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Sieben
Vergessene Holzschnitte
zu Kuglers Geschichte Friedrichs des Großen
auf den Stock gezeichnet von
Adolph Menzel
1 9 1 6
Geschnitten und gedruckt für den Leipziger Bibliophilen-Abend

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Exemplar Nummer ~

gedruckt für

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Als am 9. Februar 1905 Adolph von Menzel die Augen geschlossen hatte, fanden seine Erben beim Ordnen des Nachlasses ein dickes Schreibheft, ein richtiges Schülerdiarium, dessen Etikette das Wort Ich trug.

Der Inhalt war eine Überraschung. Man entdeckte, daß Menzel sich im Jahre 1874 mit dem Gedanken einer Selbstbiographie beschäftigte, die er mit seiner prachtvoll malerischen Handschrift und der plastischen Kraft seines Stiles in diesem Hefte niederzuschreiben begonnen hatte.

Schon die erste Seite weckt große Erwartungen; beim Umblättern auf die zweite gewahrt man, daß der Schreiber, durch irgend etwas gestört, eine Pause von ... zwei Jahren gemacht hat, was ihn aber nicht hinderte, im unbeirrten Fluß seiner Gedanken fortzufahren. Gespannt liest man weiter und fährt erschrocken beim Umwenden der dritten Seite vor dem weißen Papier zurück. Zum zweitenmal wurde der Meister unterbrochen, aber er hat die Arbeit nicht wieder aufgenommen. Selbst im engsten Familienkreis hat Menzel niemals darüber gesprochen, daß er seine Lebenserinnerungen schreiben wollte. Und so bleibt dem Leser, der das seltsame Dokument auf diesen Blättern faksimiliert findet, nur das schmerzliche Bedauern, daß der kunstgeschichtlichen Forschung wichtige Aufklärungen für alleZeit entzogen bleiben werden und unser literarischer Besitz um ein ragendes Denkmal ärmer ist.

Denn Adolph Menzel war nicht nur einer der stärksten Charaktere, die auf Deutschlands Boden im 19. Jahrhundert gewachsen sind: Er war auch ein Mann von solcher Urkraft des Gedankenausdrucks, daß ein derart um<6> fassendes schriftliches Zeugnis seiner Hand zu den klassischen Heiltümem unserer Literatur eingegangen wäre.

Zeit seines Lebens hat Menzel von sich und seinen Werken wenig hergemacht; die paar Weggenossen sind gestorben, als es noch nicht sonderlich notwendig schien, gerade ihre Erlebnisse mit Menzel bis ins Einzelne aufzuzeichnen, und diese Erlebnisse waren vermutlich auch mehr äußerlicher Natur — wie sich aus dem besten Erinnerungsbuch, das wir über Menzel von einem seiner Freunde haben, erkennen läßt: Paul Meyerheims Memoiren sind eine liebenswürdige Sammlung interessanter Schnurren.

So sind wir, wenn wir die Begebenheiten dieses neunzigjährigen Lebens erforschen und seinen Geist beschwören wollen, im Wesentlichen auf die sorgfältig gesammelten Reste von Menzels Briefwechsel angewiesen. Leider klaffen die Lücken des Briefbesiandes gerade an den für manche Untersuchungen entscheidenden Stellen; und vor allem: es fehlen die Gegenbriefe. Immerhin — das, was durch die ausgezeichneten Veröffentlichungen von Tschudi und Hans Wolff und durch mancherlei Privatpublikationen ans Licht gekommen ist, genügt, um sich von Menzels Wesenszügen einen Begriff zu machen. Ein durch alle Wetter des Lebens standhafter, wortkarger innerer Stolz; ein Arbeitsernsi, den keine Mühe bleichet; eine schwärmerische, an die Zeiten der Romantik gemahnende sprackreiche und werktätige Liebe zu seinen Geschwistern und Geschwisterkindern; und über alledem ein geradezu genialer, in barocken Einfällen blitzender Humor, der sich besonders zu seinem Herzensfreunde, dem StabsarztPuhlmann in Potsdam, sprudelnd äußert — das waren die wesentlichen Elemente von Menzels Natur.

Facettenstrahlungen dieses Kernes konnte auch noch beobachten, wer das Glück hatte, Menzel wenigstens in seinen letzten Jahren zu kennen. Sein starkes Ich war eben unwandelbar; wie es denn auch bemerkenswert ist, daß seine Handschrift durch die Jahrzehnte sich kaum verändert hat.

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Faksimile (Seite 1) aus Menzels Schreibheft (Berlin 22. Februar 1874)

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Faksimile (Seite 2) aus Menzels Schreibheft (Berlin 22. Februar 1874)

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Faksimile (Seite 3) aus Menzels Schreibheft (Berlin 22. Februar 1874)

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Die Lücken in unserer Kenntnis von Menzels Leben werden sofort fühlbar, wenn man darangeht, irgend eine wichtige Periode, die Geschichte irgend eines seiner Hauptwerke in allen Einzelheiten bloßzulegen. Hätte Menzel jene Selbstbiographie zuwege gebracht, so wäre die nachfolgende Darstellung der Entstehungsgeschichte seines volkstümlichsten Werkes, der Illustrationen zu Kuglers Geschichte Friedrichs des Großen, gewiß in vielen Punkten richtiger, als sie hier an Hand des erforschbaren Materials gegeben werden kann. Aber unsere Liebe wäre damit auch um den höchsten Reiz gebracht worden — um die leidenschaftliche Werbung.

Im Jahre 1839 war in Paris bei J.J Bodet eine Histoire de l'Empereur Napoléon par Laurent de I'Ardèche, illustrée par Horace Vernet erschienen. Der mit dem klassischen Geschmack der Franzosen für illustrierte Bücher hergestellte Band hatte, vermutlich schon wegen der Holzschnitte des berühmten und beliebten Schlachtenmalers Vernet, einen bedeutenden Erfolg, so daß der Leipziger Verleger J. J. Weber sogleich eine deutsche Ausgabe ins Werk setzte, die sich äußerlich in allen Punkten genau an die französische anschloß und unter dem Titel Geschichte des Kaisers Napoleon von P. M. Laurent, illustriert von Horaz Vernet in Lieferungen erschien und im Jahre 1841 vollständig wurde. Das etwa 900 Seiten starke, mit rund 500 Holzschnitten von Vernet geschmückte Buch wurde bei F. A. Brockhaus genau nach dem Muster der französischen Originalausgabe untadelig gedruckt.

J. J. Weber, dem damals als Sozius der um die Hebung des Leipziger Buchgewerbes sehr verdiente, ursprünglich aus Dänemark stammende Carl Lorck zur Seite stand, faßte den Plan, zu dem bevorstehenden Hundertjahrstag der Thronbesteigung Friedrichs des Großen (31. Mai 1840) ein Seitenstück zu diesem Napoleonbuch herauszugeben. Er wande sich um Rat an den Kriminaldirektor Dr. Hitzig, mit dem er in literarischer Verbindung stand. Hitzig empfahl seinen Schwiegersohn, den Historiker Professor Franz Kugler, und beide rieten, als Illustrator den jungen Adolph <12> Menzel zu wählen. Kugler schreibt darüber an Weber: Als denjenigen Künstler, dem die ganze Arbeit zu übertragen sein würde, weiß ich keinen Besseren zu nennen, als Herrn Adolph Menzel. Herr Menzel gehört zwar noch zu den jüngeren Künstlern Berlins und er ist erst seit einigen Jahren öffentlich aufgetreten, gleichwohl hat sich in ihm ein Reichtum der Phantasie, eine Sicherheit in allen Elementen künstlerischer Darstellung, eine gründliche wissenschaftliche (namentlich historische) Bildung, eine belebende poetische Kraft entwickelt, wie alles dies vereinigt, nur selten gefunden werden dürfte.

Die erste Anknüpfung mit Menzel scheint Lorck persönlich in Berlin gemacht zu haben; auch die weitere Behandlung und Durchführung der Unternehmung ist im Wesentlichen wohl von Lorck betrieben worden. Der älteste Brief von Menzel an Weber datiert vom 24. Februar 1839, wo er ihm für die Ankündigung des Werkes eine Zeichnung schickt. Weber hatte es mit der Herstellung des Prospektes vermutlich sehr eilig, um sich die Priorität vor den zu erwartenden Jubiläumsunternehmungen zu sichern. Seine Voranzeige im Buchhändler Börsenblatt vom 14. Februar 1839 erweist das. Der eigentliche Verlagsvertrag zwischen J. J. Weber und Adolph Menzel ist erst am 18. Juni 1839 geschlossen worden. Menzel war 23 Jahre alt, was nach den damaligen Gesetzen noch als minderjährig galt. Deshalb trägt der Kontrakt neben Menzels Namen noch die Unterschrift: Carl Sparfeld als Vormund des (Lithographen) Mentzel. Das hier in der Wiedergabe eingeklammerte Wort ist durchgestrichen, wahrscheinlich von Menzel selbst, der sich als etwas Besseres fühlte, denn als Lithograph. Der Vormund scheint ja auch nur ein Institut gewesen zu sein; er schreibt den Namen seines Mündels noch nicht einmal orthographisch.

In diesem Vertrag wird bestimmt, daß Menzel innerhalb von drei Jahren wenigstens 400 bis 500 Zeichnungen auf dem Holzstock zu liefern habe, wofür er 4000 Taler, zahlbar in vierteljährlichen Raten von 300 Talern, erhalten solle; übersteigt die Ziffer der von ihm gelieferten Holzschnitte 400, so erhält er für jedes überschießende Stück 10 Taler. Der Vertrag ist in den altväterlichen Formen jener Zeit gehalten: der Verleger <13> erwirbt die vollkommen unumschränkten Rechte; er darf die Stöcke selbst vernichten, niemals aber sich ohne die ausdrückliche Zustimmung des Herrn Menzel eine Veränderung derselben erlauben, — gewiß eine von dem vorsorglichen Künstler eingeschobene Klausel.

Franz Kugler schrieb seinen Text in überraschend kurzer Zeit wie in einem Zuge nieder; Menzel bekam nach und nach die Fahnen und suchte sich das, was ihm zum Illustrieren schmeckte, ganz nach eigenem Gusto aus. Das Format der Stöcke und das Druckbild wurde genau nach dem Vernetschen Muster genommen — nur mit dem kleinen Unterschied, daß Vernet wacker illustrierte, Menzel, von den beschriebenen historischen Begebenheiten entzündet, mit genialer Intuition vergangene Welten mit zwingender Schöpferkraft neu erstehen ließ. Alles, was wir in unseren Tagen an Kriegsillustration nach dem Leben mitgeteilt bekommen, erscheint puppenhaft und ärmlich gegenüber dem, was Menzel mit seinem inneren Gesicht an Kriegsgraphik erschaut und mit der Formkraft seiner Hand verwirklicht hat. Auch Schiller hatte ja das Rütli nie gesehen, als er seinen Tell schrieb, und Mignons Lied war entstanden, ehe Goethe das Land seiner Sehnsucht noch betreten hatte.

Die Kunst des Holzschneidens lag in Deutschland zu jener Zeit in den Banden eines fortgeerbten Schlendrian; viele der Herren Holzschneider fühlten sich als die Meister, die aus den ihnen übergebenen gezeichneten Vorlagen erst etwas zu machen hätten. (Es ist öfter vorkommende Geisteskrankheit mancher Holzschneider und Kupferstecher, den Zeichner ergänzen zu wollen sagt Menzel.) Dagegen schienen die Leistungen der Pariser Holzschneider künstlerisch geschulter, ihre Technik leichter und anpassungsfähiger. Das war nicht nur die Meinung des Verlegers Weber, sondern man findet sie auch von Menzel selbst ausgesprochen. Und so war es ihm sehr recht, daß Weber die fertigen Stöcke zunächst nach Paris schickte und der Firma Andrew Best & Leloir, die auch an dem Napoleon-Werk beteiligt war, zum Schneiden gab.

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Kaum aber kamen die ersten Proben, als sich rasch das Blättchen wendete. Menzels Respekt vor den Pariser Leistungen loderte in wütender Empörung auf, zu Webers Verdruß und zur Überraschung der Pariser Zimmerleute und Schweinschneider, die solche Anforderungen eines Künstlers wohl in ihrem Leben noch nicht verspürt hatten. Von den Pariser Schwerenötern noch keine Nachricht?? schreibt er, Ich wollte bloß, daß Paris hier vor dem Thore läge, denen wollte ich aufm Dache sitzen!; und später an Weber: So, wie die mir zuletzt übersandten Andrücke der Pariser dürfen sie nicht werden, denen Monsieurs, welche die Sachen geschnitten, oder vielmehr verschnitten, bitte ich, von meinetwegen wissen zu lassen, daß ich mir eine solche schlingelhafte Mißhandlung meiner Zeichnungen ein- für allemal verbitte. Nun die Herren die Bestellung haben, meinen sie wohl, liederlich arbeiten zu dürfen? Was nützt meine Liebe und mein Studium, die ich an die Sache wende, wenn sie in einer solchen Gestalt vor das Auge der Welt treten. Was wird das gebildete Publikum zu einer solchen Fortsetzung eines Unternehmens denken, das, wie die soeben gedruckten ersten Bogen zeigen, mit solchen Ansprüchen aufgetreten ist. Schnell und Billig haben bei Unternehmungen derart doch nur so lange Werth, als sie eine gute Arbeit liefern. Ich lebe in der größten Unruhe, wie roh man in Paris mit den Zeichnungen jetzt schon umgehen mag, die ich ihnen am 23ten Dezember vorigen Jahres schickte, wessen soll ich mich bei den jetzt beifolgenden Sachen versehen, wo alles auf Geschicklichkeit und Genauigkeit ankommt? ich verlange daher durchaus, im Interesse meiner Ehre und Ihres Vorteils, daß dort bei der Sache dieselben Künstler wieder beschäftigt werden, welche damals, bei der ersten Parthie, die so gut ausgefallen, mitwirkten; es ist augenscheinlich: daß man deren Leistungen hiebei nur als Lockvogel hat dienen lassen. Die leider zahlreichen Correcturen in den Andrücken müssen aber mit der größten Genauigkeit gesucht und gemacht werden, ich habe die zu ändernden Stellen mit etwas Weiß gedeckt, es wird sich schon auf den Blättern zeigen. Aber eine Arbeit, wie die welche in der rechten Ecke oben die Zahl 26 trägt, kann garnicht aufgenommen werden. Wie der Mensch das wiedergegeben hat, so ist es sogar anstößig für den hiesigen Hof, es sieht gänzlich einer Karrikatur <15> gleich, so etwas kann ich nicht vertreten. Um solche Spielkartengesichter zu bekommen/ brauchen wir die in Paris nicht. Da nun keine Zeit, weder für mich zur Zeichnung, noch für den Holzschneider, so wird diese Vignette ganz ausfallen müssen. Dasselbe gilt leider von dem Blatte Nr. 18, denn es schadet der Sache, wenn gleich in den ersten Lieferungen, wovon das Wohl und Wehe des Werks abhängt, solche Dinge vorkommen, die man nicht unterlassen würde, in das gehörige Licht zu stellen. Die Pariser verdienen ungeheuer gerüffelt zu werden, und ich bitte dringend, recht bald, ehe dort durch Nachlässigkeit noch mehr verhunzt wird.

So sah sich schließlich Menzel zur Befriedigung seines künstlerischen Ehrgeizes genötigt, gute deutsche Holzschneider zu finden und heranzubilden — nicht ohne Widerstand bei dem Verleger. Sie schrieben mir letzthin, ich möchte die Vogel und Unzelmann ohne dringende Notwendigkeit nicht weiter beschäftigen, die Ursache hiervon (die höheren Preise) muß ich allerdings respektieren, allein Sie werden mir nicht verdenken, daß es mir sauer wird, denen die doch eigentlich meine exekutiven Mitarbeiter sind, zu sagen: Ihr seid zu teuer . . . . denn ich kann Ihnen nicht verbergen, daß es meinem Nationalgefühl wehe tut, wenn an einem nationalen Werk die Einheimischen allen Anteil verlören. Menzel drang durch, und so haben Albert Vogel, Otto Vogel und H. Unzelmann beim Friedrichsbuch eine entscheidende Rolle gespielt. Zusammen mit Müller haben sie dann später für die in den anschließenden Jahren im Auftrage des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Menzel geschaffenen 200 Vignetten zu den Werken Friedrichs des Großen an technischer Meisterschaft und Einfühlung das Höchste geleistet, dessen der Holzstichel fähig ist. Staunend steht man in der Bewunderung dieser feinsten Blüten der Holzschneidekunst und denkt mit Schmerz darüber nach, wie Kuglers Friedrichsbuch aussehen würde, wenn von Anfang an Vogel und Unzelmann, und ihre gleichartigen Kollegen, mit der Technik, die sie sich im Laufe der Jahre unter Menzel errungen haben, sämtliche Holzschnitte durchgeführt hätten. Der Kugler, den wir besitzen, strahlt nur in wenigen Partien den ganz unverfälschten Geist Menzels aus. Daß Menzels Vorzeichnungen auch in den schlingelhaftesten Mißhandlungen <16> noch als große Kunstwerke wirken, läßt den Verlust doppelt schwer empfinden; und es nimmt nicht wunder, wenn Menzel in ein Exemplar des Kugler, das sich jetzt im Besitz eines Leipziger Bücherfreundes befindet, als alter Mann die Worte geschrieben hat: Vorliegendes, die erste Auflage — — lange nicht mehr gesehen — — — war kein frohes Wiedersehn!!!

Weber übertrug den Druck des Buches auch wieder der Firma F. A. Brockhaus, die ihn vorzüglich und höchst lobenswert ausführte. Anfang 1840 erschien die erste Lieferung, und Ende 1842 war das Werk in 20 Lieferungen zu 8 Groschen vollständig. Da die Pariser Kräfte nach den ersten Kapiteln ausgeschaltet wurden, werden Menzels Klagen seltener; nur mit dem wechselnden Papier ist er unzufrieden. Und das ist ja der Punkt, der auch heute jedem Büchersammler, und wenn er noch so viele Exemplare des Kugler bei den Antiquaren prüft, ehe er sich zu einem Kaufe entschließt, immer wieder Kopfschmerzen macht. Es erscheint unbegreiflich, daß Weber und Lorck sich in Färbung und Stärke so verschiedenartige Papierlieferungen gefallen ließen. Das Buch hat dadurch etwas Uneinheitliches bekommen. Auch die Qualität des Papieres hat nicht standgehalten; Exemplare, die ohne künstliche Nachhilfe frei von Stockflecken sind, gibt es selten. In der damals üblichen Qualität guter Papiere ist das nicht begründet.

Zwei Holzschnitte, die sich (in geschmackvoller und dezenter Weise) mit der Verführung des jungen Kronprinzen am sächsischen Hofe beschäftigen, wurden noch während des Druckes der ersten Auflage unterdrückt, so daß nur die in Lieferungen subskribierten Exemplare diese zwei Holzschnitte haben; die als vollständiges gebundenes Buch herausgegebenen Exemplare der ersten Auflage enthalten den betreffenden Bogen im Neudruck. Von den ersten Bogen scheint zunächst eine kleine Probeauflage von 25 Exemplaren abgezogen worden zu sein, aus der dann einige ungenügende Abbildungen entfernt wurden, ehe die wirkliche Auflage gedruckt wurde; es gibt eine Druckrechnung von 1839, die diesen Schluß zuläßt.

Die Aufnahme des Kugler war eine sehr interessierte; das Aufsehen <17> wurde noch besonders gesteigert durch die parteiische und ungerechte öffentliche Kritik des alten Akademiedirektors Gottfried Schadow in den Berlinischen Nachrichten und die schlagfertige Erwiderung des jungen Künstlers.

Dieses in der Folgezeit berühmt gewordene und in die kunsthistorische Literatur eingegangene kritische Duell lautet (zitiert nach Schefflers Abdruck):

« 

Zu Ehren Friedrichs des Großen, von einem Veteranen.

Beim Anblick des ersten Heftes des Geschichtswerkes von dem Prof. Kugler und Herrn Menzel Glorie König Friedrichs empfand ich eine demütigende Stimmung. Was wird man in deutschen Landen davon sagen, wo schon zierliche Werke erscheinen, die sich denen der Franzosen und Engländer an die Seite stellen können, und welchen Begriff wird es von dem Stande der Kunst in unserm Vaterland geben! Wenn so viele Geneigtheit vorhanden, ein Denkmal in Blättern zu geben, so sehe man sich um nach Geschichtschreibern und Zeichnern. Die Zeit ist gekommen und drängt; eine neue Generation soll für vergangene Ereignisse aufgeregt werden. Hinstellung jener Gestalten im Bilde, ihrer Gedanken durch ihre eigene Sprache und Rede schicken sich hierzu. Man hat erfahren, wie viel zustande kommt, wenn viele in ein Bündnis treten und mit gutem Willen nach demselben Ziele sireben. Sollten in Berlin nicht genugsam Künstler und Historiographen vorhanden sein, um ein, dem Ruhme unseres Königs Friedrich würdiges und angemessenes Souvenir oder Album zustande zu bringen? Ich sollte meinen, und auch ausführbar, wenn man sich nicht einfallen läßt ein entreprisenartiges Pfennigmagazin zu liefern, sondern ein geschichtliches Souvenir. Der Ungeduld ist die Leichtfertigkeit willkommen. So freute man sich über die Lithographie; diese lieferte zuweilen nicht die hinreichende Zahl Drucke, und so kam man zurück auf den alten, beinahe vergessenen Holzschnitt. Schon haben Engländer und Franzosen in diesem Kunstzweige Gutes gegeben, bei uns Deutschen ist wenig dem an die Seite zu stellen erschienen, und schon sieht man solche Ausartungen, die man Griffonagen oder Kritzeleien nennen kann, und dieses von denselben Künstlern, welche sich mit der Radiernadel gut und geistreich ausgedrückt haben. Auf diese möge <18> man also zurückkommen! Statt hierbei der heurigen Mode zu folgen, die Gestalten in phantastisch arabeskenWindungen schwebend erscheinen zu lassen, sollte hier alle Erfindung wegbleiben und ist genügsamer Vorrat vorhanden an Bildwerk und Schrift, um den Zeitgenvssen die Gestalten und Gedanken jener Zeit in solchem Verein aufzustellen, daß dem Leser und Beschauer sich jene alten Tage wie im treuen Spiegelbilde vergegenwärtigen.

Dr. G. Schadow,
Direktor der Königlichen Akademie der Künste.

 »

Darauf Menzels Antwort in derselben Zeitung:

« 

Zur Erwiderung.

Ein Aufsatz in Nr. 73 dieser Zeitung, überschrieben Zu Ehren Friedrichs des Großen und von Herrn Dr. Schadow, Direktor der Königlichen Akademie der Künste, unterzeichnet, veranlaßt mich, zur Berichtigung verschiedener, in demselben angeführter Punkte folgendes zu bemerken. Die in der Geschichte Friedrichs des Großen enthaltenen bildlichen Darstellungen sind nicht, wie Herr Direktor Schadow rügt, die Produkte phantastischer Erfindung, sondern gründen sich auf ein Studium alles dessen, was in das Jahrhundert Friedrichs gehört und dasselbe charakterisiert. Hiervon ist noch ein bedeutender Nachlaß auf uns gekommen; vorzugsweise in den Königlichen Schlössern in Berlin, Charlottenburg und Potsdam, welche mir zu diesem Zwecke durch die Liberalität des Königlichen Hofmarschallamts zugänglich geworden sind. Ebenso ist aus Friedrichs Kriegen eine bedeutende Anzahl von Kleidungsstücken und Waffen jeder Art im hiesigen Montierungsdepot und Zeughause erhalten. Durch deren Studium auf dem lebenden Modell und durch die Benutzung aller übrigen erreichbaren Quellen bin ich, wie ich hoffe, imstande, in meinen Arbeiten der historischen Wahrheit möglichst nahe zu kommen und wenigstens näher, als diesen den früheren bildlichen Darstellungen zur Geschichte Friedrichs, deren Benutzung Herr Direktor Schadow zu wünschen scheint, der Fall ist (wie sich dies nach Durchsicht der auf der hiesigen königlichen Kunstkammer befindlichen großen Sammlung solcher bildlichen Darstellungen und nach Vergleichung meiner Stu<19> dien — die ich jedermann in den Abendstunden vorzulegen erbötig bin — leicht ergeben dürfte). — Herr Direktor Schadow scheint mir in seinem Aufsatz ferner den gütigen Rat zu erteilen, auf die Radiernadel zurückzukommen, ich muß bedauern, denselben nicht befolgen zu können, indem ich (abgesehen davon, daß die Radiernadel für den Zweck unseres Unternehmens durchaus unpassend wäre) nie mit einer Radiernadel gearbeitet habe. Sollte Herr Direktor Schadow vielleicht einige meiner Federzeichnungen für radiert gehalten haben? Schließlich stelle ich es dem Scharfblick eines resp. Publikums anheim, ,die nach der heurigen Mode in phantastisch arabesken Wendungen schwebenden Gestalten' in dem in Rede stehenden Hefte aufzufinden.

Adolph Menzel, Maler.

 »

Der Streit wurde in ganz Deutschland besprochen; in Cottas Morgenblatt für gebildete Leser vom 23. Mai 1840 sieht ein eigener Artikel darüber. Der Referent sagt: "Solche Ansichten zu haben, sie auszusprechen und drucken zu lassen, ist nichts Unerlaubtes und Befremdendes, obgleich das Schicklichkeitsgefühl diejenigen, welche sich für die bessern halten, dies lieber durch die Tat wird aussprechen lassen, als durch verdächtigende Artikel in den Zeitungen. Wenn die Veteranen und Meister der Berliner Kunst ein Friedrichsalbum im voraus angekündigt hätten, dadurch stillschweigend aussprechend: wir halten das, was Kugler und Menzel bringen, nicht für genügend, so ließe sich auch das rechtfertigen. Aber mit der Verdächtigung von etwas Erscheinendem anzufangen, um für etwas Bahn zu machen, was erst erscheinen soll, hat immer etwas Gehässiges, und noch mehr, wenn die Verdächtigenden selbst die Absicht haben, dasselbe Werk zu schaffen. Nun weiß man zwar, daß der alte, würdige Schadow selbst nicht daran denkt, und daß er höchstens als Protektor für jüngere Freunde dabei auftritt, aber ein Protektionswesen, das andere angreift und gewisse Kreise gegen andere in Schutz nimmt, hat um so weniger die Zustimmung des gesunden Publikums, wenn, wie hier geschehen, der Schild der Autorität dabei erhoben wird. Schadow trat als Direktor der königlichen Akademie der Künste mit einem Privaturteil auf. Das läßt man sich nicht mehr <20> gefallen, und selbst wenn er unbedingt Recht gehabt und Text und Zeichnungen ungenügend wären, so hätte die allgemeine Stimme gegen die Art des Urteils sich zugunsten der Verurteilten erhoben. Dies geschah denn auch in mannigfacher Weise, und das Erfreuliche und Seltene bei der Sache ist, daß Schadow selbst sein Unrecht nicht allein eingesehen, sondern auch in den Zeitungen öffentlich ausgesprochen hat. Er sagt: mir war es nur um Friedrichs Ehre, nicht um meine zu tun. (Schadow mußte also revozieren.)

In dem Hamburger Telegraph für Deutschland vom Februar 1841 steht in einer ausführlichen Besprechung das noch heute gültige Wort: Das vorliegende Werk bietet in der Tat alle Erfordernisse, nicht nur eines wahren Volksbuches, als welches es auch sicher lange Zeit gelten wird, sondern auch in jeder Privatbibliothek wie auf den Raritäten-Tischen der großen Welt wird es in literarischer wie in künstlerischer Beziehung und durch seine äußere prächtige Ausstattung eine Zierde sein und jedem Gebildeten eine anziehende Lektüre gewähren.

Trotz dieser günstigen Aufnahme scheint der Absatz den Erwartungen des Verlegers nicht entsprochen zu haben; aus den alten Kontobüchern von F. A. Brockhaus ist festzustellen, daß von der ersten Lieferung 10000, von den nächsten Lieferungen 6000, dann 5000 und schließlich von der zehnten Lieferung ab nur noch 4500 gedruckt wurden. Jedenfalls lag nach zehn Jahren ein erheblicher Teil der Auflage unverkauft auf Lager, und Weber entschloß sich, die vorhandenen Bestände samt allen Verlagsrechten an den Verleger Hermann Mendelssohn in Leipzig abzutreten (der damals noch Avenarius & Mendelssohn firmierte). Das war 1850.

Im gleichen Jahre ließen Avenarius & Mendelssohn eine zweite Auflage erscheinen, die aber gar kein Neudruck war, sondern nur vermittelst neuer Titelblätter den Rest der ersten Auflage besser in Kurs bringen sollte. Erst 1856 waren die Bestände der ersten Auflage erschöpft, und in diesem Jahre erschien bei Hermann Mendelssohn die dritte Auflage, die in Wirklichkeit der erste Neudruck des Kugler ist.

Bei der Geschichte dieser Auflage, die einschneidende Veränderung erfuhr, müssen wir länger verweilen.

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Noch während die letzten Lieferungen der ersten Auflage gedruckt wurden, also 1842, korrespondierte Weber mit Menzel wegen der Vorbereitungen zu einer zweiten Auflage, woraus erhellt, daß für einen raschen Verkauf der ersten Auflage der anfängliche Absatz Aussicht machte. Diese Aussicht konnte niemand willkommener sein als Menzel selbst; denn so durfte er hoffen, die bösesten Schnitzer rasch aus dem Illustrationsapparat verschwinden lassen zu können. Da der Verleger nicht geneigt war, mehr als das Notwendigste an Ersatzstöcken zu bewilligen, beschränkte sich Menzel auf zwölf Holzstöcke, die er ganz neu zeichnete; sie sollten an Stelle mißratener Illustrationen der ersten Auflage einrücken. Keiner dieser zwölf Holzstöcke ist zur Verwendung gelangt, wie wir später sehen werden; wir wissen nicht einmal, welche Stöcke es gewesen sind, die in ihrer noch immer vorhandenen Gestalt Menzels höchstes Mißfallen erregt haben.

Dann sollte aber das Buch (wie ich vermuten möchte auf Anregung des Verlegers; denn die Zutat widerspricht den sonstigen Illustrationsabsichten des Buches) auch einen neuen Reiz bekommen, eine Vermehrung, ein Supplement. Hierfür bestimmte Menzel die sechs Feldherrenstatuen, die damals auf dem Berliner Wilhelmsplatze standen, ferner die Friedrichstatue von Rauch und des weiteren neun architektonische Prospekte, die unter Friedrich errichtet wurden. Alle diese Objekte wollte Menzel nach der Natur zeichnen und dann auf den Stock in die Sprache des Holzschnittes übertragen. Das Ganze war bestimmt, der zweiten Auflage als Anhang beigegeben zu werden, und dieser Anhang sollte auch für die Besitzer der ersten Auflage als einzeln käufliches Supplement abgegeben werden. Vermutlich wurde diese Menzelsche Liste vom Verleger etwas beschnitten, so daß man sich schließlich einigte auf die sechs Heldenstatuen und auf sieben Prospekte der Prachtbaue, die Friedrich in Berlin und Potsdam hat errichten lassen. Fortgefallen ist also die Friedrichstatue von Rauch und in Menzels Architekturen-Liste die Akademie der Künste und das Invalidenhaus. Das bedeutendste Friderizianische Bauwerk, das Berliner Opernhaus, war ja im Kugler bereits auf Seite 201 abgebildet.

Noch 1842 macht sich Menzel ans Werk und liefert selbigen Jahres <22> die 13 Stöcke (sowie die eben erwähnten 12 Ersatzstöcke an Weber ab. Bei der Schlußrechnung über das ganze Buch, die er am 2. Juni 1844 Weber erteilt, figuriert der Posten Nachtrag, bestehend in sechs statuarischen und sieben architektonischen Prospekten, in Summa 13 Zeichnungen, welche dann mit je zehn Talern vertragsgemäß ausgeworfen werden.

Die Menzel so sehr am Herzen liegenden 12 Ersatzstöcke und die 13 neuen Stöcke ruhten nun seit 1842 in Leipzig bei Weber, vergeblich der zweiten Auflage harrend. Die Jahre vergingen, und als schließlich 1850 der Verlagsverkauf an Mendelssohn vollzogen wurde, übergab Weber dem neuen Verleger zwar die noch ungeschnittenen 13 Stöcke zum Supplement (das ihm als Verleger recht wertvoll schien), vergaß aber die Menzel so überaus wichtigen 12 Ersatzstöcke zu liefern. Und als später Menzel daran erinnerte, waren sie spurlos verschwunden, vergessen und verkommen. —

Es entwickelte sich nun 1855, als Mendelssohn an seinen Neudruck gehen wollte, zwischen ihm und Menzel eine Korrespondenz, von der noch einige Stücke vorhanden sind, aus ihnen kann etwa folgender Gang mit einiger Sicherheit erraten werden:

Mendelssohn schien der bisherige Preis des Buches (nach heutigem Gelde 20 Mark) Schuld an der langsamen Gangbarkeit der ersten Auflage. Er trachtete deshalb danach, den Umfang des Neudruckes durch Verbreiterung des Satzspiegels, Verengerung der Zwischenräume und einige weitere typographische Ersparnisse zu verringern. Menzel, der die ersten Nachrichten hierüber so aufgefaßt hatte, als wenn auch ein Teil der Abbildungen fortgelassen werden sollte, zeigte sich verstimmt, beruhigte sich aber um so erfreuter nach den berichtigenden Erklärungen des Verlegers. Er sandte ihm noch vier Ersatzstöcke, die zu den einstmals an Weber geschickten zwölfen noch hinzugefügt werden sollten. Wie groß aber war Menzels Schreck, als er von Mendelssohn hören mußte, daß ihm Weber bei der Verlagsübernahme diese Stöcke gar nicht gegeben hatte und sie dort anscheinend vollkommen in Verlust geraten waren! Die vier jetzt gekommenen Stöcke hat also Mendelssohn als Verbesserungen der neuen Auflage eingefügt, während ein paar der dunklen Nachtstücke auf seinen Wunsch ausgelassen wurden. <23> Von den Heldenstatuen und den Prachtbauten konnte er sich, um das Buch nicht noch weiter zu verteuern, nur zur Beigabe der Heldenstatuen entschließen; die noch unberührten sieben Stöcke der Prachtbauten wurden beiseite gestellt. Im Sommer 1856 war die neue Auflage fertig; der Verleger sandte ein Exemplar an den König Friedrich Wilhelm IV., der seiner Anerkennung durch Übersendung einer goldenen Medaille Ausdruck gab.

Über den Gang der Dinge geben die nachfolgenden Briefstellen Menzels an Mendelssohn Aufschluß.

Berlin, den 28. Juni 55



Herrn H. Mendelssohn, Wohlgeboren

Sehr angenehm berührt mich die in Ihrem werten Schreiben von heute befindliche Nachricht, daß alle früher beabsichtigten Änderungen für die neue Ausgabe des Friedrich-Buches sich auf eine Linie reduzieren. Ich dachte es wohl, daß eine solche Selbstverringerung nicht Ihr Ernst bleiben würde.

Beifolgend sende ich Ihnen nun alles, was ich zur zweiten Auflage des Buches noch bei mir hatte. Alles Übrige dazu gehörige habe ich schon damals 1842 nach dort an Herrn Lorck gesandt, von dem es Ihnen seiner Zeit wird übergeben worden sein. Auf beiliegendem Blatte ist dies sowohl als der anstelle der ausgestoßenen Zeichnungen bestimmte Einschub genau angegeben. An den betreffenden Holzklötzen, welche sich mit Ausnahme der vier heute hinzukommenden sämtlich dort vorfinden müssen, ist jedesmal die Seitenzahl wohin sie gehören vermerkt..... Wenn Sie übrigens jene sechs Statuen dieser Ausgabe beifügen wollen, warum nicht dann auch gleich die sieben Blatt der Prachtbauten! Was soll ein andermal einzeln mit denen angefangen werden? Dieselben gehören notwendig mit jenen zusammen als Ganzes; müssen auch ohne Frage dem Wert und Interesse des Buches ein Bedeutendes hinzufügen.....

Hochachtungsvoll
Menzel.

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Berlin, den 16. Juli 55

Ihre Hiobsnachricht von dem Verlust der Ersatzstöcke für die zweite Auflage ist mir ebenso unbegreiflich als höchst unangenehm. Da werden demnach eine solche Anzahl Bilder in der zweiten Auflage verewigt werden, die mir schon in der Ersten ein Greuel gewesen sind! Die schwarzen Nachtbilder sind noch nicht das Unangenehmsie (übrigens ist darunter auch ein Initial, was gar nicht ausgestoßen werden kann).

Hochachtungsvoll
Menzel.

Mit dem Erscheinen dieser Auflage von 1856 war Menzels Verbindung mit der weiteren Gestaltung des Friedrichsbuches ein für allemal erloschen. Der Verleger Mendelssohn ließ sich, wie schon bei dem ersten Neudruck, so noch in wesentlich stärkerem Maße bei den späteren Auflagen des Werkes von der Idee leiten, daß der Kugler ein in die allerweitesten Kreise dringendes Volksbuch werden müsse, und daß eine solche Volkstümlichkeit nur durch die größte Wohlfeilheit erreicht werden könne; diese aber wiederum konnte nur durch eine einfache und kompresse Druckausstattung erzielt werden. So ist die heute in vielen, vielen Tausenden verbreitete Volksausgabe des Kugler entstanden, die sich, zur Ehre der deutschen Jugend sei es gesagt, besonders bei dieser einer großen Beliebtheit erfreut. Die Anerkennung, die wir diesem erfolgreichen Streben des Verlegers spenden, hindert aber nicht, einmal öffentlich den Wunsch auszusprechen, daß unter sorgfältiger künstlerischer Obacht das Buch in seiner ursprünglichen von Menzel persönlich angeordneten Form der ersten Auflage wieder gedruckt werde, und daß diese große Ausgabe dauernd neben der billigen Volksausgabe auf dem Büchermarkte lebe.

Doch die wechselvollen Schicksale des Friedrichsbuches waren noch immer nicht beschlossen. 1861 war die Volksausgabe erschienen und 1867 sollte sie neu gedruckt werden. Da ereignete sich das Unheil, daß in der <25> Druckerei ein Brand ausbrach, wobei siebzig der Stöcke durch Feuer vernichtet wurden. Glücklicherweise waren für einen größeren Teil davon Klischeeabgüsse vorhanden; aber eine Anzahl der Originalstöcke ist unwiederbringlich dahin. Sie wurden nach den Drucken der ersten Auflage ohne weitere Mitwirkung Menzels von Leipziger Holzschneidern nachgeschnitten, und wenn man sich die Mühe nimmt, mit der Lupe an Hand der ersten Auflage Bild für Bild nachzuprüfen, so findet man rasch die neu geschnittenen Stöcke heraus. Ich nenne als Beispiele: erste Auflage Seite 5,10,12,20,29,41. Menzel, dem der Verleger das Unheil mitteilte, bemerkte in seinem Antwortschreiben: Im Übrigen gestehe ich, daß ich Ihre Nachricht mit größerer Gemütsaffektion gelesen hätte, wenn statt der ersten 70 etwa die letzten 70 oder 70 in der Mitte des Feuertodes verfahren wären. In jenen siebzig Holzblöcken sind fast alle damals von den Herren Pariser Zimmerleuten verhunzten Zeichnungen einbegriffen, für welche, wie Ihnen bekannt sein muß, ich gleich schon damals Ersatzzeichnungen für eine künftige neue Auflage ausführte. Davon sind jedoch die zum Schnitt nach dort gesandten auch schon früher einem Unstern zum Opfer gefallen — abhanden gekommen. Gerettet geblieben sind außer den paar kleineren nur das neue Titelfrontispice, die sechs Statuen und die Prachtgebäude.

Gerettet ist das edle Glied des Kugler aber erst heute. Heute erst werden durch unsern Leipziger Bibliophilen-Abend diese letzten ehrwürdigen Denkmale von Menzels volkstümlichstem Werk nach fünfundsiebzigjähriger Vergessenheit zum Leben erweckt. Und wenn wir uns vorstellen, daß Adolph Menzel unter uns träte und dieses endlich lebendig gewordenen Supplements zu seinem Kugler ansichtig würde, das nach seinem eigenen Worte dem Wert und dem Interesse des Buches ein Bedeutendes hinzufügt — so wollen wir glauben, daß er diesmal nicht sprechen wird:

Lange nicht mehr gesehen — War kein frohes Wiedersehn!

Gustav Kirstein

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Sieben Holzschnitte
1842 auf den Stock gezeichnet von Adolph Menzel
1915 geschnitten von Reinhold Hoberg

1. Bildergalerie von Sanssouci

Erbaut von Gottfried Büring 1756, in Anlehnung an die Architektur des von G. W. v. Knobelsdorff geschaffenen Schlosses Sanssouci. Den inneren Ausbau der Bildergalerie ließ der König später durch Georg Christian Unger durchführen. — Menzels Zeichnung in der Berliner National-Galerie Nr. 1584.

2. Das Neue Palais im Garten von Sanssouci

Der Plan wurde begonnen sofort nach Beendigung des siebenjährigen Krieges; nach den Angaben des Königs erbaut von Büring, Manger und C. v. Gontard. — Menzels Zeichnung in der Berliner National-Galerie Nr. 1536 und 1540; eine weitere Zeichnung unmittelbar für die Übertragung auf den Holzstock bei Max Liebermann.

3. Die Communs hinter dem Neuen Palais

Die Communs wurden als Wohnhäuser für die Hofkavaliere benutzt; erbaut wurden sie von dem Franzosen Legeay. — Menzels Zeichnung in der Berliner National-Galerie Nr. 1544.

4. Der königliche Reitstall auf dem Lustgarten in Potsdam

Dieser Marstall war ursprünglich ein von Arnold Nering schon lange vor Friedrichs Regierung im 17. Jahrhundert erbautes Orangerie-Haus, das der König 1746 von Knobelsdorff und Andreas Krüger umbauen und ausgestalten ließ. Die Pferdegruppen an dem Gebäude sind vom Bildhauer Glume. — Menzels Zeichnung in der Berliner National-Galerie Nr. 1533.

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5. Prinz Heinrichs Palais in Berlin

Im Geiste und nach Angaben von Knobelsdorff, dem Erbauer des Berliner Opernhauses, ist nach seinem Tode dieses Palais 1754 von Johann Bouman begonnen und 10 Jahre später vollendet worden. Das Gebäude ist die jetzige Berliner Universität; es ist neuerdings durch Flügelanbauten verändert worden. — Menzels Zeichnung in der Berliner National-Galerie Nr. 1508.

6. Die königliche Bibliothek in Berlin

Der Baugedanke lehnt sich an Fischer von Erlachs Teil der Wiener Hofburg an. Entwurf und Ausführung nach den Angaben des Königs leitete G. Chr. Unger und G. F. Bouman. Neuerdings ist die Fassade durch einen Aufbau des Daches entstellt worden. — Menzels Zeichnung in der Berliner National-Galerie Nr. 1501.

7. Die Gensdarmen-Türme in Berlin

Die schönste Schöpfung Carl v. Gontards. Die Weisung des Königs an den Architekten ging dahin, er solle sich die beiden Kirchen auf der Piazza del Popolo in Rom zur Richtschnur nehmen. Die Neigung des Königs, sich um die Ausführung der Bauten persönlich zu kümmern und entgegen dem Willen der Architekten seine Konstruktionswünsche durchzusetzen, hat öfters zu bald eintretenden Bauschäden geführt; am stärksten bei den Gensdarmen-Türmen, die Risse bekamen, derart, daß der eine eines Morgens zusammengestürzt war. Der Wiederaufbau wurde Unger übertragen, ohne daß Gontard, dank der Einsicht des Königs, irgend ein Zeichen der Ungnade erfuhr. — Menzels Zeichnung in der NationalGalerie Nr. 1507.

Diese Angaben sind teils der Baugeschichte Berlins von Alfred Weltmann entnommen, teils werden sie der besonderen Freundlichkeit des Herrn Professor Dr. Hans Mackowsky verdankt

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Blatt auf Transparentpapier mit handschriftlichem Eintrag Menzels: Bildergallerie von Sanssouci

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Blatt auf Transparentpapier mit handschriftlichem Eintrag Menzels: Das Neue Palais im Garten von Sanssouci

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Blatt auf Transparentpapier mit handschriftlichem Eintrag Menzels: Die Communs hinter dem neue Palais

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Blatt auf Transparentpapier mit handschriftlichem Eintrag Menzels: Der Königl. Reitstall auf dem Lustgarten in Potsdam

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Blatt auf Transparentpapier mit handschriftlichem Eintrag Menzels: Prinz Heinrichs Palais (jetzige Universität)

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Blatt auf Transparentpapier mit handschriftlichem Eintrag Menzels: Königl. Bibliothek

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Blatt auf Transparentpapier mit handschriftlichem Eintrag Menzels: Die Gensd'armen-Thürme

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Mitglieder des Leipziger Bibliophilen-Abends

R. Astor

J. Baensch-Drugulin

W. Baensch

J. Bettmann

E. Beyer

F. A. Beyerlein

W. Bielefeld

Bobsien

K. Boysen

M. Brahn

E. Brandenburg

W. Breslauer

O. Carlson

A. Doren

E. Eggebrecht

A. E. Esche

F. Etzold

J. Finkelstein

M. Förster

P. Freidank

T. Fritzsch

A. Frohwein

W. Gebhardt

I. Geest

E. Goetz

Grimm-Sachsenberg

O. Günther

K. Hagen

M. Heilpern

P. Heinicke

H. Hell

R. Helßig

B. Héroux

K. Hiersemann

H. Hinrichsen

R. Hirschfeld

W. Jaensch

L. Jolowicz

R. Käppler

A. Kippenberg

G. Kirstein

F. Klincksieck

W. Klinkhardt

F. König

A. Köster

A. Liebisch

A. Liebsch

W.List

A. Littauer

R. Maeder

E. Marx

A. Meiner

W. Mendelssohn

P. Merker

G. Merseburger

F. Meyer

E. Meyn

K. v. Miaskowski

G. Nebehay

E. Platky

M. Plaut

C. E. Poeschel

E. Reclam

E. Reusch

E. Riecke

R. Rothschild

H. Rugenstein

R. Saemann

F. Salomon

E. Schaumberg

K. Scherling

E. Schmidt

R. B. Schmidt

C. Schüddekopf

E. Schulz-Besser

H. Schulz

M. Seliger

F. Skutsch

C. Sonntag

G. W. Sorgenfrey

A. v. Sponer

G. Steindorff

H. Steiner-Prag

G. Stumme

W. Tiemann

F. Verlohren

L. Volkmann

H. Wagner

M.Weg

T. Weicher

A. Weigel

E. Wiegandt

E. Winterstein

G. Witkowski

K. Wolff

E. Wohrizek

K. v. Zahn

J. Zeitler

F. v. Zobeltitz.

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Druck der Holzschnitte von Fr. Richter in Leipzig

des Textes von Ernst Hedrich Nachf.

Einband von Hübel & Denck