2. Juni 1740

Die Staatsminister leisten dem König in Charlottenburg den Eid, wobei er ihnen erklärt, daß sie mit eben so vieler Sorgfalt für das Beste der Unterthanen, wie für sein eigenes wachen sollen und daß er von keinem Unterschied zwischen seinem Vortheil und dem des Landes wissen wolle, ja, daß des Landes Vortheil den Vorzug vor seinem eigenen besondern Vortheil haben müsse.

2. Juni 1740

An demselben Tage läßt er die Kornmagazine öffnen und, der allgemeinen Theurung wegen, Getraide zu wohlfeilen Preisen verkaufen.

3. Juni 1740

Kabinetsschreiben an Duhan 2).

"Herr Duhan, ich habe Ihren Brief erhalten und, um darauf zu antworten sage ich Ihnen, daß Sie hieher kommen können, wenn Sie da, wo Sie sind, Ihren Abschied bekommen haben etc. (Eigenhändig). Mein Schicksal hat sich geändert. Ich erwarte Sie mit Ungeduld. Lassen Sie mich nicht lange schmachten!"

3. Juni 1740

Denselben Tag schreibt der König an Algarotti, und ladet ihn ein: zu ihm zu kommen.

5. Juni 1740

Sonntag. Von Charlottenburg nach Berlin, steigt im Palais ab, geht von da zu Fuß und in schwarzer Kleidung nach der Domkirche, dann auf die Parade und nach dem Palais zurück. Die Königin, seine Gemalin, speist bei ihm 3). Nachmittag fuhr der König in einer violet ausgeschlagenen Kutsche nach der Petrikirche, wo er die Predigt des Probst's Reinbeck hörte. Hierauf kehrte er nach Charlottenburg zurück.

6. Juni 1740

Schreibt er an den Probst Reinbeck und trägt ihm auf, daß er sich Mühe geben solle, den (unter der vorigen Regierung aus den preußischen Staaten vertriebenen) Philosophen Wolf zu bereden, daß er in des Königs Dienste treten möge.

6. Juni 1740

Schreiben an Voltaire 4).

"Mein theurer Freund, mein Loos hat sich geändert, ich bin bei den letzten Stunden, dem Todeskampf und dem Sterben eines Königs zugegen gewesen.

In der That brauchte ich bei meinem Regierungsan<12>tritt dieser Lektion nicht, um Ekel vor der Eitelkeit und der menschlichen Größe zu bekommen etc. Halten Sie mich, ich bitte Sie, für weiter nichts als einen etwas skeptischen Philosophen, aber für einen wahren und treuen Freund! Um des Himmels willen, schreiben Sie an mich wie an einen Menschen und verachten Sie mit mir Titel, Namen und äußern Glanz etc. Bis jetzt bleibt mir kaum so viel Zeit übrig, daß ich zu mir selber kommen kann. Ich habe unendlich viel Geschäfte und mache mir noch mehr dazu, aber ungeachtet aller dieser Arbeit fehlt es mir doch immer nicht an Zeit Ihre Werke zu bewundern, um bei ihrem Unterricht Erholung zu suchen."

7. Juni 1740

Von Charlottenburg früh um 3 Uhr nach Ruppin und Rheinsberg.

11. Juni 1740

In Charlottenburg. In diesen Tagen (vom 13-19ten) erklärte sich Friedrich öffentlich für einen Freimaurer und hielt in Charlottenburg eine Loge, wozu Bielfeld 5) die Zurüstungen gemacht hatte. Es wurden in derselben aufgenommen der Prinz August Wilhelm, Bruder des Königs, der Markgraf Karl und der Prinz von Holstein.

12. Juni 1740

Von Charlottenburg nach Berlin, wo er dem Gottesdienst in der Petrikirche beiwohnte und Abends nach Charlottenburg zurückkehrte.

12. Juni 1740

Der König ertheilt dem Oberstallmeister von Schwerin den schwarzen Adlerorden.

14. Juni 1740

Schreibt an Suhm 6):

"Ihr Brief ist nicht an seine Adresse abgegeben worden. Bevor er eintraf, hatte sich meine Lage geändert; allein das Äußere ändert nicht das Innere und der Titel nicht meine Denkart. Ich kann Ihnen daher jetzt mit Bestimmtheit sagen, daß es von Niemandem weiter als von Ihnen abhängt, mir auf immer zuzugehören, und daß ich Ihren Entschluß erwarte, um zu wissen, wie und auf welchem Fuß Sie es wollen. In der Trauer, worin ich mich wegen des Todes meines Vaters befinde, würde<13> es mir zum großen Trost gereichen, einen Freund um mich zu haben, den ich liebe und schätze etc. Suchen Sie doch den großen Algebraisten Euler zu bereden, daß er in meine Dienste trete, und bringen Sie ihn mit, wenn es irgend möglich ist; ich will ihm 1000 oder 1200 Thlr. Gehalt geben."

16. Juni 1740

In Berlin, wo er der Taufe des Sohnes, des Barons von Haake als Pathe beiwohnt.

19. Juni 1740

Hält in Berlin Musterung über einige Regimenter, wobei er, wie die öffentlichen Blätter anführten, zu Pferde in der gewöhnlichen Montur mit schwarzen Unterkleidern und weißen Stiefeletten erschien.

?? Juni 1740

Nach Charlottenburg.

21. Juni 1740

Von Charlottenburg nach Potsdam.

22. Juni 1740

In Potsdam bei dem feierlichen Leichenbegängniß seines Vaters, dann nach Charlottenburg zurück.

23. Juni 1740

Nach Berlin.

?? Juni 1740

Nach Charlottenburg.

25. Juni 1740

Von Charlottenburg nach Spandau, wo er den Feuerschaden besieht, dann nach Charlottenburg zurück.

27. Juni 1740

An Voltaire:

"Seit dem Tode meines Vaters glaube ich ganz meinem Lande zu gehören, und bei dieser Gesinnung habe ich nach allen meinen Kräften gearbeitet und so schleunig als möglich Anstalten zum allgemeinen Besten getroffen. Fürs Erste habe ich die Macht des Staats mit 15 Bataillonen, 5 Escadronen Husaren und 1 Escadron Garde du Corps vermehrt und den Grund zu unserer neuen Akademie gelegt; Wolf, Maupertuis, Vauconson und Algarotti habe ich schon, von S'Gravesand und Euler erwarte ich Antwort. Ich habe ein neues Handlungs- und Manufaktur-Departement etablirt und engagire jetzt Maler, Bildhauer und dergl. Ich stehe um 4 Uhr auf, trinke bis 8 Uhr den Brunnen, schreibe bis 10, lasse bis Mittag die Regimenter exerciren, schreibe wieder bis 5 Uhr und erhole mich Abends<14> in guter Gesellschaft etc. Ums Himmels willen, kaufen Sie die ganze Auflage von dem Antimachiavell auf" etc.

28. Juni 1740 und 29. Juni 1740

In Berlin Musterung der Garnison.

30. Juni 1740

In Charlottenburg. Hier mustert er das Cadettencorps und läßt es im Orangeriehause speisen.

B.

3. Juni 1740

Kabinetsordre wegen Aufhebung der Tortur 7). Da diese merkwürdige Kabinetsordre nicht im Mylius steht, auch in Hymnens Beiträgen nur angezeigt ist, so theilen wir sie hier mit. Sie steht in der kleinen Schrift: Beitrag zur peinlichen Gesetzgebung. Leipzig 1785.

"Se. Königl. Majestät in Preußen, unser allergnädigster Herr haben aus bewegenden Ursachen resolviret, in dero Landen bei den Inquisitionen die Tortur gänzlich abzuschaffen, außer bei dem Crimen laese majestatis und Landesverrätherei, auch den großen Mordthaten, wo viele Menschen ums Leben gebracht oder viele Deliquenten, deren Connexion herauszubringen nöthig, implicirt sind. Hingegen sollen in allen übrigen Fällen, wenn die Deliquenten die stärksten und sonnenklarsten Indicia und Beweise durch viele unverdächtige Zeugen und dergl. wider sich haben, doch aus Hartnäckigkeit und Bosheit nicht gestehen wollen, dieselben nach dem Gesetze bestraft werden.

Höchstgedachte Se. Königl. Majestät befehlen also Dero wirklichem Etats-Minister von Cocceji allergnädigst, das Nöthige deshalb zu besorgen. Charlottenburg, den 3. Juni 1740.

Friedrich."

3. Juni 1740

Kabinetsordre. Daß für die königl. Dispensationen in Ehesachen keine Bezahlung genommen werden soll.

3. Juni 1740

Edict wegen Aufhebung der Anwartschaften auf Lehen und andere Güter.

5. Juni 1740

Auf Befehl des Königs wird dem Berlinschen Zeitungsschreiber unbeschränkte Freiheit gelassen, in den Artikel<15> Berlin zu schreiben, was er wolle, ohne daß es censirt werden solle.

22. Juni 1740

Kabinetsordre. Die Religionen müssen alle tolerirt werden, und muß der Fiskal sein Auge nur darauf haben, daß keine der andern Abbruch thue; denn hier muß ein jeder nach seiner Façon selig werden.

23. Juni 1740

Das große Regiment Garde wird verabschiedet. Sechzehn Mann, darunter auch der sogenannte große Engländer Kirkland war, wurden als Haiducken angestellt.

28. Juni 1740

Es wird ein Manufaktur- und Commerz-Departement errichtet.

28. Juni 1740

Algarotti kommt in Berlin an 8).

30. Juni 1740

Es erscheint das erste Stück der Haude- und Spenerschen Zeitung. Es hatte zur Vignette den Adler und den Wahlspruch: "Wahrheit und Freiheit!" 9)

In diesem Monat schenkt der König seinem Kammerdiener Fredersdorf 10), das Gut Czernikow bei Rheinsberg.

Der General Graf von Schwerin erhielt den schwarzen Adlerorden.

Die Kabinetssekretaire Schumacher, Eichel und Lautensack erhalten den Titel als Geheime Kriegsräthe.

Die Berliner Zeitungen vom 30. Juni und 7. Juli melden, daß der König beschlossen habe, für die Königin Mutter ein prächtiges Schloß unter den Linden erbauen zu lassen, wozu 54 daselbst stehende Häuser niedergerissen und den Eigenthümern mit 172,000 Thlrn. bezahlt, ihnen auch anderweit Plätze, wenn sie sich wieder anbauen wollen, geschenkt werden sollen, desgleichen auch Baumaterialien. Es sollen 4 Millionen zum Bau dieses Schlosses ausgesetzt sein. Später, unter dem 4. Aug. wird noch gesagt, daß der Schloßbau unbezweifelt vor sich gehen werde und daß der König den Eigenthümern<16> der niederzureißenden Häuser außer der gerichtlichen Taxe noch 14,000 Thlr. accordirt habe. Unter dem 23. Aug. heißt es jedoch, daß Se. Majestät dem Magistrat befohlen hätten, den Eigenthümern gedachter Häuser auf der Dorotheenstadt bekannt zu machen, daß ihre Häuser sollten stehen bleiben, daher sie solche nach Belieben vermiethen etc. könnten. Am 29. August, wo dieses den Einwohnern bekannt gemacht wurde, wurden auch die, an verschiedenen Orten gegrabenen, Löcher, wodurch man den Grund, wo das neue Schloß erbauet werden sollte untersuchen wollen, wieder zugeworfen.


10-++ S. Anmerkungen am Schluß d. Jahres.