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2. Kabinettserlaß über das Unterrichtswesen
an den Minister Freiherrn von Zedlitz313-1
(5. September 1779)

Da ich gewahr geworden, daß bei den Schulansialten noch viele Fehler sind, und daß besonders in den kleinen Schulen die Rhetorik und Logik nur sehr schlecht oder garnicht gelehrt wird, dieses aber eine vorzügliche und höchst nothwendige Sache ist, die ein jeder Mensch in jedem Stande wissen muß und das erste Fundament bei Erziehung junger Leute sein soll, denn wer zum besten raisonniret, wird immer weiter kommen als Einer, der falsche Conséquences zieht; so habe Euch hierdurch meine eigentliche Willensmeinung dahin bekannt machen wollen.

Wegen der Rhetorik ist der Quintilian313-2, der muß verdeutschet und darnach in allen Schulen infomiret werden. Sie müssen die jungen Leute Traductions und Discours selbst machen lassen, daß sie die Sache recht begreifen, nach der Methode des Quintilian. Man kann auch ein Abrégé daraus machen, daß die jungen Leute in den Schulen alles desto leichter lernen; denn wenn sie nachher auf Universitäten sind, so lernen sie davon nichts, wenn sie es aus der Schule nicht schon mit dahin bringen. Zum Unterricht in der Logik ist die beste im Deutschen von Wolff313-3: solche ist wohl ein bischen weitläuftig, aber man kann sie abrégiren lassen.

Die ersten Schulen sind immer Schuld daran, wenn die jungen Leute nichts lernen: die Lehrer lassen die jungen Leute nicht selbst arbeiten, sondern sie herumlaufen, und halten sie nicht genug zum Lernen an. Lateinisch müssen die jungen Leute auch absolut lernen, davon gehe ich nicht ab; es muß nur darauf raffiniret werden, auf die leichteste und beste Methode, wie es den jungen Leuten am leichtesten beizubringen. Wenn sie auch Kaufleute werden oder sich zu was andrem widmen, wie es auf das Genie immer ankommt, so ist ihnen das doch allezeit nützlich, und kommt schon eine Zeit, wo sie es anwenden können. Im Ioachimstal und in den andren großen Schulen muß die Logik durchgehends gründlich gelehret werden, auch in den Schulen<314> der kleinen Städte, damit ein jeder lernt, einen vernünftigen Schluß machen in seinen eignen Sachen; das muß sein. Die Lehrer müssen sich auch mehr Mühe geben mit dem Unterricht der jungen Leute und darauf mehr Fleiß wenden und mit wahrem Attachement der Sache sich widmen; dafür werden sie bezahlet, und wenn sie das nicht gebührend thun und nicht ordentlich in den Sachen sind und die jungen Leute negligiren, so muß man ihnen auf die Finger klopfen, daß sie besser attent werden.

Die Rhetorik nach dem Quintilian und die Logik nach dem Wolff, aber ein bischen abgekürzet, und das Lateinische nach den Autoribus classicis muß mit den jungen Leuten durchgegangen werden, und so müssen sie unterrichtet werden, und die Lehrer und Professores müssen das Lateinische durchaus wissen, sowie auch das Griechische. Das sind die wesentlichsten Stücke mit, daß sie das den jungen Leuten recht gründlich beibringen können und die leichteste Methode dazu ausfindig zu machen wissen.

Ihr müsset daher mit der Schulverbesserung in den großen Städten, als Königsberg, Stettin, Berlin, Breslau, Magdeburg etc., zuerst anfangen. Auch ist die Elisabeth-Schule zu Breslau, wo gute Leute gezogen werden, die hernach zu Schulmeistern genommen werden können. Bei den kleinen Schulen muß erst angefangen werden; denn da wird der Grund gelegt. Die jungen Leute mögen hiernächst auf einen Juristen, Professor, Secretär, oder was es ist, studieren, so müssen sie das alles, auch Lateinisch, wissen. Eine gute deutsche Grammatik, die die beste ist, muß auch bei den Schulen gebraucht werden, es sei nun die Gottschedsche314-1 oder eine andre, die zum besten ist.

Von großem Nutzen würde es sein, wenn die jungen Leute so in einem Schulhause beständig beisammen wären, wofür die Eltern was gewisses bezahlten; so würden sie weit mehr lernen, als wenn sie zu Hause sind, wo sie die Eltern nur herumlaufen lassen; wie im Ioachimstal, da können sie gut studieren, da sind sie immer bei einander.

Die Rhetorik und Logik ist für alle Stände, alle Menschen haben sie gleich nöthig; nur muß die Methode des Unterrichts ein bischen reformiret werden, damit die jungen Leute besser lernen. Und wenn ein Lehrer oder Professor darin sich hervorthut, so muß man denn sehen, wie man dergleichen Lehrer auf eine Art avantagiret, daß sie aufgemuntert und die andren gereizet werden, sich auch zu befleißigen, daß sie nicht so grob sind.

Die Auctores classici müssen auch alle ins Deutsche übersetzet werden314-2, damit die jungen Leute eine ldée davon kriegen, was es eigentlich ist: sonsten lernen sie die Worte wohl, aber die Sache nicht. Die guten Auctores müssen vor allen übersetzet werden ins Deutsche, als im Griechschen und Lateinischen der Xenophon, Demosthenes, Sallust, Tacitus, Livius, und vom Cicero alle seine Werke und Schriften, die sind<315> alle sehr gut; desgleichen der Horatius und VirgU, wenn es auch nur in Prosa ist. Im Französischen sind auch ercellente Sachen, die müssen ebenfalls übersetzet werden. Und wenn denn die jungen Leute was gearbeitet haben, so muß das gegen die deutsche Übersetzung gehalten und ihnen gewiesen werden, wo sie unrechte Wörter angebracht und gefehlet haben.

Gegenwärtig geschiehst der Unterricht nur schlecht, und es wird nicht genug Attention auf die Erziehung in den Schulen gewandt, drum lernen die Kinder auch nicht viel. Die ersten Fundamente sind nicht nutze. Wer zum besten raiaonniren kann, wird immer zum weitesten kommen, besser als der, der nur falsche Schlüsse ziehet. Für junge Leute, die beim Commerce gehen wollen, sind so ein Haufen gute Bücher, woraus sie das Commerce einer jeden Nation in der ganzen Welt kennen lernen können. Für Leute, die Officiers werden, ist die Historie nöthig, auch für andre Leute, und zwar muß solche gleich zum Anfange gelehret werden; denn es sind Abrégés genug davon da. Anfänglich muß man sie nur kurz unterrichten und bei den alten Zeiten nicht zu lange sich aufhalten, doch so, daß sie eine Kenntniß von der alten Geschichte kriegen. Aber in den neuern Zeiten, da muß man schon etwas genauer damit gehen, damit die jungen Leute solche gründlich kennen lernen, und das gehet auch spielend an. In Ansehung der Geometrie, da sind schon andre Mittel, um ihnen solche zu lehren.

Und was die Philosophie betrifft, die muß von keinem Geistlichen gelehrt werden, sondern von Weltlichen: sonsien ist es ebenso, als wenn ein Jurist einem Officier die Kriegskunst lehren soll. Er muß aber alle Systèmes mit den jungen Leuten durchgehen und durchaus keine neue machen. Von der Metaphysik müssen sie auch was durchgehen.

Aber vom Griechischen und Lateinischen gehe ich durchaus nicht ab bei dem Unterrichte in den Schulen. Und die Logik ist das Allervernünftigste; denn ein jeder Bauer muß seine Sachen überlegen, und wenn ein jeder richtig dächte, das wäre sehr gut. Die Rhetorik muß den jungen Leuten, wie schon gesagt, ebenfalls gründlich beigebracht werden. Man muß auch darauf Acht geben, daß die Kinder fleißig in die Schulen kommen, und wenn das nicht geschieht, muß das den Vätern und Eltern gemeldet werden, daß sie sie dafür strafen; denn warum schicken sie sonst die Kinder in die Schule, als daß sie was lernen sollen? sonst können sie sie ja nur zu Hause behalten.

Daß die Schulmeister auf dem Lande die Religion und die Moral den jungen Leuten lehren, ist recht gut, und müssen sie davon nicht abgehen, damit die Leute bei ihrer Religion hübsch bleiben und nicht zur katholischen übergehen; denn die evangelische Religion ist die beste und weit besser wie die katholische. Darum müssen die Schulmeister sich Mühe geben, daß die Leute Attachement zur Religion behalten, und sie so weit bringen, daß sie nicht stehlen und nicht morden. Diebereien werden indessen nicht aufhören, das liegt in der menschlichen Natur; denn natürlicher Weise ist alles<316> Volk diebisch, auch andre Leute und solche, die bei den Kassen sind und sonst Gelegenheit dazu haben.

Im Lauenburgischen und Bütowschen ist es noch mehr wie an andren Orten nöthig, die éducation der Kinder in eine bessere Ordnung zu bringen; denn da fehlet es noch sehr daran. Im Altenburgischen ist eine sehr gute Erziehung, die Leute sind da alle so ordentlich und vernünftig. Wenn man von daher könnte Schulmeister kriegen, die nicht so theuer wären, so würde das sehr gut sein. Ihr werdet sehen, wie das zu machen stehet. Sonsten ist es auf dem platten Lande genug, wenn sie ein bischen lesen und schreiben lernen. Wissen sie aber zu viel, so laufen sie in die Städte und wollen Secretärs und sowas werden. Deshalb muß man auf dem platten Lande den Unterricht der jungen Leute so einrichten, daß sie das Nothwendige, was zu ihrem Wissen nothwendig ist, lernen, aber auch in der Art, daß die Leute nicht aus den Dörfern weglaufen, sondern hübsch da bleiben.

Nach dieser meiner Willensmeinung und Vorschrift werdet Ihr daher bemühet sein, alles in den Schulen besser einzurichten und zu regulieren, damit meine landest väterliche Intention bestens erreicht wird.


313-1 Der obige Erlaß erging auf Grund einer Unterredung, die der König am 5. September 1779 mit dem Chef des geistlichen Departements, dem Minister Freiherrn Karl Abraham von Zedlitz gehabt hatte. Die Vorlage ist deutsch abgefaßt.

313-2 Vgl. S. 87 Anm. 2.

313-3 Vgl. S. 86.

314-1 „Grundlegung einer deutschen Sprachtunst“ (Leipzig 1748).

314-2 Vgl. S. 84.